Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags
Springe direkt zu:
Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
In einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde zu den „Paradise Papers“ gingen die Meinungen darüber auseinander, wie die Politik auf fragwürdige Steuervermeidungsmethoden reagieren soll.
Erneut sind riesige Datenmengen über fragwürdige Steuervermeidungsmethoden und brisante Geschäftskontakte veröffentlicht worden. Nach den sogenannten Panama Papers legte kürzlich das Netzwerk investigativer Journalisten, dem über 400 Journalisten aus über 60 Ländern angehören, die „Paradise Papers“ auf den Tisch: In den über 13 Millionen Dokumenten über Briefkastenfirmen und Geschäfte mit Hilfe von Steueroasen tauchen auch die Namen von 120 Politikern, Prominenten und Unternehmen aus fast 50 Ländern auf. Nach den neuen Veröffentlichungen zur globalen Steuervermeidung wird der Ruf nach schärferen Gesetzen lauter – auch im Landtag, wo die SPD eine Aktuelle Stunde zu dem Thema beantragt hat.
Superreiche und Konzerne nutzten Möglichkeiten zur Steuervermeidung und schafften so jährlich Milliarden Euro am deutschen Fiskus vorbei, begründete SPD-Fraktionschef Ralf Stegner den Debatten-Antrag. In diesem Zusammenhang griff er die Nord-Liberalen an, die im Kieler Jamaika-Regierungsbündnis Bemühungen der Grünen für mehr Steuerehrlichkeit bremsen würden.
Anzeigepflicht für Steuergestaltung wird erarbeitet
Unterdessen hat die Bundesfinanzministerkonferenz beschlossen, dass es für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland künftig eine Anzeigepflicht geben soll. Eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene will unter Federführung Schleswig-Holsteins und Rheinland-Pfalz bis zum Sommer 2018 Eckpunkte für die rechtliche Ausgestaltung vorlegen, hieß es aus dem Kieler Finanzministerium. Ressortchefin Monika Heinold (Grüne) hatte seit längerem eine solche Anzeigepflicht gefordert. Sie begrüßte die Maßnahmen für mehr Transparenz bei der Steuergestaltung. Die „Paradise Papers“ hätten noch einmal das Ausmaß von Steuertricks dokumentiert, sagte die Ministerin.
Schleswig-Holsteins Finanzstaatssekretär Philipp Nimmermann wird nach eigenen Angaben die Koordinierung der Arbeitsgruppe übernehmen. Eine Anzeigepflicht gebe es bereits in Ländern wie Großbritannien, Irland, Portugal, den USA, Kanada und Südafrika, betonte Nimmermann.
EU-Staaten listen steuerrechtlich bedenkliche Staaten auf
Auch die EU-Kommission dringt angesichts der Enthüllungen in den „Paradise Papers“ beim Kampf gegen Steuerflucht auf ein höheres Tempo. „Es ist absolut nötig, dass wir unser Programm gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung beschleunigen“, sagte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici vergangenen Dienstag beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel.
So muss die EU ihre „Schwarze Liste“ der Steueroasen nach Ansicht Moscovicis so schnell wie möglich fertig stellen. Die EU-Staaten arbeiten seit geraumer Zeit an einer gemeinsamen Liste von Drittstaaten, gegen die es steuerrechtliche Bedenken gibt oder die sich beim Datenaustausch unkooperativ verhalten. Nach bisherigem Plan sollte die Liste Ende 2017 fertig gestellt werden. Ein Effekt dieser Zusammenstellung soll sein, bisherige Steueroasen durch das öffentliche Anprangern zu Gesetzesänderungen zu bewegen.
Ex-Ministerpräsident Carstensen rückt in den Blick
Für weiteren Debattenstoff könnte auch die Meldung sorgen, dass der Name von Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bei der Auswertung der neuen Steueroasen-Dokumente gesichtet wurde. Carstensen soll einer von drei Direktoren der Briefkastenfirma Peloponnesus B.V. mit Sitz in den Niederlanden sein, die zum Firmengeflecht des wohlhabenden Unternehmers Frederik Paulsen gehört. Die Firma kümmert sich um den Betrieb des Museums Kunst der Westküste auf Föhr, das Paulsen gestiftet hat und das 2009 eröffnet wurde.
