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21. Juni 2019 – Juni-Plenum: Lebensmittel

Pro und Kontra „Containern“

Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich im Müll. Sollte es da nicht erlaubt sein, sie aus den Containern der Supermärkte zu fischen? Der Landtag debattiert kontrovers.

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Nach Berechnungen der Universität Stuttgart landen in Deutschland jährlich fast 13 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Foto: dpa, Carmen Jaspersen

Mindestens elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr in Deutschland weggeworfen – in Haushalten, Restaurants und Lebensmittelläden. Die SPD fordert gesetzliche Gegenmaßnahmen, etwa die Legalisierung des sogenannten Containerns. Bislang gilt es als Diebstahl oder Hausfriedensbruch, wenn Menschen Essensreste aus Müllcontainern von Supermärkten sammeln. CDU und FDP setzen dagegen auf freiwillige Initiativen der Händler und appellieren an den einsichtigen Verbraucher.

Kirsten Eickhoff-Weber (SPD) forderte „lebensnahe Rahmenbedingungen“. Sie warb für eine Pflicht der Händler, verwertbare Lebensmittel an gemeinnützige Initiativen abzugeben, wie es sie zum Beispiel in Frankreich gibt. Supermärkte müssten die Lebensmittel so hinstellen, dass sie abgeholt werden können, „ohne in die Container zu tauchen“, so Eickhoff-Weber. Die Abgeordnete sprach von einem „windelweichen Alternativ-Antrag“ im Vergleich zur später abgelehnten SPD-Vorlage. Die SPD hatte sich unter anderem für eine Legalisierung des „Containerns“ ausgesprochen.

CDU setzt auf Aufklärung

„Eine gesetzliche Verpflichtung lehnen wir ab“, entgegnete Anette Röttger (CDU). Auch aussortierte Lebensmittel befänden sich noch im Eigentum des Händlers und auf dessen Grundstück. Dort einzudringen und sich zu bedienen – „das geht so nicht“. Die Union setze stattdessen auf „Aufklärung und Verbraucherbildung“. Röttger rief dazu auf, angemessene Menge zu kaufen und das Essen sachgerecht zu lagern: „Wer Maß halten kann, der muss über Lebensmittelrettung nicht nachdenken.“

Bernd Voß (Grüne) unterstrich die Bedeutung von Lebensmitteln: „Wir dürfen nicht das billig machen, was in Wirklichkeit wertvoll ist.“ Das Einkaufsverhalten beginne jedoch, sich zu ändern, so Voß. Jeder Mensch in Deutschland werfe pro Jahr im Schnitt 55 Kilo Lebensmittel weg, merkte Dennys Bornhöft (FDP) an: „Aus Überfluss wird leicht Verschwendung.“ Volker Schnurrbusch (AfD) wandte sich gegen Schuldzuweisungen an den Einzelhandel. Dieser habe ein großes Interesse, seine Lebensmittel zu verkaufen: „Jede weggeworfene Gurke bedeutet Verlust.“ Mehr Schaden entstehe auf den Transportwegen und beim Endverbraucher.

Kritik an „Rabattschlachten“

Flemming Meyer (SSW) unterstützte die SPD-Linie und forderte, die rechtlichen Rahmenbedingungen „gründlich zu prüfen“. So seien Mindesthaltbarkeitsdaten für  Zucker, Salz und Essig überflüssig. Aber auch Landwirtschaft, Handel und Industrie stünden in der Verantwortung. „Rabattschlachten“ nach dem Motto „3 zum Preis von 2“ sollten bei verderblichen Lebensmitteln verboten werden, so Meyer, „weil da die Verschwendung vorprogrammiert ist“.

Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) kündigte an, Gesetzesänderungen zu Hygiene, Verbraucherschutz und Zivilrecht in den Fachministerkonferenzen von Bund und Ländern zur Sprache zu bringen. Am Ende beschloss der Landtag mehrheitlich einen Jamaika-Alternativantrag, der verschiedene Prüfaufträge enthält.

Die SPD will die Verschwendung von Lebensmitteln eindämmen und fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass „rechtliche Rahmenbedingungen für das sogenannte Containern“ geschaffen werden. Bislang gilt es als Diebstahl oder Hausfriedensbruch, wenn Menschen Essensreste etwa aus Müllcontainern von Supermärkten heraussammeln.

Zudem fordern die Sozialdemokraten ein Abgabengesetz, das den Einzelhandel und die Produzenten verpflichtet, weiterhin verwertbares Essen an gemeinnützige Initiativen abzugeben. Und die Landesregierung sollte Initiativen, die Lebensmittel vor der Verschwendung retten, finanziell unterstützen. Der Lebensmittelverschwendung müsse Einhalt geboten werden, heißt es in dem vorliegenden Antrag. Außerdem weist die SPD darauf hin, dass andere EU-Staaten wie Frankreich oder Tschechien bereits per Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen.

Deutsche werfen tonnenweise Essen weg

Die Justizminister der Länder hatten sich auf der Justizministerkonferenz Anfang Juni in Lübeck nicht auf einen Vorstoß einigen können, das „Containern“ zu legalisieren. Die CDU-Minister begründen dies damit, dass Menschen in solche unwürdigen und unhygienischen Situationen überhaupt erst nicht kommen sollen. Im Zentrum sollte, so ein Beschluss, die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung stehen.

Im April hatte die Bundestagsfraktion der Linken die Bundesregierung aufgefordert, das Einsammeln weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern straffrei zu stellen und einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Nach Berechnungen der Universität Stuttgart landen in Deutschland jährlich fast 13 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Die Umweltorganisation WWF geht sogar von jährlich mehr als 18 Millionen Tonnen verschwendeter Lebensmittel aus.

Bremer Supermarkt erlaubt „Containern“

Ein Bremer Kaufhaus hat unterdessen das sogenannte Containern ausdrücklich erlaubt. Mit Hinweisschildern an den Mülltonnen wendet sich das Unternehmen an sogenannte Lebensmittelretter und gibt ihnen Tipps, worauf sie bei weggeworfenen Waren achten sollen. Nach Angaben des Geschäftsführers soll die Aktion deutlich machen, dass niemand eine Strafe befürchten muss, wenn er in den Tonnen nach verwertbaren Waren sucht.

(Stand: 17. Juni 2019)

Antrag

Lebensmittelverschwendung wirksam begrenzen – Lebensmittelrettung unterstützen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/1537
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/1553