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Die Küstenautobahn hat zu einem heftigen Streit in der Koalition geführt, nachdem die Christdemokraten den Naturschutzverbänden vorgehalten hatten, dem Land zu schaden. Auch das Planungsrecht war Thema der A20-Debatte.
Die Diskussion um den Weiterbau der Küstenautobahn A20 hat im Landtag für einen Koalitionskrach gesorgt. Anlass war scharfe Kritik von Hans-Jörn Arp (CDU) an Natur- und Umweltorganisationen. „Wer BUND und Naturschutzbund unterstützt, schadet dem Standort Schleswig-Holstein“, sagte Arp. Er nahm diese Aussage nach massiver Kritik vom Koalitionspartner Grüne schließlich zurück – mit dem Zusatz: „Wenn es dem Koalitionsfrieden dient“. Andreas Tietze (Grüne) hielt Arp trotzdem vor, er habe sich „vergaloppiert“. Die A20 sei die Trasse „mit den bildlich schwierigsten Widerständen, die es in Europa geben kann“. Den Naturschutzbänden zu unterstellen, sie würden mit ihrem Klagerecht dem Land schaden, sei „perfide“.
In einem Drei-Minuten-Beitrag schwächte Hans-Jörn Arp seine Aussagen später ab. Gerade der CDU gehe es darum, „eine intakte Natur der Nachwelt zu hinterlassen“. Er entschuldigte sich für seine Äußerungen bei den Ehrenamtlichen von BUND und Naturschutzbund. Ihm sei es nur um das Klagerecht gegangen. Marlies Fritzen (Grüne) betonte dennoch, „wer die Axt an das Verbandsklagerecht legt, wird mit uns Grünen nicht regieren können“. Es gehe um EU-Recht, das umgesetzt werde. Das Planungsrecht insgesamt allerdings müsse „auf den Kopf gestellt“ werden.
Auch Landtagsvizepräsident Rasmus Andresen wies Arp zurecht. Der CDU-Abgeordnete hatte in seiner Rede Parlamentarier aufgefordert, den Saal zu verlassen, wenn sie seine Worte nicht hören wollen. Die rot-grüne Vorgängerregierung bezichtigte er mehrmals der „Lüge“.
Ralf Stegner (SPD) indes kritisierte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Der habe zunächst „falsche Versprechungen“ zum schnellen Weiterbau der A20 gemacht. Zum Koalitionsstreit sagte der Oppositionsführer, wenn man sich nicht mit den Naturschutzverbänden einige und deren Arbeit in Frage stelle, sei das „abenteuerlich“. „Hund und Katz ist eine harmonische Veranstaltung im Vergleich zu Ihnen.“
Zur Sache sagte Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP): Die Landesregierung rechnet mit einer Chance von 70 zu 30 damit, am 27. November vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Baurecht für den vierten Abschnitt der geplanten A20 zwischen Bad Segeberg und Bad Bramstedt zu bekommen. „Das Planungsrecht ist diffizil und macht es einem Planungsträger nahezu unmöglich, so ein Projekt in einem Zeithorizont abzubilden, der sinnvoll ist“, kritisierte Buchholz in einem vom SSW geforderten Bericht und mahnte Änderungen auf Bundesebene an. Regierungschef Günther hatte vor einigen Tagen eingeräumt, vor 2020 werde kein Bagger rollen.
Der Verkehrsminister stellte klar, die Landesregierung tue „alles dafür, die A20 in allen ihren Teilabschnitten so zügig wie möglich gründlich in der Planung, rechtssicher auf die Reise zu bringen“. Mit Naturschutzverbänden suche er engen Kontakt. Die Bundesplanungsbehörde Deges werde 2019 das Planer-Team von 15 auf 25 bis 30 aufstocken. Die Planungen in zwei Abschnitten zwischen A7 und A23 müssten aber ganz von vorne beginnen und könnten frühestens 2023 Planreife erhalten, so Buchholz.
Volker Schnurrbusch (AfD) schloss sich der CDU-Kritik an den Umweltorganisationen an und forderte eine „grundlegende Reform“ des Verbandsklagerechts. Schleswig-Holstein dürfe nicht zum „Freilichtmuseum mit angeschlossenen Naturreservat“ werden. Die Bürger hätten ein Recht darauf, „schnell auf der A20“ zu fahren. Kay Richert (FDP) erklärte, nun sei „ein Kapitel von Ehrlichkeit und Transparenz“ aufgeschlagen. Fehler und Versäumnisse würden „angepackt und aufgeräumt“. Auch er forderte wie der Minister, das Planungsrecht zu reformieren.
