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Die Jamaika-Koalition hat den rechtlichen Rahmen für die von ihr geplante Abschiebehaftanstalt in Glückstadt auf den Tisch gelegt. Der Streit schwelt indes weiter: Die SPD warnt erneut vor inhumanen Zuständen.
Die von der Landesregierung vorgelegten gesetzlichen Regelungen für die geplante Abschiebehaftanstalt in Glückstadt mit insgesamt 60 Plätzen sorgen für Zoff im Landtag. Die Sozialdemokraten warnten in der Debatte vor bedenklichen Zuständen – insbesondere kritisierten sie in diesem Zusammenhang die geplante Inhaftierung von Kindern. Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) wies die Kritik zurück. Die Abschiebhaft werde so human wie möglich und so sicher wie nötig gestaltet. Die Abschiebehaft sei zudem die „Ultima Ratio“.
Es müsse eine Möglichkeit geschaffen werden, Abschiebungen durchzusetzen, wenn Betroffene sich dieser Pflicht entziehen, sagte Grote in der emotionalen Debatte und mahnte: „Wenn rechtswidriges Verhalten ohne Konsequenz bleibt, macht sich der Rechtsstaat unglaubwürdig.“ Überdies würden Minderjährige nur in Ausnahmefällen aufgenommen werden dürfen. Die Abschiebehaftanstalt soll Anfang 2020 in Betrieb gehen, sie steht auch Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 20 Plätzen zur Verfügung.
„Sie wollen Kinder mit ihren Eltern inhaftieren, die nicht einmal einen Anspruch auf gemeinsame Unterbringung haben sollen“, monierte die flüchtlingspolitische Sprecherin der SPD, Serpil Midyatli (SPD). Sie kritisierte zudem, dass die Einschlusszeiten „nicht gesetzlich garantiert“ seien, sondern „im Ermessen der Anstaltsleitung liegen sollen“. Davon abgesehen räume die geplante Anstalt bestehende Abschiebehindernisse nicht aus. „Das bunte, fröhliche Jamaika ist einknickt vor den Rechtspopulisten“, warf Midyatli den Politikern von CDU, Grünen und FDP vor.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch nannte diese Behauptung „ungeheuerlich“: Midyatli habe den Konsens der Demokraten aufgekündigt und die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt. Auch seine Koalitionskollegin Barbara Ostmeier widersprach vehement: Das Gesetz schaffe klare Regeln und setze Standards. Deshalb sei es „falsch und unredlich von einem Abschiebeknast zu sprechen“. Die Koalition nutze den Spielraum, die das Bundesrecht biete. So würden beispielsweise Männer und Frauen separat untergebracht, und Familien möglichst gemeinsam.
In einer persönlichen Erklärung am Nachmittag entschuldigte sich Midyatli für ihr Zitat mit den Einknicken vor den Rechtspopulisten.
Die Grünen-Politikerin Aminata Touré bekannte, dass sie persönlich von einer Abschiebeanstalt nichts halte. Doch müsse man sich mit den bestehenden Bundesgesetzen auseinandersetzen und „das Beste herausholen“. Die Grundlagen für die Inhaftierung von Kindern seien in diesen Gesetzen finden. Midyatlis Vorwürfe seien deshalb „krasser Tobak“, sie würde Empörung lediglich inszenieren. Jan Marcus Rossa (FDP) nannte es „bedenklich und populistisch“, wenn die SPD hier den Eindruck erwecke, dass jede Abschiebung über die Abschiebehaftanstalt vollzogen werde.
Während Claus Schaffer (AfD) das Gesetz grundsätzlich begrüßte, sich aber mehr Plätze für die geplante Abschiebehaftanstalt wünschte, zweifelte der SSW an dem Sinn einer solchen Einrichtung. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass in der ehemaligen Rendsburger Abschiebehaftanstalt nur wenige Menschen in Haft genommen wurden. Von daher handele es sich angesichts von zu erwartenden Kosten von jährlich 1,3 Millionen Euro „um eine teure Tasse Tee“.
Der Gesetzentwurf wurde zur Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.
Nachdem es im Vorfeld viel Kritik an den Planungen der Jamaika-Regierung über den Vollzug der Abschiebehaft in Schleswig-Holstein gegeben hat, hat das Kabinett nun einen nachgebesserten Entwurf für die geplante Einrichtung der Haftanstalt in Glückstadt (Kreis Steinburg) vorgelegt. Für Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) stellt der Gesetzentwurf einen ausgewogenen Kompromiss zwischen notwendigen Sicherungsmaßnahmen und der Berücksichtigung humanitärer Gesichtspunkte dar. Anfang 2020 soll die Abschiebehaftanstalt in Betrieb gehen, die auch Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 20 Plätzen nutzen können.
Insbesondere die SPD hatte aus humanitären Gründen bereits in der Juni-Sitzung des Landtages gegen die Abschiebehaftanstalt heftig gewettert. Nach Vorstellung des geänderten Gesetzentwurfs am 11. September erneuerte sie ihre massive Kritik an der geplanten Einrichtung. Das geplante Abschiebungshaftvollzugsgesetz sei wesentlich restriktiver als etwa der Gesetzentwurf der sächsischen Staatsregierung und zudem rechtsstaatlich „äußerst bedenklich“, sagte die flüchtlingspolitische Fraktionssprecherin Serpil Midyatli im Vorfeld der September-Tagung.
Innenminister Grote dagegen sprach von Verbesserungen des ursprünglichen Entwurfs nach der Anhörung der Verbände. So seien auch Empfehlungen der Datenschutzbeauftragten Rechnung getragen worden. Die ursprünglich vorgesehene Ermächtigung für eine verdeckte Videoüberwachung sei gestrichen und der Gesetzentwurf an den für den Justizvollzug geltenden Datenschutzstandard angepasst worden. Auch Hinweise des Flüchtlingsbeauftragten seien aufgegriffen worden. „Mit unserem Gesetzentwurf gewährleisten wir, dass in der geplanten Abschiebungshafteinrichtung in Glückstadt der Vollzug der Abschiebungshaft und hierbei gegebenenfalls notwendig werdende Eingriffsmaßnahmen effektiv und rechtssicher durchgeführt werden können“, sagte Grote.
Daneben beinhalte der der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgende Entwurf Bestimmungen, mit denen „der möglichst humane Vollzug“ der Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben werde. Hervorzuheben sei, so Grote, vor allem die weitgehende Bewegungsfreiheit der Untergebrachten und die umfangreichen Besuchsmöglichkeiten. Grundsätzlich sei das Instrument der Abschiebungshaft in der aufenthaltsrechtlichen Praxis „als letztes Mittel zur Durchsetzung vollziehbarer Ausreiseverpflichtungen, unverzichtbar“, sagte der CDU-Politiker.
In der Juni-Sitzung hatte es insbesondere auch Kritik an der Unterbringung von Familien und Jugendlichen gegeben. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass Minderjährige nur in Ausnahmefällen aufgenommen werden dürfen. Unbegleitete Jugendliche sollen in diesem Fall von Erwachsenen getrennt werden; Spiel- und Erholungsmöglichkeiten sowie der „Zugang zu Bildung“ seien zu gewähren. Für Familien ist eine gemeinsame Unterbringung vorgesehen. Wenn dies nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu realisieren sei, dann „ist den betroffenen Untergebrachten tagsüber das Zusammenleben zu ermöglichen“, heißt es in dem Entwurf.
(Stand: 24. September 2018)
Vorherige Debatten zum Thema:
Juni 2018
September 2017
Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein
Gesetzentwurf Landesregierung – Drucksache 19/939