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14. Februar 2019 – Top 22, 30, 43, 44: Über die Grenzen geschaut

Landtag nimmt Europapolitik ins Visier

Schleswig-Holsteins Beziehungen in den Ostseeraum laufen gut – trotz Problemen in einigen Verbindungsbüros in der Region. Das sieht eine große Mehrheit im Landtag so. Nur die AfD forderte eine Kursänderung.

Europa Flagge EU Kommission Brüssel
Das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel Foto: dpa, Inga Kjer

Für die große Mehrheit im Landtag ist  die Ostseepolitik des Landes eine Erfolgsgeschichte. Das gelte für die Kontakte des Landtages zu den Regionalparlamenten in der Region und auch für die „Schleswig-Holstein-Büros“ in Kaliningrad, Tallinn, Riga und Vilnius - trotz aktueller Probleme. „Unser Land hat nach dem Ende des Kalten Krieges die Entwicklung der Strukturen im Ostseeraum mitgeprägt“, betonte Regina Poersch (SPD). Die AfD hingegen rief Landtag und Landesregierung zu einem Kurswechsel auf.

Anstatt auf überregionale Gremien wie die Ostseeparlamentarierkonferenz oder das „Parlamentsforum Südliche Ostsee“ zu setzen, forderte Volker Schnurrbusch (AfD) mehr direkte Kontakte zu den polnischen Bezirken an der Ostseeküste - den Wojewodschaften Westpommern, Pommern und Ermland-Masuren. Dies diene „der Pflege der deutsch-polnischen Beziehungen, die in den letzten Jahren gelitten haben“, so Schnurrbusch. Auch neue Schleswig-Holstein-Büros seien eine Möglichkeit.

Russen sahen SH-Büro als „ausländischen Agenten“

Diese Büros vermeldeten in jüngster Zeit allerdings auch Negativschlagzeilen.  Die Einrichtung in Danzig wurde 2017 geschlossen, nachdem der örtliche Träger ausgefallen war. Das Büro in Kaliningrad wurde von der russischen Regierung als „ausländischer Agent“ eingestuft und wurde nach russischem Recht neu gegründet, um diesen Stempel loszuwerden.     

Insgesamt hätten die Anfragen an die Büros in den vergangenen Jahren abgenommen, berichtete Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Immer weniger Firmen, Kommunen oder Vereine suchten auf diesem Wege Partner in der Ostseeregion. Über das Internet seien solche Anbahnungen heute einfacher als noch in den 90er-Jahren, als die Büros ihre Arbeit aufnahmen, so die Ministerin. Sie kündigte an, das Konzept der Büros auf den Prüfstand zu stellen, diese seien „eventuell nicht mehr zeitgemäß“.     

Programm der EU-Kommission wird wohl nach der Wahl neu gefasst

Daneben ging es in der Debatte um das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für dieses Jahr. Jamaika, SPD und SSW unterstützen zentrale Anliegen der Brüsseler Behörde, etwa in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung und Rechtsstattlichkeit. Allerdings sei das Programm nur ein Provisorium, lautete die allgemeine Überzeugung. Denn die aktuelle Kommission unter dem Luxemburger Jean Claude Juncker werde nach der Europawahl im Mai ausgetauscht. Und: Es sei noch unklar, wie die EU-Finanzierung nach dem Ausscheiden des Großzahlers Großbritannien aussehen werde.  

Der Europaausschuss berät beide Themen weiter.

Weitere Redner:
Hartmut Hamerich (CDU), Rasmus Andresen (Grüne), Stephan Holowaty (FDP), Jette Waldinger-Thiering (SSW)

Gut drei Monate vor der Europawahl erörtert der Landtag die Großwetterlage in Europa. In die Debatte fließen auch die schleswig-holsteinischen Kontakte im Ostseeraum ein.

Zwei Regierungsberichte zu dem Arbeitsprogramm der Brüsseler EU-Kommission und zu den Schleswig-Holstein-Büros und Hanse-Offices im Ostseeraum bilden die Basis für eine große europapolitische Debatte im Landtag. Mitdiskutiert wird ein AfD-Antrag, der dazu aufruft, die Kontakte mit Polen wieder zu intensivieren.

Thema EU-Kommission

Gegen Ende jedes Jahres legt die Kommission ihr Arbeitsprogramm für die folgenden zwölf Monate vor. Die im vergangenen Oktober präsentierte Agenda für 2019 ist die letzte unter dem scheidenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Das Papier benennt rund 100 politische Ziele, darunter 15 neue Initiativen.

