Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

23. Januar 2020 – Januar-Plenum

Kinderkuren: Alptraum statt Erholung

Statt einer erholsamen Auszeit am Meer erwartete viele Kinder, die in früheren Zeiten „verschickt“ wurden, Demütigung und Gewalt. Die Opfer anzuhören und Missstände aufzuklären, dafür steht der Landtag geschlossen ein.

Missbrauch Kinder Erholungsheime
In verschiedenen Erholungsheimen in Schleswig-Holstein sind in der Vergangenheit Kinder misshandelt worden. Foto: dpa, Julian Stratenschulte

Es fallen die Worte „erschreckend“, „beschämend“ und „bedrückend“: In der Debatte über die Missstände in Kindererholungsheimen in den 1950er bis 1980er Jahren stellen sich alle Fraktionen hinter die Forderung nach einer umfassenden Aufarbeitung der Geschehnisse. Adressat ist die Landesregierung, die den Aufarbeitungsprozess eng begleiten soll.

„Was zum Wohle der Kinder gedacht war, entpuppte sich für Viele als echter Alptraum“, berichtet Sozialminister Heiner Garg (FDP) in einem mündlichen Bericht. Kinder seien auf perfide Weise gedemütigt und erniedrigt worden: Sie hätten zum Teil ihr Erbrochenes essen müssen oder ihnen sei verboten worden, nachts auf die Toilette zu gehen. Das Ausmaß sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen, so Garg. Einen Auftrag zur Recherche habe sein Ministerium bereits erteilt – mit bislang noch wenigen Ergebnissen. Ziel sei eine systematische, länderübergreifende Aufklärung, „bei der wir momentan noch ganz am Anfang stehen“.

„Trauriges Kapitel kollektiven Versagens“

Rund 840 Erholungsheime mit insgesamt 65.000 Plätzen bundesweit habe es gegeben, so Tobias von Pein (SPD) – schätzungsweise könnten 1,6 Millionen Kinder betroffen sein. Er sprach von einem „traurigen Kapitel kollektiven Versagens“. Nach solch „lebenszerstörenden“ Erlebnissen müsse auch geklärt werden, warum den Betroffenen damals kein Gehör geschenkt wurde. Von Pein machte deutlich: „Was geschehen ist, darf nie wieder passieren.“ Dem schlossen sich alle weiteren Redner an.

Weitere Redner:
Werner Kalinka (CDU), Aminata Touré (Grüne), Dennys Bornhöft (FDP), Claus Schaffer (AfD), Flemming Meyer (SSW)

Die SPD fordert vom Land Unterstützung für die historische Aufarbeitung von Misshandlungen und Missbrauch in Kindererholungsheimen und -stätten in Schleswig-Holstein in den 1950er bis 1980er Jahren. Die Landesregierung soll dazu dem Parlament berichten, heißt es in einem entsprechenden Antrag. Hintergrund: Ehemalige Betroffene hatten im November vergangenen Jahres auf Sylt den Kongress „Das Elend der Verschickungskinder“ organisiert und das Thema in den Blick gerückt. Die Betroffenen berichteten von schwersten Misshandlungen, Missbrauch, Gewalt, Demütigung und Erniedrigung.

„Viele Kinder kamen von sogenannten Verschickungen schwer traumatisiert zurück“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Birte Pauls bei Vorstellung des Antrags. Ihren Appell an die Landesregierung, die Aufarbeitung der Geschehnisse zu unterstützen, hatten bereits die rund 70 Kongress-Teilnehmer auf Sylt, formuliert. Sie riefen dazu auf, Bund, Länder und die Trägereinrichtungen der Kurheime sollten gemeinsam mindestens drei Millionen Euro zur Verfügung stellen – für eine Anlaufstelle zur Beratung und Vernetzung Betroffener sowie ein Forschungsprojekt, das die zahlreichen Erlebnisberichte auswertet und Gruppen von Betroffenen bei ihren eigenen Recherchen lokal begleitet.

(Stand: 20. Januar 2020)

Vorherige Debatte zum Thema:
Februar 2019 (Bericht der Bürgerbeauftragten)

Antrag

Geschehnisse im Rahmen von Kinderkuren in Schleswig-Holstein aufarbeiten
Antrag der Fraktion der SPD, CDU, Grüne, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/1873(neu)