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Mitarbeiter:innen, BürgerInnen, Kolleg*innen? Städte wie Kiel und Lübeck setzen in ihren Briefen, Formularen und Broschüren neuerdings auf eine „geschlechtsneutrale Sprache“. Das verstößt nach Ansicht der AfD gegen die Regeln der deutschen Rechtschreibung und gegen das Sprachempfinden der meisten Menschen. Die Oppositionsfraktion will den Kommunen deswegen den Doppelpunkt mitten im Wort, das Binnen-I oder das Gender-Sternchen per Gesetz verbieten. Im Landtag gab es heftigen Widerspruch.
Sprache müsse die Lebenswirklichkeit abbilden, so Frank Brodehl (AfD), und sie müsse sprech- und vorlesbar sein. Obwohl die deutliche Mehrheit eine gegenderte Sprache als verwirrend ablehne, werde dies „mit viel Geld forciert“, um die Menschen „durch Sprache zu erziehen“. „Wir wollen, dass so ein Unsinn endlich aufhört“, forderte Brodehl. Das traditionelle generische Maskulinum, bei dem etwa bei den „Arbeitnehmern“ auch die Frauen gemeint sind, sei keineswegs diskriminierend. „Gleichberechtigung lässt sich nicht dadurch erreichen, dass wir unsere Sprache verhunzen“, betonte Brodehl.
Für diese Einschätzung erntete er breite Kritik. Katja Rathje-Hoffmann (CDU) bezeichnet den AfD-Vorstoß als „unerträglich“ und „rückwärtsgewandt“. Das generische Maskulinum sei „von vorgestern“. „Sie wollen Frauen in der Sprache unsichtbar machen“, warf auch die SPD-Abgeordnete Beate Raudies der AfD vor. „Wir aber wollen eine Gesellschaft, in der alle Geschlechter sichtbar sind.“
Aminata Touré (Grüne) sprach von einem „Provokationsversuch“ der AfD. „Ich möchte nicht mitgemeint, sondern angesprochen werden“, so Touré. Der Rat der deutschen Rechtsschreibung habe im Jahr 2018 das Recht auf angemessene sprachliche Repräsentation betont, sagte Geburtstagskind Jette Waldinger-Thiering (SSW), die heute 56 Jahre alt wird. Gendergerechte Sprache bedeute eine Umgewöhnung, „aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt“. Und Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne), der die abwesende Gleichstellungsministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) vertrat, unterstrich: „Die Veränderung ist ebenso normal wie unaufhaltsam.“
„Ich persönlich habe als Frau kein Problem mit dem generischen Maskulinum“, sagte dagegen Annabell Krämer (FDP). „Wir Frauen brauchen keine gegenderte Sprache“, stellte sie fest. Frauen sollten endlich aufhören, „sich klein zu machen“ und ihre Anstrengungen auf „Nebenkriegsschauplätze“ zu verlegen. Der AfD-Entwurf sei handwerklicher „Murks“, so Krämer, weil er „ohne Sinn und Verstand aus anderen Bundesländern abgeschrieben“ worden sei.
Über das Thema berät nun der Innen- und Rechtsausschuss.
Mit Blick auf die Hansestadt Lübeck, wo die Stadtverwaltung Ende vergangenen Jahres einen Leitfaden über geschlechtsneutrale Sprache herausgegeben hat, erinnert die AfD-Fraktion im Kieler Landtag an „die amtlichen Regelungen der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 2006 (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 2. März 2006) einschließlich der allgemein gültigen Regeln der deutschen Grammatik“. Hieran haben sich auch Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie der dienstliche Schriftverkehr und Sprachgebrauch zu halten, meint die AfD – und legt diesbezüglich einen Gesetzentwurf zum Gleichstellungsgesetz vor.
Der Leitfaden für die Lübecker Stadtverwaltung soll seit Jahresbeginn geschlechtsneutrale Sprache in allen städtischen Publikationen sowie dem Schriftverkehr gewährleisten. Eine neue Rolle bekommt dabei der Doppelpunkt: Aus Mitarbeitern werden „Mitarbeiter:innen“, aus Schülern „Schüler:innen“. Auch die männlichen Mitbürger sind ab sofort „Lübecker:innen“. Die Umsetzung der Verordnung mit der Anpassung von Formularen, Flyern und sonstigen Drucksachen sollte schrittweise erfolgen.
„Der Doppelpunkt zwischen der maskulinen und femininen Endung soll in der Schriftsprache als Darstellungsmittel aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten dienen“, teilte Lübeck zu dem Leitfaden mit. Ziel sei es, den Geschlechterdualismus aufzuheben. Ein Gerichtsurteil habe das Recht auf Anerkennung eines dritten Geschlechts bestätigt und zu neuen gesetzlichen Änderungen geführt – deshalb „besteht auch für die Verwaltung der Hansestadt Lübeck Handlungsbedarf“, betonte Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD). Lübeck als tolerante und offene Stadt müsse diskriminierungsfrei kommunizieren.
Die AfD meint dagegen in der Begründung ihres Gesetzentwurfs unter anderem, dass die Lübecker Vorgabe eine Vielzahl von Sprachgebilden enthalte, „die zum einen weder korrekt gesprochen noch vorgelesen werden können, und die zum anderen gegen die Regeln der Rechtschreibung, Interpunktion und Grammatik verstoßen“. Die sogenannte geschlechtergerechte Sprache, die dem generischen Maskulinum die Funktion abspreche, sowohl männliche als auch nichtmännliche Personen abzubilden, „wird den Anforderungen, die für Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie für den dienstlichen Schriftverkehr und Sprachgebrauch gelten, nicht gerecht“.
(Stand: 15. Juni 2020)
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst (Gleichstellungsgesetz - GstG)
Gesetzentwurf der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2075