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Qualität steigern, Eltern und Kommunen entlasten: Das sind die Ziele der Kita-Reform der Landesregierung, die als ein Kernstück dieser Legislaturperiode gilt. Doch aus der Opposition gibt es nach wie vor viel Kritik.
Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf für die geplante Kita-Reform ist im Landtag in Erster Lesung auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während Redner der Jamaika-Koalition die große Bedeutung des „Kraftaktes“ hervorhoben, wiederholte die SPD in der über zweieinhalbstündigen, intensiv geführten Debatte ihre Kritik, es würden nicht wie versprochen alle Kommunen und alle Eltern, sondern nur einige tatsächlich entlastet. Auch AfD und SSW forderten Nachbesserungen.
„Wir machen Schleswig-Holstein zu einem familienfreundlicheren Bundesland und schaffen einheitliche Lebensverhältnisse in Schleswig-Holstein“, zeigte sich Familienminister Heiner Garg (FDP) überzeugt. Der Entwurf verbessere nicht nur die frühkindliche Bildung, sondern auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und trage damit zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei. Familien würden künftig von „zum Teil viel zu hohen Gebühren“ entlastet, sie hätten freies Wahlrecht bei der Einrichtung, es werde eine bessere Qualität eingeführt und zudem würden die Kommunen bei der Finanzierung entlastet, hob Garg hervor.
Laut dem Minister fließen rund eine Milliarde Euro zusätzlich in dieser Legislaturperiode in die Kitas. Darin sind 191 Millionen vom Bund enthalten. Statt 2000 Euro pro Kind und Jahr im Jahr 2017 würden im Jahr 2022 4400 Euro gezahlt. „Das ist ein finanzieller Kraftakt für ein Konsolidierungsland wie Schleswig-Holstein, aber auch ein klares Signal des Landes in die frühkindliche Bildung“, erklärte Garg und schob nach: Die Kita-Reform biete „eine nachhaltige Struktur, Transparenz und ein höheres Maß an Verlässlichkeit“. Allen Beteiligten versprach der Minister, der Beteiligungsprozess sei nicht abgeschlossen. Anregungen und Kritik würden bis zur Evaluation 2024 regelmäßig aufgenommen.
„Das ist eine Kita-Reform, die keine Reform ist“, entgegnete Serpil Midyatli (SPD) dem Minister. Auch „das letzte Großprojekt“ dieser Landesregierung sei „eine Enttäuschung für alle Beteiligten“. Statt Qualitäts-Verbesserungen würden nur Mindeststandards festgelegt, die „in über 70 Prozent der Kitas schon umgesetzt sind“, so Midyatli. Es fehle zudem Fachpersonal. „Wir haben immer gemahnt, ein Kita-Reform müsse mit einer Erzieherinnen-Ausbildungsreform einhergehen. Das ist nicht passiert“, zeigte sie sich enttäuscht. Zwar würden jetzt die Finanzströme neu geregelt, aber die Jamaika-Koalition habe „viel mehr versprochen“. Die Kommunen zahlten oft sogar drauf. „Wir werden erleben, dass diese Reform scheitert“, prophezeite Midyatli.
Die Veränderungen in der Kita-Reform erfordern mehr Fachpersonal, stimmte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben der SPD-Kritik zu. Allerdings würden bereits mehr Erzieher ausgebildet. „Wir stoßen an Grenzen, weil es an Ausbildern fehlt, aber da gehen wir ran“, kündigte von Kalben an. Sie sprach sich außerdem für einen „Bildungsbonus auch für Kitas“ aus.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt konterte dagegen die Vorwürfe von Midyatli scharf: Ihre Vorwürfe sind „dreist, überheblich und völlig daneben“, konterte Die Jamaika-Koalition habe „eine umfassende Reform gewagt“, um Kinder „bestmöglich auf ein selbstbestimmtes Leben“ vorzubereiten. Auch die Übergangsregelungen und die geplante Evaluation seien „sachgerecht und nicht mutlos“, so Vogt.
Das bisherige Gewirr aus „sieben Förderkulissen, 13 Regelungsbereichen und 32 Kriterien der jeweiligen Zuweisung der Landesmittel“ werde entflochten, zudem der „Flickenteppich“ mit unterschiedlichen Betreuungsschlüsseln und Sozialstaffeln in den 15 Kreisen abgeschafft, betonte die CDU-Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann. Für die meisten Eltern gebe es Entlastungen durch den festen und fairen Beitragsdeckel. „Wir sorgen zudem für eine starke und gleichberechtigte Kindertagespflege“, unterstrich sie.
