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Am 9. November 1938 fielen die Nazis über die Juden her. 80 Jahre später verabschiedet das Plenum einen Grundlagenvertrag mit den jüdischen Verbänden. Und: Antisemitismus soll in Schulen stärker thematisiert werden.
80 Jahre nach der Reichspogromnacht hat Schleswig-Holstein sein Verhältnis zu den jüdischen Verbänden auf eine neue Grundlage gestellt. Einstimmig verabschiedete das Plenum ein von der Landesregierung vorgelegten Grundlagenvertrag auf gesetzlichem Fundament. Damit sind die jüdischen Glaubensgemeinschaften den christlichen Kirchen gleichgestellt. Das Land folgt hier dem Beispiel aller anderen Bundesländer.
Die Vertreter aller Fraktionen bewerteten den Vertrag unisono als starkes Signal gegen den Antisemitismus. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) bezeichnete das Judentum in ihrer Rede als „Teil unserer religiösen und kulturellen Vielfalt“. Deutschland wäre arm ohne die wunderbare jüdische Kultur, sagte sie. „Und ich bin glücklich über jedes Zeugnis jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein“. Der jährliche Zuschuss für die religiösen und kulturellen Angelegenheiten steigt um 300 000 auf 800 000 Euro.
Mit Sorge wurde im Parlament die wieder stärker um sich greifende Judenfeindlichkeit gesehen. Seit 2010 habe es fast 300 antisemitische Straftaten gegeben, sagte Christopher Vogt (FDP). Wer genau hinsehe, so der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, erkenne das Problem auch abseits der Statistiken. Man dürfe sich beispielsweise nicht daran gewöhnen, dass jüdische Einrichtungen ständig überwacht werden müssten.
Vor dem Hintergrund immer wieder aufkeimender antisemitischer Stimmen in der Gesellschaft stimmte das Plenum geschlossen für einen interfraktionellen Antrag. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, schon in der Schule zu thematisieren, „wie dem Antisemitismus bereits in der Schule noch wirksamer begegnet und vorgebeugt werden kann“. Damit liefen sie bei der Bildungsministerin offene Türen ein. Prien: Das Land verpflichte sich auch zu prüfen, ob jüdischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in Schleswig-Holstein in den Vertrag aufgenommen werden könne. Im Norden leben aktuell etwa 3000 Juden. Davon sind rund 1800 Mitglieder einer jüdischen Gemeinde.
Trotz grundsätzlicher Übereinstimmung bedauerte Tobias von Pein (SPD), dass die Debatte über das Abkommen mit einem Sachantrag zusammengeworfen worden sei – „nur weil es hier irgendwie um Juden geht“. Dem widersprach die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben: Man müsse „an einem Tag zum Feiern“ auch über die Schattenseiten sprechen können.
Weitere Hauptredner:
Tobias Loose (CDU), Frank Brodehl (AfD)
Die Landesregierung will das Verhältnis des Landes zu den jüdischen Verbänden in Schleswig-Holstein auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Bislang sind die Beziehungen in Form eines Verwaltungsabkommens geregelt – bundesweit ist Schleswig-Holstein derzeit das einzige Bundesland, das keinen Vertrag mit den Verbänden jüdischer Gemeinden geschlossen hat. Mit dem verbindlichen Vertragswerk, das in Zweiter Lesung verabschiedet werden soll, werden die Landesverbände den evangelischen und katholischen Kirchen gleichgestellt, indem Regelungen, die bereits in den Staatskirchenverträgen enthalten sind, aufgenommen werden. Der Bildungsausschuss hat bereits empfohlen, den Vertrag unverändert anzunehmen.
Mit der gesetzlichen Regelung wird auch finanzielle Unterstützung für die Landesverbände jüdischer Gemeinden erhöht, um 300.000 Euro auf 800.000. Damit soll unter anderem eine professionelle Jugendarbeit ermöglicht werden. Hierfür fehlt es den Verbänden derzeit an Geld. Ob ein jüdischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in den Vertrag später aufgenommen wird, ist noch offen. Die Landesregierung wird aber in dem jetzigen Abkommen ausdrücklich zur Prüfung verpflichtet.
Im Zuge der Beratung wird auch ein Antrag der Koalitionsfraktionen erörtert, die das Thema Antisemitismus stärker behandelt wissen wollen. Konkret soll die Landesregierung aufgefordert werden, „im Zusammenhang mit dem angekündigten Jahr der politischen Bildung 2019 in einen Austausch mit den Jüdischen Landesverbänden zu treten, um Maßnahmen zu beraten, wie dem Antisemitismus bereits in der Schule noch wirksamer begegnet und vorgebeugt werden kann“. Weiterhin rufen CDU, Grüne und FDP unter anderem dazu auf, mit einer ausführlichen Darstellung des Judentums im Religions- und Philosophieunterricht, „Vorurteile, die aus Unkenntnis entstehen, abzubauen“ sowie Schulbücher auf antijüdische Vorurteile hin zu prüfen.
(Stand: 5. November 2018)
Meldung bei Erster Lesung:
September 2018 (ohne Aussprache)
Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zum Vertrag über die Förderung des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein
Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache - 19/880
Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses - Drucksache 19/985
Antisemitismus bereits in der Schule vorbeugen
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/1019(neu)