Er sei als nicht-exekutiver Direktor des Museums tätig, sein Engagement und Interesse an diesem Projekt persönlich und seine Tätigkeit weitgehend beratend, erklärte Carstensen hierzu. Informationen von NDR und Süddeutscher Zeitung zufolge hatte Carsten diesen Posten 2013 angetreten, nachdem er bis 2012 Ministerpräsident war. Wenn Politiker kurz nach ihrem Ausscheiden aus Regierungsämtern neue Tätigkeiten in der Privatwirtschaft ergreifen, in denen sie unter Umständen vom eigenen Regierungshandeln oder dienstlich erworbenen Kenntnissen und Kontakten profitieren, werde dies zu Recht kritisiert, beklagte bereits die SPD. Seit der jetzigen Wahlperiode gilt im Norden eine Karenzregel: Danach kann die Regierung für zwei Jahre einem Minister einen Wechsel in die Wirtschaft versagen, sofern es Bedenken einer Verquickung mit der politischen Tätigkeit gibt.
(Stand: 13. November 2017)
Über eine bestimmte Frage von allgemeinem Interesse kann eine Aktuelle Stunde von einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten beantragt werden. Der Antrag muss spätestens zwei Tage vor Sitzungsbeginn gestellt werden.
Bei einer Aktuellen Stunde beraten die Abgeordneten ohne feste Rednerliste über einen landespolitischen Gegenstand von aktueller Bedeutung. Die Redezeit ist auf fünf Minuten pro Beitrag begrenzt. Die Reden sollen frei gehalten werden. Die Gesamtredezeit der Abgeordneten darf 60 Minuten nicht überschreiten; hinzu kommt das Zeitkonto der Landesregierung von maximal 30 Minuten. Werden zwei Anträge ein einer Aktuellen Stunde behandelt, ist die Dauer auf eineinhalb Stunden beschränkt.
Mit einer Aktuellen Stunde wird kein konkreter Beschluss herbeigeführt; sie dient vorrangig dem Meinungsaustausch und der Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte gegenüber der Öffentlichkeit.
Die von einem globalen Journalisten-Netzwerk ausgelöste Diskussion um die sogenannten Paradise Papers hat den Landtag erreicht. In einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde gingen die Meinungen darüber auseinander, wie die Politik auf fragwürdige Steuervermeidungsmethoden reagieren soll. CDU, SPD, Grüne und SSW waren sich einig in der Bewertung der Steuersparmodelle: Diese seien zwar legal – aber nicht alles, was legal sei, sei auch legitim. Die Sozialdemokraten griffen insbesondere die Liberalen frontal an. Es sei „super“, dass das grüne Finanzministerin gegen „Steuertricks“ vorgehe, der Koalitionspartner FDP dies aber ganz anders sehe, ätzte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner.
Stegner spielte damit auf Wolfgang Kubickis (FDP) Anwaltsmandat im Streit um die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte an, bei denen es um die Mehrfacherstattung von Kapitalertragssteuern geht. Es sei „Realsatire“, wenn Kubicki jetzt als Finanzminister für ein mögliches Jamaika-Bündnis im Bund gehandelt werde.
Ein „Geschmäckle“ habe es nach Ansicht des Sozialdemokraten auch, dass Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) als Direktor eines nordfriesischen Museums in den Paradise Papers auftaucht. Die Briefkastenfirma, um die es hier gehe, werde immerhin vom „mit Abstand größten Parteispender der CDU Schleswig-Holstein“ geführt. „Ich weiß, dass Sie das nervös macht, aber wir werden dem nachgehen“, kündigte Stegner an.
FDP begrüßt Anzeigepflicht von Steuervermeidungsmodellen
Wolfgang Kubicki (FDP) konterte Stegners Vorwürfe umgehend. Der Rechtsstaat verlange die Einhaltung von Gesetzen, erklärte der Fraktionschef der Liberalen. Alles andere sei Willkür. Als Anwalt sei es seine Aufgabe, seine Mandanten davor zu schützen. Mit Blick auf die Steuerpolitik stellte er klar, dass Jamaika alles tun werde, „um ein höchstmögliches Steuereinkommen zu generieren“.
