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Unter Verschluss halten oder die Betroffenen informieren – die Landespolitik streitet über den Umgang mit Namenslisten, die Rechtsextreme zusammengestellt haben. Minister Grote betont: Wer konkret bedroht wird, dem wird geholfen.
Im Landtag herrscht Uneinigkeit über den Umgang mit sogenannten Feindeslisten, die in rechtsextremen Kreisen kursieren. Auf solchen Listen wurden Informationen über politisch Andersdenkende gesammelt. Allein der Gruppierung „Nordkreuz“ aus Mecklenburg-Vorpommern wird eine Sammlung von 25.000 Namen zugeschrieben. Bei Razzien gelangte sie in Besitz der Sicherheitsbehörden. Tobias von Pein, dessen SPD-Fraktion die Debatte angestoßen hatte, forderte, alle Betroffenen zu informieren. Wer sich im Fadenkreuz von Rechtsextremisten befinde, müsse dies wissen. Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) sah das anders.
„Wenn wir jeden Betroffenen anschreiben, dann würden wir den Verfassungsfeinden die Chance geben, unsere Sicherheitsbehörden lahmzulegen“, so der Minister. Rechtsextreme würden dann absichtlich „riesige Datensätze“ ins Internet stellen. Wenn es jedoch tatsächliche Anhaltspunkte auf eine „mögliche Gefährdung auch nur der geringsten Stufe“ gebe, dann würden die Betroffenen informiert und beraten, betonte Grote.
Das reichte von Pein nicht aus. Er verwies auf eine wachsende Gewaltbereitschaft im rechtsextremen Bereich und auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni. „Auch er stand auf einer solchen Liste“, so von Pein. Die Gefahr sei real, und anonyme Drohungen müssten ernst genommen werden. Er verwies auf andere Bundesländer, die Betroffenen per Post informieren und auf das Beispiel Hamburg, wo eine Telefonberatung eingerichtet wurde.
Claus Christian Claussen (CDU) sprang dem Minister bei. Es sei falsch, Menschen automatisch zu unterrichten, „wenn ihr Name sich auf irgendeiner obskuren Liste befindet“. Denn dann würde das Prinzip gelten „Der Rechtsextremist schreibt, die Polizei stellt zu“. „Die konkrete Gefährdungseinschätzung muss bei den Sicherheitsbehörden bleiben“, unterstrich Lars Harms (SSW). Bei einer pauschalen Information aller Personen auf der Liste „lassen wir Menschen mit dem Gefühl zurück, dass sie in Gefahr schweben, ohne ihnen zu helfen“.
„Ich bin der Meinung, dass jeder informiert werden sollte“, sagte dagegen Lasse Petersdotter (Grüne). Er verwies darauf, dass jeder Mensch das Recht habe, sich an jede Polizeistation zu wenden, „mit der Frage: Stehe ich auf der Feindesliste?“ Jan Marcus Rossa (FDP) merkte an, dass der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz zwölf neue Stellen zur Bekämpfung des Extremismus im Internet eingerichtet habe: „Wir werden diese Menschen enttarnen, mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgen und zur Verantwortung ziehen.“
Claus Schaffer (AfD) verwies auf Aussagen aus dem Bundeskriminalamt, wonach es „keine Feindes- oder Todeslisten“ gebe. Er warf der SPD „politische Panikmache“ vor. Die Mehrheit im Landtag ignoriere zudem das „massive Problem des Linksextremismus“ im Lande. Die ehemalige AfD-Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein (fraktionslos) sagte, die „Nordkreuz“-Liste sei eine „Kundendatei“. Auch die AfD Mecklenburg-Vorpommern befinde sich darauf.
Der SPD-Antrag und ein Jamaika-Alternativantrag werden nun im Innen- und Rechtsausschuss weiter beraten.
Rechtsextreme haben offenbar systematisch Informationen über politisch und gesellschaftlich engagierte Menschen gesammelt und sogenannte Todeslisten erstellt. Allein der Gruppierung „Nordkreuz“ aus Mecklenburg-Vorpommern wird eine Sammlung von 25.000 Namen und Adressen zugeschrieben. Wie viele davon auf Schleswig-Holstein entfallen, wollte das Kieler Innenministerium auf Nachfrage nicht sagen. Die SPD im Landtag fordert nun, die Betroffenen darüber zu informierten, dass sie sich möglicherweise im Fadenkreuz von Rechtsextremisten befinden. Zudem soll das Land seine Hilfsangebote ausbauen.
Die Sicherheitsbehörden sollen eine Anlaufstelle für bedrohte Personen einrichten, so die Sozialdemokraten. Dort sollen die Betroffenen beraten werden, und es soll ihnen, falls nötig, Personenschutz angeboten werden. Weiter wird dazu aufgerufen, das Land soll seine finanzielle Unterstützung für diesen Bereich ausbauen. Die „Todeslisten“ wurden bei Ermittlungen und Razzien im rechtsextremen Milieu sichergestellt. Die Informationen seien teilweise von Hackern erbeutet und teilweise aus öffentlich zugänglichen Quellen gesammelt worden, so die Behörden.
Nach Ansicht des Bundeskriminalamts (BKA) sind die auf den Listen geführten Menschen jedoch nicht in Gefahr: „Nach eingehender Prüfung jeder einzelnen Datensammlung liegen derzeit grundsätzlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die aufgelisteten Personen konkret gefährdet sind“, heißt es auf der BKA-Website. Und weiter: „Würde die Polizei alle Betroffenen, die auf Listen oder in sonstigen Sammlungen auftauchen, informieren, hätten die Täter eines ihrer Ziele erreicht: Verunsichern und Angst schüren.“ Deshalb würden nur Menschen informiert, bei denen eine konkrete Gefährdung vorliege.
Diese Linie unterstützt auch der schleswig-holsteinische Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU): „Wer grundsätzlich jeden Betroffenen anschreibt, der würde den Verfassungsfeinden die Chance geben, künftig durch die regelmäßige Veröffentlichung zahlreicher großer Adressdateien in ihren Netzwerken die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden lahmzulegen.“ Die Menschen in Schleswig-Holstein könnten sich darauf verlassen, dass sie „selbstverständlich sofort informiert werden, sobald die Sicherheitsbehörden eine mögliche Gefährdung auch nur der geringsten Stufe für sie erkennen“.
Das sieht die SPD im Landtag anders: Wer auf einer solchen Liste stehe, müsse dies wissen. Die Oppositionsfraktion verweist auf eine wachsende Gewaltbereitschaft im rechtsextremen Bereich. Spätestens seit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni sei deutlich geworden, dass Menschen konkret gefährdet seien, wenn sie im Visier von Rechtsextremen stünden. Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus.
Einzelne Bundesländer – wie zum Beispiel Hessen – haben angekündigt, alle Genannten zu informieren. Andere Länder – wie etwa Nordrhein-Westfalen – sind zurückhaltender. Die FDP-Fraktion im Bundestag forderte ein einheitliches Vorgehen und schlug eine Ombudsperson vor.
(Stand: 26. August 2019)