Flemming Meyer (SSW) hatte zu Beginn der Debatte vergeblich appelliert, den Bericht zum Anlass zu nehmen, einen Schlussstrich zu ziehen und zur Sacharbeit zurückzukehren, auch wenn mit der A20-Fertigstellung „nicht vor 2030“ zu erwarten sei. „Jetzt haben wir Gewissheit und müssen mit Realität umgehen. Schlammschlachten helfen hier nicht weiter, vielmehr sollten alle interessiert sein, dieses Großprojekt fertigzustellen“, sagte Meyer.
Der Bericht der Landesregierung wurde zur abschließenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Die Bauarbeiten an der Autobahn 20 gehen in Schleswig-Holstein frühestens 2020 weiter. Die Landesregierung und die mittlerweile für den Weiterbau zuständige Projektgesellschaft Deges haben auf Antrag des SSW einen neuen Planungsstand und Zeitplan vorgelegt. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) räumte bei Vorlage des Berichts ein: „Wir werden vor 2020 bei keinem einzigen Bauabschnitt die Bagger rollen sehen“.
Die aus dem Raum Stettin kommende Küstenautobahn endet seit Jahren östlich von Bad Segeberg. In diesen Tagen verhandelt das Bundesverwaltungsgericht über Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt westlich der Stadt bis zur A7. Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Weiterbau rund um Segeberg vor Jahren gestoppt, weil der Fledermausschutz bei den Planungen nicht genügend Beachtung gefunden hatte. Die Nachbearbeitung dauert noch.
Deges-Bereichsleiter Bernd Rothe bezifferte die Kosten des A20-Projekts mit sechs Teilabschnitten einschließlich des geplanten neuen Elbtunnels auf etwa 2,2 Milliarden Euro. Er rechnet damit, dass Autofahrer die neue Elbquerung westlich von Hamburg „in jedem Fall in den 20er Jahren durchfahren werden“.
Bis zur geplanten westlichen Elbquerung bei Glückstadt fehlen noch 80 Kilometer. Auf der Strecke sind 90 Brücken und ein Elbtunnel geplant. Für keinen der sechs Bauabschnitte gibt es bislang Baurecht. Drei Abschnitte wurden erfolgreich beklagt, drei hängen in den Planfeststellungsverfahren fest.
Westlich der A7 spielen Tiere wie Haselmäuse eine Rolle bei den Planungen. Diese Tiere müssen größtenteils umgesiedelt werden. Zwischen Hohenfelde und Glückstadt erarbeiten die Autobahnplaner ein Artenschutzkonzept für die dortigen Zwergschwan-Rastgebiete Hörner Au. Im Fall des geplanten Elbtunnels wollen die Planer bis zum Jahresende die Einwendungen gegen sämtliche Nachbesserungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil 2016 auferlegt hatte, prüfen und erwidern.
In allen Bauabschnitten könnten Klagen einen Weiterbau zusätzlich hinauszögern. Ob „gesetzliche Planungsbeschleunigungsmaßnahmen“ des Bundesverkehrsministeriums Auswirkungen auf die Zeitpläne der einzelnen, sich größtenteils bereits im Planänderungsverfahren befindlichen Teilstrecken haben könnten, sei noch unklar und werde geprüft, heißt es im Bericht.
Derzeit läuft ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig, das Umweltverbände mit Einwendungen gegen den geplanten Abschnitt der Autobahn 20 westlich der A7 angestrengt haben. Der Naturschutzbund Deutschland klagt gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland wegen Verstößen gegen das Wasserrecht und den Artenschutz. Außerdem wehrt sich eine Privatperson gegen eine im Zuge des Straßenbaus mögliche Enteignung einer Koppel. Nach der gestrigen Anhörung (Mittwoch, 7. November) wird das Gericht seine Entscheidung über die beiden Klagen an einem gesonderten Termin verkünden.
Die Planungen für das 19,9 Kilometer lange Teilstück von der A7 bis nach Wittenborn seien „hieb- und stichfest“, sagte Schleswig-Holsteins Verkehrsstaatssekretär Thilo Rohlfs (FDP) nach der Anhörung. Die Landesregierung sei deshalb „recht zuversichtlich, dass wir am Ende des Tages Baurecht bekommen werden“. Dann könne 2020 mit den ersten Brückenbauten begonnen werden.
(Stand: 7. November 2018)
Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
September 2018
Juli 2017