Claus Schaffer (AfD) forderte erneut, die „Eigenverantwortung der Familien“ zu stärken. Eltern müssten auch die Chance haben, ihre Kinder zuhause selbst zu betreuen. Dafür solle es ebenfalls Unterstützung geben. Zudem reichten die Mindeststandards nicht aus, so Schaffer. Er verlangte zudem, dass das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung beitragsfrei sein müsse.
Für den SSW, der kräftige Nachbesserungen verlangt, kommen die Träger mit anderen pädagogischen Konzepten „unter die Räder“. Flemming Meyer (SSW) monierte etwa fehlende Konzepte zum Ausbau der Naturpädagogik im U3- und im Hortbereich. Auch sei die Reform „nicht wirklich inklusiv“. Eltern von Kindern mit Behinderung hätten kaum eine Wahlfreiheit. Der Kritik an der weitgehend ausklammerten Inklusion in der Reform schloss sich ausdrücklich auch der SPD-Abgeordnete Wolfgang Baasch. Insbesondere Anita Klahn von der mitregierenden FDP versprach in diesem Punkt eine Nachjustierung.
Im Sozialausschuss soll es nun umfangreiche Anhörungen geben.
Weitere Redner mit Kurzbeiträgen:
Martin Habersaat (SPD), Tobias Koch (CDU), Werner Kalinka (CDU), Andreas Tietze (Grüne)
Die Landesregierung hat ihren Gesetzentwurf für die geplante Kita-Reform vorgelegt. Ein Kernpunkt darin sind die Elternbeiträge, die bisher zu den höchsten in Deutschland gehören und für die es nun landesweit Höchstgrenzen geben soll. Die geplante „Deckelung“ in Zahlen: Eltern sollen künftig bei über dreijährigen Kindern maximal 141 Euro monatlich für täglich fünf Stunden Betreuung und 226 Euro für acht Stunden zahlen. Bei unter Dreijährigen sollen die Maximalbeiträge bei 180 Euro beziehungsweise 288 Euro liegen.
Mit der Deckelung der Beiträge würden Eltern von den bisherigen, teils „exorbitanten Betreuungskosten“ im Land entlastet, sagte Sozialminister Heiner Garg (FDP) am 10. Juni bei der öffentlichen Vorstellung des fertigen Reformentwurfs. Es werde nicht mehr vorkommen, dass Eltern um die 750 Euro für einen Kitaplatz bezahlen müssten und Eltern in einer anderen Gemeinde vielleicht bereits jetzt weniger als die gedeckelten Beiträge. Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode – das wäre spätestens 2027 – will Garg die Kita-Gebühren ganz abschaffen.
Weiterhin sieht die Reform eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels vor. Im Elementarbereich sollen sich etwa statt 1,5 künftig 2,0 Erzieher um eine Gruppe kümmern. Die Regelgruppengröße in der Ü3-Betreuung soll zukünftig 20 Kinder betragen – in Ausnahmefällen kann sie auf maximal 22 Kinder vergrößert werden, aber nicht mehr auf 25 Kinder wie bisher.
Als drittes Reformziel nannte Garg die Entlastung der Kommunen. Das Land erhöhe seinen Anteil an der Finanzierung des Kita-System deutlich und beteilige sich erstmals mit einem verlässlichen Finanzierungsanteil pro betreutem Kind an den Kosten. Die Förderung pro Kind werde von durchschnittlich rund 2000 Euro im Jahr 2017 dann auf rund 4400 Euro im Schnitt steigen.
Künftig sollen die Wohnort-Gemeinden 39 Prozent, das Land knapp 38 Prozent und die Eltern 23 Prozent der Kita-Kosten tragen. Für die Kindertagespflege sollen erstmals Mindestvergütungssätze festgelegt werden in Höhe von 4,73 Euro pro Kind und Stunde – das ergibt einen Stundendurchschnittswert von 22,20 Euro bei vier bis fünf betreuten Kindern.
Der nun vorgelegte Gesetzentwurf soll nach der Ersten Lesung in dieser Tagung und nach Parlamentsanhörungen von Verbänden voraussichtlich im Dezember endgültig beschlossen werden. Zum 1. August 2020 soll die Reform dann als ein Schlüsselprojekt der Jamaika-Koalition in Kraft treten. Eine Milliarde Euro – davon 191 Millionen Euro zusätzliche Bundesmittel – fließen in dieser Legislaturperiode zusätzlich zur Förderung der Kitas im Norden.
(Stand: 23. September 2019)
Vorherige Debatten zum Thema:
März 2019
April 2018
Juli 2017
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur finanziellen Entlastung von Familien und Kommunen (KiTa-Reform-Gesetz)
Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 19/1695
(Federführend ist das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren)