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Insulinpumpen, die verrücktspielen, Bandscheibenprothesen, die im Rücken zerbröseln oder künstliche Hüftgelenke, von denen sich giftige Metalle lösen: Der Landtag will solchen Vorgängen einen Riegel vorschieben.
Die Landesregierung will Medizinprodukte in Schleswig-Holstein stärker überwachen. Die Zahl der entsprechenden Stellen beim Landesamt für soziale Dienste werde von 12 auf 26 mehr als verdoppelt, kündigte Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) in einer von der SPD angestoßenen Debatte an. Er setze sich für den „bestmöglichen Patientenschutz“ ein, erklärte der Minister und erhielt dafür Applaus fast aller Fraktionen.
NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hatten vor wenigen Wochen einen Skandal aufgedeckt, wonach Medizinprodukte in großem Umfang nicht sicher sind und Patienten erheblich schädigten oder sogar zum Tod führten. Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) dankte der „freien und unabhängigen Presse, die wir dringend brauchen“ für ihre Recherchen. Medikamente würden zu Recht strengen und vergleichbaren Sicherheitsstandards unterliegen. Ähnliches müsse es auch für Medizinprodukte geben, forderte Stegner: „Es braucht einheitliche Prüfrichtlinien und klinische Untersuchungen, die Qualitätssicherung muss sichergestellt sein“, sagte er.
Die Folgen für Patienten nach dem Einsetzen fehlerhafter Medizinprodukte sei der reinste Alptraum. „Ein normales Leben ist danach leider nicht mehr möglich“, betonte Hans Hinrich Neve (CDU) und fügte an, es könne nicht sein, dass „ein Mandarinennetz die Qualität für ein Medizinprodukt erreichen kann“. Wie Neve verwies auch Dennys Bornhöft (FDP) darauf, dass die Zahl der Rückrufe und Beschwerden über Medizinprodukte von gut 3000 im Jahr 2004 auf fast 15.000 im Jahr 2017 gestiegen sei. Er forderte Register, in denen notiert wird, wann welches Produkt und von welchem Hersteller eingesetzt wurde.
Grünen-Gesundheitsexpertin Marret Bohn verlangte mehr Transparenz, eine verpflichtende Haftpflichtversicherung für Hersteller und für die Zulassung „eine unabhängige staatliche Behörde, die frei ist von wirtschaftlichen Interessen“. Wenn Implantate sogar zum Tod führen könnten, gebe es ganz offensichtlich viel zu geringe Zulassungshürden, konstatierte auch Flemming Meyer (SSW). „Es ist aber Fakt, dass der überwiegende Teil dieser Produkte nicht einmal klinisch am Menschen getestet wird“, so Meyer.
Für die AfD seien die gesetzlichen Regelungen auf EU- und Bundesebene hingegen ausreichend, merkte Claus Schaffer (AfD) an. Einer Initiative der Landesregierung auf Bundesebene bedürfe es daher nicht.
Das Thema wird im Sozialausschuss weiter vertieft.
Nach dem Willen der SPD-Fraktion sollen für Medizinprodukte künftig vergleichbare Sicherheitsstandards wie bei Medikamenten gelten. Die Landesregierung solle sich dafür im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz und im Bundesrat einsetzen, wird in einem zur Beratung vorliegenden Antrag gefordert. Hersteller, Betreiber und der Handel müssten engen Zulassungsregelungen unterworfen und nach klaren Kriterien überwacht werden. Eine qualifizierte Prüfstelle soll laut Sozialdemokraten, „das Nutzen-Risiko der Produkte regelhaft vor ihrer Nutzung“ bewerten.
Hintergrund des SPD-Antrags sind die „Implant Files“ eines weltweiten Recherchenetzwerks über Zulassung, Kontrolle und Fehlermanagement von Medizinprodukten. Der Kernvorwurf lautet: Im Gegensatz zu Arzneimitteln, die vor der Zulassung genauestens geprüft werden, würden Medizinprodukte nicht von staatlichen Stellen kontrolliert und Probleme nicht systematisch erfasst. Das System sei „manipulierbar, fehlerhaft und verantwortlich für ungezählte Tote“, schreibt etwa die Süddeutsche Zeitung. Es geht zum Beispiel um nicht haltbare Hüftimplantate oder Prothesen. In Deutschland seien im vergangenen Jahr 14.034 Verdachtsfälle gemeldet worden.
Unterdessen hat Landes-Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) bereits angekündigt, dass in Schleswig-Holstein das Personal für die Medizinprodukte-Überwachung in den nächsten Jahren mehr als verdoppelt werden soll. Mit dem Haushaltsbeschluss für 2019 soll die personelle Aufstockung beim zuständigen Landesamt für Soziale Dienste eingeleitet werden, sagte Garg Anfang Dezember. Für die Jahre 2019/2020 seien 14 neue Stellen vorgesehen. Derzeit sind in der Medizinprodukte-Überwachung 16 Mitarbeiter tätig, davon einige in Teilzeit.
Das Landesamt für Soziale Dienste prüft, ob die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen des Medizinproduktes erfüllt sind. Dafür können vom Hersteller alle benötigten Nachweise angefordert werden – auch die sogenannte Konformitätserklärung, mit der der Hersteller nachweist, dass seine Produkte die grundlegenden Anforderungen erfüllen. Welches Konformitätsverfahren durchzuführen ist und in welchem Umfang dabei eine unabhängige, aber nichtstaatliche Prüf- und Zertifizierungsstelle beteiligt ist, hängt vom potenziellen Risiko der Produkte ab.
Aus dem Bundesgesundheitsministerium wurde jüngst verlautet, dass der Aufbau einer industrieunabhängigen Stelle im Gespräch sei, bei der alle verbauten Implantate gemeldet werden müssten.
(Stand: 10. Dezember 2018)
Gleiche Sicherheitsstandards für Medizinprodukte wie bei Medikamenten
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/1085