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Bei Problemen mit Pflegeeltern, Jugendämtern oder der Heimerziehung können sich Betroffene seit drei Jahren an eine Beschwerdestelle bei der Bürgerbeauftragten wenden. Jetzt liegt der erste Tätigkeitsbericht vor.
Der Landtag ist sich weitgehend einig: Die mehr als 6000 Kinder und Jugendlichen in den mehr als 1300 Heimen und stationären Jugendhilfeeinrichtungen müssen besser geschützt und gefördert werden. Daher soll nun eine Datenbank zu „Tätigkeitsuntersagungen von Beschäftigten in stationären Jugendhilfeeinrichtungen“ eingerichtet werden. Und: Jugendämter werden zu häufigeren Besuchen als bisher bei den betreuenden Kinder und Jugendlichen verpflichtet. Zudem sollen Heimkinder möglichst wohnortnah untergebracht werden. Die Jamaika-Koalition übernahm entsprechende Forderungen aus dem SPD-Antrag.
Uneins waren sich CDU, Grüne und FDP mit der SPD und dem SSW beim Thema Beschulung von Heimkindern. Während die Sozialdemokraten die Landesregierung auffordern wollten, das Schulgesetz zu ändern, um „eine grundsätzliche Schulpflicht“ von Heimkindern auch aus anderen Bundesländern zu erreichen, verwies die Jamaika-Koalition auf einen Erlass von 2017. Dieser soll noch in diesem Jahr evaluiert werden. Die Opposition kritisierte, viele Kinder aus anderen Bundesländern steckten „in schulvorbereitenden Maßnahmen“ fest und hätten damit keine Chance, vernünftige Bildung zu bekommen. Einstimmig wurde schließlich der geänderte Gesamtantrag verabschiedet.
416 Eingaben in zwei Jahren
Tobias von Pein (SPD) erklärte, die bei der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten angesiedelte Beschwerdestelle sei notwendig und werde gebraucht. Das zeigten die hohen Fallzahlen. Laut dem Papier wandten sich 2016 und 2017 insgesamt 416 Heimkinder an Beschwerdestelle. Die Klagen drehten sich unter anderem um schimmeliges Essen, Gängelungen bis zu Übergriffen von Erziehern. „Wir arbeiten nun Schritt für Schritt für mehr Qualität“, sagte von Pein.
Nur die AfD sprach sich gegen die Beschwerdestelle aus. Dort könne „die Lebenswirklichkeit der Kinder und Erzieher“ nicht ausreichend erkannt und bewertet werden und gehöre daher „auf den Prüfstand“.
Alle danken der Bürgerbeauftragten
Übereinstimmend dankte der Landtag der Bürgerbeauftragten Samiah El Samadoni für ihr Engagement und für ihren ersten Tätigkeitsbericht, den sie als als Ombudsfrau der Kinder- und Jugendhilfe vorgelegt hatte. Sozialminister Heiner Garg (FDP) erklärte, es gebe nach wie vor Reformbedarfe, „die auf Bund-Länder-Ebene angegangen werden müssen“.
Weitere Redner:
Aminata Touré (Grüne), Dennys Bornhöft (FDP), Claus Schaffer (AfD), Flemming Meyer (SSW)
Im Januar 2016 hat die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, die Aufgabe der Ombudsfrau der Kinder- und Jugendhilfe übernommen. Ihr erster Tätigkeitsbericht liegt seit Ende letzten Jahres vor, jetzt wird er im Landtag beraten. El Samadoni berichtet von insgesamt 416 Kindern und Jugendlichen, Eltern oder anderen Betroffenen, die sich in den Jahren 2016 und 2017 an die Beschwerdestelle gewandt haben. „Das hat unsere Erwartungen weit übertroffen“, sagte El Samadoni bei der Vorstellung des Papiers. Bis Dezember 2018 habe sich die Zahl der Eingaben weiter erhöht: „Insgesamt haben sich bisher 678 Ratsuchende an uns gewandt“, so die Bürgerbeauftragte.
43 der Hilferufe stuft die Ombudsfrau in der Kinder- und Jugendhilfe als schwerwiegend ein. Das Spektrum sei sehr breit. Es reicht von Handyverboten, Klagen über das Essen und Schimmel im Heim bis hin zu Anschreien, körperlichen Übergriffen einzelner Erzieher und Gängelungen in der Freizeit. In Schleswig-Holstein sind laut El Samadoni etwa 6500 Kinder und Jugendlichen in Heimen, Wohngruppen und Pflegefamilien untergebracht, darunter 3000 aus anderen Bundesländern. Die meisten Beschwerden kamen aus der Altersgruppe der 6- bis 13-Jährigen.
Die Einrichtung der Beschwerdestelle war eine Konsequenz aus dem „Friesenhof“-Komplex, der vor Jahren großes Aufsehen verursachte und Thema eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses war. Auslöser waren damals Berichte über Missstände in einigen dieser – mittlerweile geschlossenen – Einrichtungen. Auch wenn es weiterhin nicht ausgeschlossen sei, dass es weiterhin solche Heime geben könnte, habe sich in jedem Fall die Heimaufsicht und die Wahrnehmungen im Umfeld der Kinder verbessert, so El Samadoni.
El Samadoni schlägt vor, die Schulpflicht im Land auch auf jene Heimkinder auszuweiten, die aus anderen Ländern kommen. In 13 anderen Ländern sei das der Fall. Im Norden führe das Fehlen der Schulpflicht dazu, dass auswärtige Kinder und Jugendliche statt in Regelschulen in sogenannten schulvorbereitenden Maßnahmen in den Heimen unterrichtet werden. Ein weiterer struktureller Kritikpunkt der Ombudsfrau: Wenn ein Landesjugendamt gegenüber einem Träger die Tätigkeit eines ungeeigneten Erziehers ausspricht und dieser das Bundesland wechselt, erfährt das dortige Amt nichts davon. Hier müsse es einen bundesweiten Datenaustausch geben, fordert El Samadoni.
Die SPD greift einige dieser Kritikpunkte in einem Ende Januar vorgelegten Antrag auf. So wird die Landesregierung aufgefordert, die Schulpflicht für auswärtige Jugendliche einzuführen. Außerdem soll sich die Regierung bei der kommenden Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder unter anderem für einen bundesweiten Datenaustausch „zu ausgesprochenen Tätigkeitsuntersagungen von Beschäftigten in stationären Jugendhilfeeinrichtungen“ einsetzen. Auch sprechen sich die Sozialdemokraten für eine möglichst wohnortnahe Unterbringung der Kindern und Jugendlichen in Heimen aus.
(Stand: 11. Februar 2019)
Mehr Informationen zum Thema:
Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche bei der Bürgerbeauftragten
Berichtsübergabe an den Landtagspräsidenten
Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung nicht allein lassen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/1236
Änderungsantrag
...der Fraktionen von CDU, Grünen, FDP – Drucksache 19/1257
Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche
Tätigkeitsbericht 2016/17 der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein als Ombudsperson in der Kinder- und Jugendhilfe – Drucksache 19/1068