Seit dem Lissabon-Vertrag aus dem Jahr 2009 hat auch die regionale Ebene ein Mitspracherecht bei der EU-Politik. Die Landesregierung hat eine Zusammenfassung des EU-Arbeitsprogramms erstellt, und im Landtag legen die Fraktionen von Jamaika, SPD und SSW nun eine Prioritätenliste vor. Sie rufen die Landesregierung auf, bei verschiedenen Punkten „nach Absprache mit dem Parlament inhaltlich Einfluss zu nehmen und die Interessen des Landes deutlich zu machen“.

Zentrale Punkte sind nach Einschätzung der Abgeordneten die Klimapolitik, insbesondere das Pariser Klimaschutzübereinkommen von 2015, sowie die Digitalisierung: Europa will die Entwicklung der künstlichen Intelligenz stärker fördern, eine elektronische Patientenakte einführen sowie einen „Aktionsplan gegen Desinformation“ erarbeiten.

Die Landtagsfraktionen stellen sich auch hinter den Plan der EU, die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten strenger in den Blick zu nehmen und verpflichtende Regeln aufzustellen. Hintergrund sind die Verfahren gegen Polen und Ungarn. Die Kommission und auch das EU-Parlament haben die vorzeitige Pensionierung von Verfassungsrichtern in Polen als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz kritisiert. Ungarn wird die Einschränkung von Medienfreiheit und demokratischen Grundrechten sowie die Gängelung von Wissenschaftlern vorgeworden.

Daneben unterstützen die fünf Landtagsfraktionen das Ziel, eine gemeinsame europäische Arbeitsbehörde einzurichten. Auch der Plan, vorübergehend wieder Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen einzuführen, wird gutgeheißen. Außerdem wird das Ziel unterstützt, die Arbeit der EU besser öffentlich zu vermitteln.

Thema Ostsee

Das Land unterhält seit 1994 unter den Namen „Schleswig-Holstein-Büro“ oder „Hanse-Office“ Repräsentanzen im Ostseeraum: in Kaliningrad (Russland), Tallinn (Estland), Riga (Lettland) und Vilnius (Litauen). Zudem hat Schleswig-Holstein ein Nutzungsrecht im Hanse-Office Sankt Petersburg, das von Hamburg unterhalten wird. Die Büros unterstützen die Landesregierung und nichtstaatliche Akteure bei Partnerschaftsprojekten, etwa Kultur- und Jugendaustausch, und bei der Kontaktaufnahme mit offiziellen Stellen. Sie helfen bei der Suche nach Partnern für EU-Förderprogramme, geben Rückmeldung über die politische Lage in den jeweiligen Regionen und bahnen Wirtschaftskontakte an.

Träger der Büros sind das Land sowie die „Gesellschaft zur Förderung von Industrie, Handel und Gewerbe in Schleswig-Holstein mbH“, eine Tochter der Kieler Industrie- und Handelskammer. Im Landeshaushalt 2019 sind 60.000 Euro für die Büros veranschlagt. Das Europaministerium lobt die „gute Vernetzung“ und die „wertvolle Arbeit“ der Büros. Allerdings sei die Kontaktaufnahme in Zeiten der Digitalisierung „zusehends weniger auf derartige Dienstleistungen angewiesen“. Entsprechend sei die Zahl der Anfragen „stark rückläufig“. Zwei Ostseebüros wurden bereits geschlossen: Malmö (Schweden) im Jahr 2008 und Danzig (Polen) im Jahr 2017.

Vor diesem Hintergrund ruft die AfD den Landtag und die Landesregierung auf, die Kontakte mit der polnischen Seite wieder zu intensivieren. Eine direkte Kooperation mit den polnischen Bezirken an der Ostseeküste, den Wojewodschaften Westpommern, Pommern und Ermland-Masuren, sei aussichtsreicher als die überregionale Zusammenarbeit in Gremien wie dem Parlamentsforum Südliche Ostsee.

(Stand: 11. Februar 2019)

Vorherige Debatten/Meldung zum Thema:
Januar 2018
April 2018 (ohne Aussprache)
Juni 2018 (Europa-Bericht)

Regierungsbericht

Bericht der Landesregierung zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2019
Federführend ist das Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung – Drucksache 19/1141

Antrag

Umsetzung des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2019 in Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/1240

Regierungsbericht

Bericht über die Schleswig-Holstein-Büros und Hanse-Offices im Ostseeraum: Bisherige Tätigkeit (2016 - 2018) und weitere Planung (bis 2021)
Federführend ist das Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein – Drucksache 19/1143

Antrag

Kooperation mit Polen stärken
Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1232

Alternativantrag
...der Fraktionen von SPD, CDU, Grüne, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/1255