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Die Jamaika-Koalition will nur wenige Monate nach der Landtagswahl den Turbo aus der Vorbereitungszeit auf das Abitur nehmen. Nicht alle Fraktionen im Parlament sind glücklich mit dem Rückkehr-Entwurf.
Das „Turbo-Abitur“ nach nur zwölf Schuljahren ist in den letzten Jahren kontrovers diskutiert worden. Nachdem sich zunächst fast alle Bundesländer dem internationalen Standard von acht Jahren Gymnasium (G8) angeschlossen hatten, gab es in einigen einen teilweisen oder völligen Schwenk zurück zum neunjährigen Gymnasium (G9) – unter anderem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Bayern. Auch in Schleswig-Holstein steht unter der neuen schwarz-grün-gelben Landesregierung eine flächendeckende Rückkehr zu G9 unmittelbar bevor.
Dies sieht ein jetzt von den Jamaika-Fraktionen CDU, Grünen und FDP vorgelegter Gesetzentwurf vor. Er lässt aber den Gymnasien eine Hintertür offen: Die sollen einmalig entscheiden können, ob sie beim „Turbo-Abi“ bleiben wollen. G8 favorisierende Gymnasien müssen für die Beibehaltung des „Turbo-Abis“ in der Schulkonferenz eine Drei-Viertel-Mehrheit zusammenbringen. Der Gesetzentwurf räumt ihnen eine Entscheidungsfrist bis Ende Februar 2018 ein. Allerdings ist in dem Papier auch ein Ministervorbehalt gegenüber dem Entscheid der Schulkonferenz festgeschrieben.
Der neunjährige Bildungsgang soll zum Schuljahr 2019/2020 mit den Jahrgangsstufen fünf und sechs eingeführt werden, damit Eltern, die ihre Kinder für die neuen fünften Klassen anmelden, Klarheit über das G8/G9-Angebot vor Ort haben. Deswegen plant die Koalition den Gesetzentwurf bis Jahresende zu verabschieden. Die im Schuljahr 2019/20 vorhandenen Jahrgangsstufen sieben bis zwölf laufen unverändert als Jahrgänge des achtjährigen gymnasialen Bildungsganges aus.
Die Koalitionsfraktionen begründen ihren Gesetzentwurf „mit der Umsetzung des bildungspolitischen Zieles, mehr Lernzeit am Gymnasium zu schaffen“. Die Rückkehr zum neunjährigen Bildungsgang sei eine Reaktion „auf die Lernzeitverdichtung“ für die Schüler, schreiben Union, Grüne und Liberale in dem Entwurf. Aus Reihen der Opposition und auch seitens der Schulträger, den Kommunen, wurde bereits Kritik laut. Eine Befürchtung: In neue G9-Gymnasien müsse viel Geld investiert werden, weil mehr Schüler auch mehr Klassenräume benötigen.
(Stand: 15.09.2017)
Die von der Jamaika-Koalition geplante Abkehr vom Turbo-Abitur ist bei der Opposition auf harsche Kritik gestoßen. Die Sozialdemokraten, die sich im Wahlkampf für das achtjährige Gymnasium (G8) stark gemacht hatten, brandmarkten den von den Regierungsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf als „Schulentmündigungsgesetz“. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hielt dagegen: Die Rückkehr zu G9 schaffe Grundlage für ein Jahr mehr Lernen und entlaste die Schüler.
Ein Kernpunkt der Diskussion ist die in dem Entwurf enthaltene Regelung, wonach Gymnasien sich für einen G8-Verbleib entscheiden können, sofern die jeweilige Schulkonferenz mit einer Drei-Viertel-Mehrheit dafür stimmt, sowie der Ministervorbehalt bei der endgültigen Entscheidung. Dies sei „Eigenverantwortungssimulation“, hieß es aus den Reihen der SPD.
Für die von der Koalition geforderte Dreiviertel-Mehrheit gebe es „keine sachliche Begründung“, monierte Martin Habersaat (SPD). Selbst bei Verfassungsänderungen sei nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Ein Antrag der SPD ruft dazu auf, eine einfache Mehrheit anzuerkennen bei der Abstimmung in der Schulkonferenz. Habersaat kritisierte auch, dass die letzte Entscheidung über den Verbleib bei G8 bei der Ministerin liegen soll. In dieselbe Richtung argumentierte die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.
Hierzu merkte Bildungsministerin Prien an: Die von der SPD kritisierte Regelung, wonach die „Letztendscheidung“ immer beim Ministerium liege, führe „die Menschen hinter die Fichte“. Eine solche Entscheidung liege immer beim Ministerium, stellte sie klar. Das Tempo bei dem Gesetz, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, sei nötig, damit schnellstmöglich Klarheit herrsche, so Prien. G8-willige Gymnasien sollen laut dem Gesetzentwurf bis Ende März kommenden Jahres abstimmen.
Mit dem Gesetz setze die Koalition ein zentrales Wahlkampfversprechen der CDU um, stellte Tobias Loose (CDU) klar. Die Schüler sollten wieder mehr Zeit zum Beispiel für ehrenamtliches Engagement bekommen. Die Kritik an der geforderten Drei-Viertel-Mehrheit in der Schulkonferenz wies Loose zurück: „Wir wollen, dass, wenn die Schulen anders entscheiden, sie sich auch sicher sind.“
Eine „qualifizierte Mehrheit“ bei der Abstimmung von Schülern, Eltern und Lehrern sei notwendig, konstatierte Anita Klahn (FDP). Wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit bereits reiche, bestehe die Gefahr, dass eine Gruppe die Entscheidung blockiere. Ines Strehlau (Grüne) wiederum machte deutlich, dass ihre Fraktion „auch mit einer Hürde hätte leben können“. Abgesehen davon gebe es für G9 gute Gründe. Die Schultage seien kürzer, die Jugendlichen hätten mehr Zeit für Freunde und könnten ihre Persönlichkeit weiter entwickeln.
Dem AfD-Abgeordneten Frank Brodehl geht der Gesetzesvorstoß nicht weit genug. Er forderte, G8 ohne Wenn und Aber abzuschaffen und keine Ausnahmeregelungen zuzulassen.
Der Gesetzentwurf und der Änderungsantrag werden nun im Bildungsausschuss diskutiert.