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Herbeigeredeter Skandal oder Beleg für politische Zerrissenheit von Jamaika? Der Landtag streitet über Äußerungen von FDP-Wirtschaftsminister Buchholz über den Vergabe-Mindestlohn und die Grunderwerbsteuer.
Eine Äußerung von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz zum Mindestlohn hat Anfang September im schwarz-grün-gelben Regierungsbündnis für Diskussionen gesorgt. Laut dem „Flensburger Tageblatt“ vom 8. September habe der FDP-Minister in Berlin erklärt, mit Billigung der Koalitionspartner werde der für öffentliche Aufträge geltende Mindestlohn von 9,99 Euro verschwinden. Was an dieser Aussage, die auch von der Position der FDP-Landtagsfraktion abweicht, dran ist, wollen nun SPD und SSW im Rahmen einer Aktuellen Stunde wissen.
Zunächst hatten sich die Grünen in der Jamaika-Koalition über die Äußerung von Buchholz „stark irritiert“ gezeigt. Es sei in den Koalitionsgesprächen zwar vereinbart worden, den Landesmindestlohn in den Bundesmindestlohn zu überführen, so Grünen-Politiker Rasmus Andresen. Aber: „Der Vergabemindestlohn, der bei öffentlicher Auftragsvergabe Grundlage ist, ist davon nicht betroffen.“
Daraufhin stellte der Parlamentarische Geschäftsführer und wirtschaftspolitische Sprecher der Liberalen, Christopher Vogt, für die regierungstragende FDP-Landtagsfraktion klar: „Zum vergaberechtlichen Mindestlohn in Höhe von 9,99 Euro haben wir nichts gesondert vereinbart, so dass fest davon auszugehen ist, dass dieser kalkulatorische Mindestlohn nicht angefasst wird“.
Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Baasch, dessen Fraktion gemeinsam mit dem SSW die Aktuelle Stunde beantragt hat, verlangt Aufklärung: „Die Berichterstattung lasse „entweder den Schluss zu, dass die koalitionären Landtagsabgeordneten damals entweder bewusst die Unwahrheit gesagt haben, oder aber, dass der Wirtschaftsminister selbst den landeseigenen Mindestlohn und den Vergabemindestlohn verwechselt hat“, ließ er per Pressemitteilung wissen.
CDU, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, den landesgesetzlichen Mindestlohn bei 9,18 Euro einzufrieren und bis 2019 auslaufen zu lassen, weil laut Vogt der bundesgesetzliche Mindestlohn (8,84 Euro) bis dahin aller Voraussicht nach auf dem gleichem Niveau oder höher liegen wird. Der Mindestlohn für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Schleswig-Holstein ist noch ein anderer; er liegt bei 9,99 Euro.
(Stand: 15.09.2017)
Über eine bestimmte Frage von allgemeinem Interesse kann eine Aktuelle Stunde von einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten beantragt werden. Der Antrag muss spätestens zwei Tage vor Sitzungsbeginn gestellt werden.
Bei einer Aktuellen Stunde beraten die Abgeordneten ohne feste Rednerliste über einen landespolitischen Gegenstand von aktueller Bedeutung. Die Redezeit ist auf fünf Minuten pro Beitrag begrenzt. Die Reden sollen frei gehalten werden. Die Gesamtredezeit der Abgeordneten darf 60 Minuten nicht überschreiten; hinzu kommt das Zeitkonto der Landesregierung von maximal 30 Minuten. Werden zwei Anträge ein einer Aktuellen Stunde behandelt, ist die Dauer auf eineinhalb Stunden beschränkt.
Mit einer Aktuellen Stunde wird kein konkreter Beschluss herbeigeführt; sie dient vorrangig dem Meinungsaustausch und der Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte gegenüber der Öffentlichkeit.
Wirtschaftsminister Bernd Buchholz hat im Plenum seine Anfang September gemachten Äußerungen zum Mindestlohn bekräftigt. Er sei persönlich dafür, den Mindestlohn für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Schleswig-Holstein abzuschaffen und auf den bundesgesetzlichen Mindestlohn anzupassen, sagte der FDP-Minister in einer von SPD und SSW initiierten Aktuellen Stunde. Dies hätten auch die sozialdemokratisch geführten Länder Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemacht. Gleichwohl stellte er klar, er halte sich an die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages.
CDU, Grüne und FDP hatten dort vereinbart, den landesgesetzlichen Mindestlohn bei 9,18 Euro einzufrieren und bis 2019 auslaufen zu lassen. Die drei Parteien gehen davon aus, dass dann der bundesgesetzliche Mindestlohn auf gleichem Niveau oder höher liegt. Der Mindestlohn für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Schleswig-Holstein bleibt dem Vertrag zufolge aber bei 9,99 Euro.
Die Sozialdemokraten kritisierten die Äußerungen des Ministers scharf. Schleswig-Holstein sei ohnehin im Westen „der Lohnkeller“; wer den Mindestlohn in Frage stelle, wende sich gegen die Arbeitnehmer. SPD-Faktionschef Ralf Stegner hielt Buchholz vor, um ein Mandat im Bundestag zu kämpfen und zugleich Minister in Schleswig-Holstein zu sein. Seine Äußerungen zum Mindestlohn und auch zur Grunderwerbssteuer deckten die Schwächen der CDU-Grüne-FDP-Koalition auf: „Jamaika liegt im Hurrikan-Gebiet“, so Stegner.
Christopher Vogt (FDP) bekannte sich für seine Fraktion zum Koalitionsvertrag mit dem Vergabe-Mindestlohn und geißelte die Diskussion als „ein Sturm im Wasserglas.“ In Schleswig-Holstein gebe es bei den Mindestlöhnen „eine gewisse Unübersichtlichkeit“, die die Koalition aber gemeinsam beseitigen werde, so Vogt.
Auch Lukas Kilian (CDU) verteidigte Buchholz. Er könne wie alle Minister der Koalition seine Meinung sagen. Auch Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben sprach von einer „Scheindebatte“. Im Koalitionsvertrag sei geregelt, dass der Vergabe-Mindestlohn nicht angefasst werde: „Da gibt es kein Wenn und Aber.“
AfD-Fraktionschef Jörg Nobis sprach sich für nur einen Mindestlohn aus und kritisierte sowohl Regierung wie Opposition. Die SPD versuche durch „das Aufblasen eines Luftsacks“ eine vermeintliche Wahlschlappe bei der Bundestagswahl am Sonntag abzuwenden. Aber auch in der Jamaika-Koalition gebe es „eine erhebliche Rissbildung“.
Lars Harms (SSW) zeigte sich dankbar, dass die Koalition klargestellt habe, der Vergabe-Mindestlohn werde nicht angefasst. „Tariftreue- und Mindestlohnregelungen haben dazu beigetragen, dass es dem Mittelstand gut geht“, so Harms. Minister Buchholz hielt dagegen, überbordende Bürokratie ersticke den Mittelstand.
„Aussagen des Wirtschaftsministers Dr. Bernd Buchholz zum vergaberechtlichen Mindestlohn in Schleswig-Holstein”
Beantragt von der Fraktion der SPD und den Abgeordneten des SSW