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Auch bei der Kommunalwahl am 6. Mai 2018 wird es voraussichtlich keine Sperrklausel für kleine Parteien geben. Die SPD wollte eine Hürde von 2,5 Prozent errichten und so eine „Zersplitterung“ der Stadträte und Kreistage verhindern.
Der Landtag nimmt die Kommunalwahl am 6. Mai 2018 in den Blick. Es geht um zwei Orte, wo die Größe der Gemeinderäte unklar ist. Und es geht um die Frage, ob Schleswig-Holstein wieder eine Sperrklausel für seine kommunalen Vertretungen einführen soll.
Thema Gemeinderäte: Das Innenministerium hat die Anzahl der Sitze für jede Gemeindevertretung anhand der Einwohnerzahl zum Stichtag 31. Dezember 2015 festgelegt. In Boostedt (Kreis Segeberg) und Seeth (Kreis Nordfriesland) ist die Zahl der Einwohner gegenüber der letzten Wahl gestiegen. Hauptgrund: Dort waren Flüchtlinge untergebracht. Beide Orte haben damit einen Grenzwert überschritten und müssten ihre Gemeindevertretungen um zwei beziehungsweise vier Sitze aufstocken.
Die Zahl der Asylbewerber ist inzwischen allerdings wieder gesunken. Die Orte liegen nun wieder unter dem Grenzwert. CDU, Grüne und FDP wollen deswegen das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz für die beiden Sonderfälle ändern. Für Boostedt und Seeth soll der Stichtag 30. September 2015 gelten - vor dem Zuzug der Flüchtlinge. Damit würde die Größe des neuen Gemeinderats der tatsächlichen Einwohnerzahl entsprechen.
Thema Sperrklausel: Die SPD will bei Kommunalwahlen eine 2,5-Prozent-Hürde einführen. Eine solche Hürde für Parteien gibt es im Lande seit 2008 nicht mehr. Die Abschaffung der Sperrklausel habe sich aber nicht bewährt, sagen die Sozialdemokraten. Folge sei „eine Zersplitterung der kommunalen Vertretungen durch Einzelmandatsträger und Kleinstfraktionen“ gewesen, die eine Mehrheitsbildung erschwere.
Der Landtag hatte die damalige Fünf-Prozent-Sperrklausel im Jahr 2008 aus dem Kommunalwahlrecht gestrichen. Die Abgeordneten reagierten auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten moniert, die Fünf-Prozent-Hürde verletze die Chancengleichheit kleiner Parteien und sei damit verfassungswidrig. Anders als bei Landtags- oder Bundestagswahlen sei eine Hürde für Splitterparteien nicht erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen zu sichern. Denn Gemeinderäte und Kreistage würden keine Gesetze erlassen, sondern vorwiegend Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Geklagt hatten die schleswig-holsteinischen Grünen und die Linkspartei.
Da die SPD nicht nur das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz, sondern auch die Landesverfassung ändern will, wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag erforderlich. Während die CDU in ihrem Wahlprogramm sogar eine Vier-Prozent-Hürde fordert, sind die kleineren Parteien gegen den Vorschlag. Der SSW spricht von einem „massiven Eingriff in das Prinzip der parlamentarischen Demokratie“.
Eine 2,5-Prozent-Hürde würde sich voraussichtlich nur in den vier kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster sowie in den elf Landkreisen auswirken. In allen kleineren Kommunen gibt es aufgrund der geringen Größe der Bürgervertretungen ohnehin eine „natürliche Sperrklausel“. In einem Ort von 9.000 Einwohnern sind beispielsweise 19 Sitze im Gemeinderat vorgesehen. Die Folge: Eine Partei braucht etwa fünf Prozent, um einen dieser Sitze zu gewinnen.