Die von der Koalition auf den Weg gebrachte Bundesratsinitiative für eine Anzeigepflicht von Steuervermeidungsmodellen begrüßte Kubicki in diesem Zusammenhang. Gleichwohl müsse man abwarten, wie sich dies auf die Arbeit der Finanzbehörden auswirke. Die Anzeigepflicht könnte dazu führen, dass diese mit Informationen überflutet würden und deshalb nach der „Stecknadel im Heuhaufen“ suchen müssten.
CDU will Prüfung internationaler Unternehmen an den Bund geben
Stegner unterstelle auch der Union „unterschwellig“, dass sie „kein Interesse an Steuerehrlichkeit“ habe, konstatierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch. „Das ist unanständig.“ Auf dieses Niveau sollten sich Demokraten nicht begeben. Zumal die Vorwürfe gegen Carstensen „ohne Substanz“ seien. Mit Blick auf die Steuerpolitik machte der Christdemokrat klar, dass die Jamaika-Koalition es sich zum Ziel gesetzt habe, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und Schlupflöcher zu schließen. Die eingebrachte Bundesratsinitiative sei ein erster Schritt dahin, so Koch. Darüber sei die Koalition bereit, die Steuerprüfung von im Land ansässigen internationalen Unternehmen an den Bund abzutreten.
In dieselbe Richtung argumentierte Lars Harms (SSW): Es sei schwierig für die aufwändige und schwierige Steuerverfahren genügend Fachleute zu bekommen. Deshalb wäre es klug, das Personal in einer Bundesbehörde zusammenzuziehen. Harms äußerte sich in seiner Rede auch kurz zu Ex- Ministerpräsident Carstensen. Sich über eine niederländische Firma für ein Museum in Nordfriesland zu engagieren, das ginge auch anders. „Da haben wir als Politiker eine Verantwortung.“
AfD nimmt Europa in die Pflicht
„Durch Enthüllungen wie den „Panama Papers“ und „Paradise Papers“ wird das Vertrauen in eine gerechte Gesellschaft in Frage gestellt“, konstatierte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben. „Und da haben wir alle hier ein Problem.“ Um dem entgegenzuwirken, müssten Gesetze gemacht werden, die „hochkomplexe Steuervermeidungsmodelle“ verhindern. Mit ihrer Bundesratsinitiative habe die Koalition einen Anfang gemacht.
Bei dem Antrag der SPD zur Aktuellen Stunde handele es sich um einen „billigen und vorhersehbaren SPD-Reflex“, mokierte sich Jörg Nobis (AfD). Die SPD habe im Bund lange mitregiert und dabei kein großes Interesse an Steuergerechtigkeit gezeigt. Nobis bezeichnete die Probleme in der Steuerpolitik vor allem als ein übergeordnetes Problem der Europäischen Union. Brüssel lasse Oasen wie die Niederlande, Luxemburg, Malta und Irland und damit Ungerechtigkeit zu. Es brauche bei dieser Debatte vor allem „mehr Ehrlichkeit“.
Nicht der Populismus, sondern die Gerechtigkeit muss siegen
„Immerhin sind wir uns alle einig, dass wir in Sachen Steuergerechtigkeit noch viel tun müssen“, befand Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). Schleswig-Holstein werde „als kleines Rädchen seinen Teil dazu beitragen“. Klar sei, dass es mehr Transparenz brauche. Hier sei die geplante Anzeigepflicht ein erster Schritt, hier sei gegenüber dem Bund noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Darüber hinaus habe sich die Jamaika-Koalition im Norden vorgenommen, die sogenannten Share-Deals bei der Grunderwerbssteuer abzuschaffen, so Heinold. Diese speziellen Vereinbarungen mit Unternehmen würden dazu führen, dass dem Staat jährlich eine Milliarde Euro entgehen. Mit diesem Geld könnte man Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen, entlasten. Solche Regelungen zu ändern, würde letztendlich dafür sorgen, dass nicht der Populismus, sondern „die Gerechtigkeit in unserem Land siegt“.
„Konsequenzen aus Steuerskandalen wie den ‚Paradise Papers‘ – Position der Koalition zum Umgang mit Steuervermeidungsstrategien und Steuerehrlichkeit“
Beantragt von der Fraktion der SPD