(Stand: 14.07.2017)
Im Norden gilt, wie auch auf Bundesebene und in allen anderen Bundesländern, die Fünf-Prozent-Hürde. Hierdurch soll vermieden werden, dass Splitterparteien die Mehrheitsfindung erschweren. Ausgenommen von der Sperrklausel in Schleswig-Holstein ist jedoch der SSW als Partei der dänischen Minderheit. Diese Sonderstellung basiert auf den Bonn-Kopenhagener Erklärungen aus dem Jahr 1955 und gilt in ähnlicher Form auch für die Partei der deutschen Minderheit in Dänemark, die Schleswigsche Partei (SP).
Bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein ist die Fünf-Prozent-Hürde vor vier Jahren gefallen, nachdem das Bundes-Verfassungsgerichts die Klausel wegen fehlender Chancengleichheit für kleine Parteien für verfassungswidrig erklärt hatte.
Auch bei der Kommunalwahl am 6. Mai 2018 wird es voraussichtlich keine Sperrklausel für kleine Parteien geben. Zwar will die SPD eine Hürde von 2,5 Prozent errichten und so eine „Zersplitterung“ der Stadträte und Kreistage verhindern. Eine Mehrheit ist aber nicht in Sicht. Das liegt am Gegenwind von Grünen, FDP, AfD und SSW – und an der Koalitionstreue der CDU.
Die Union hatte im Wahlkampf sogar eine Vier-Prozent-Hürde gefordert, gab sich nun aber ablehnend, mit Rücksicht auf die Jamaika-Partner Grüne und FDP. Sie habe „durchaus Sympathie“ für den SPD-Plan, so die Abgeordnete Petra Nicolaisen. Aber: „Wir halten uns an den Koalitionsvertrag.“ Für Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) hatte der SPD-Vorstoß zwar „einen gewissen Charme“. Er äußerte aber rechtliche Bedenken und warf die Frage auf: „Muss Kommunalpolitik unbedingt einfach sein?“
Thomas Rother (SPD) warb dennoch bei der Union um Zustimmung und lud zu einer „große Koalition der Vernunft“ ein. Es müsse darum gehen, die „teilweise Arbeitsunfähigkeit“ der Gremien zu beheben, wo stabile Mehrheiten immer schwerer zu vereinbaren seien und eine längerfristige, verlässliche Haushaltswirtschaft kaum noch möglich sei.
Burkhard Peters (Grüne) sperrte sich gegen eine Mindestklausel und verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008. Kernpunkt: Kreistage wählen keine Regierung und beschließen keine Gesetze, anders als Bundestag und Landtag. Deswegen dürfe es dort auch keinen „derartig tiefgreifenden Eingriff in das Wahlrecht“ wie eine Eintrittshürde für Parteien geben.
Kay Richert (FDP) warf der SPD eine „Arroganz der Größe“ vor und verteidigte die Vielfältigkeit der kommunalen Volksvertretungen: „Demokratie darf anstrengend sein.“ Jörg Nobis (AfD) argwöhnte, die SPD strebe offenbar eine „bewusste Beschneidung der Minderheitenrechte“ in den Kommunalvertretungen an. Und Lars Harms (SSW) warnte davor, "die parlamentarische Demokratie auf kommunaler Ebene aufzuweichen“ und appellierte an die Sozialdemokraten: „Mehr Demokratie wagen!“ Nun berät der Innen- und Rechtsausschuss.
Außerdem hat der Landtag die Zahl der Gemeindevertreter in Boostedt (Kreis Segeberg) und Seeth (Kreis Nordfriesland) korrigiert. Aufgrund des vorübergehend hohen Flüchtlingszuzugs hätten die Gemeinderäte in beiden Orten nach der Kommunalwahl 2018 vergrößert werden müssen. Allerdings ist die Einwohnerzahl inzwischen wieder gesunken. Der Vorstoß, der am Mittwoch in 1. Lesung beraten wurde, traf auf breite Unterstützung. Am Freitag wurde die Gesetzesänderung endgültig beschlossen.
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Gemeindewahlen in Gemeinden mit Erstaufnahmeeinrichtungen
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP - Drucksache 19/75
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein und zur Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 19/79