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Die Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen

des Landes Schleswig-Holstein bei der Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Welche Perspektiven bestehen im Anschluss an den vorübergehenden Schutz?

Die Massenzustrom-RL konnte regulär nur insgesamt 3 Jahre, bis zum 4. März 2025, zur Anwendung kommen. Der Rat der Europäischen Union hat mit Durchführungsbeschluss vom 25. Juni 2024 die Anwendung bis zum 4. März 2026 verlängert. Anschließend bestehen für die Menschen mit jetzigem vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG vier verschiedene Szenarien:

  • Rückkehr in die Ukraine auf eigenen Wunsch oder Migration in einen anderen Staat
  • Rückkehr in die Ukraine entgegen eigenen Wunsch im Rahmen der „freiwilligen Rückkehr“ oder in Form einer Abschiebung
  • Verbleib in Deutschland aufgrund einer noch zu beschließenden allgemeinen humanitären Regelung
  • Verbleib in Deutschland aufgrund eines individuellen Anspruchs aufgrund familiärer oder humanitärer Gründe oder zum Zweck der Ausbildung oder Arbeit

Im Folgenden können verschiedene Ansätze eines perspektivischen Verbleibs lediglich grob skizziert werden.

Der vorübergehende Schutz sieht keinen dauerhaften Verbleib in Deutschland vor. Für den Erhalt einer Niederlassungserlaubnis oder Einbürgerung ist nach jetziger rechtlicher Lage der Umweg in eine anderweitige Aufenthaltserlaubnis notwendig.

Bereits vor Ablauf des vorübergehenden Schutzes kann bei entsprechender Qualifikation und bei Vorliegen sonstiger Voraussetzungen ein Wechsel des Aufenthaltstitels hin zu einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Arbeit, § 18ff AufenthG, selbständigen Tätigkeit, § 21 AufenthG oder Ausbildung, § 16a AufenthG, erfolgen.

Ein Wechsel hin zu einem Studium nach § 16b AufenthG ist neben den Aufenthaltserlaubnissen zum Zweck Forschung, Freiwilligendienst oder Blaue-Karte-EU durch § 19f AufenthG gesperrt. Diese Sperrwirkung verlangt im Prinzip eine Ausreise und Wiedereinreise nach Durchlaufen eines Visumverfahrens. Im BMI-Schreiben vom 30. Mai 2024, Ziffer 8.2, heißt es „Den aus der Ukraine geflüchteten Personen, die grundsätzlich einen Schutzstatus nach der RL 2001/55/EG [Massenzustromrichtlinie] innehaben, steht es frei, anstelle einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG eine [andere] Aufenthaltserlaubnis […] zu beantragen“. Weiter heißt es, dass die Ausreise und das Durchlaufen eines Visumverfahrens unzumutbar sind. Folglich geht der Nomos-Kommentar zum Ausländerrecht zu § 19f Randnummer 12 davon aus, dass dieser Abschnitt und die vom BMI anerkannte Unzumutbarkeit ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 19f AufenthG bedeutet. Gleichwohl heißt es in dem BMI-Schreiben am Ende der Ziffer 8.2 die Sperrwirkung des § 19f AufenthG sei zu beachten.

Ein Studium und die anderen von § 19f AufenthG erfassten Tätigkeiten sind jedenfalls auch auf Grundlage des vorübergehenden Schutzes möglich, ohne dass dafür eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

Sofern schon über eine Qualifikation verfügt wird, bietet § 16d AufenthG eine Reihe an Möglichkeiten zur Anerkennung oder Nachqualifizierung. § 19c AufenthG bietet eine begrenzte Auswahl an Aufenthaltserlaubnissen in Berufen unterhalb der Schwelle der formellen Fachkraft, etwa für Pflegehilfskräfte (§ 19c Absatz 1 i.V.m. § 22a BeschV), Berufskraftfahrer*innen (§ 19c Absatz 1 i.V.m. § 24a BeschV) oder Expert*innen der Informations- und Kommunikationstechnik (§ 19c Absatz 2 i.V.m. § 6 BeschV). Für Fälle, in denen die Qualifikation im Herkunftsstaat anerkannt ist aber keine Gleichwertigkeitsanerkennung in Deutschland vorliegt, kann eine Aufenthaltserlaubnis als „Quasi-Fachkraft“ erteilt werden (§ 19c Absatz 2 i.V.m. § 6 BeschV).

Jede Aufenthaltserlaubnis ist unbedingt vor Ablauf der bestehenden Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG zu beantragen. Andernfalls gerät die Person in eine Ausreisepflicht und erhält eine Duldung solange ein rechtliches oder tatsächliches Abschiebungshindernis besteht. Für eine Aufenthaltserlaubnis ist dann regelmäßig eine Ausreise und Wiedereinreise auf Grundlage des entsprechenden Visums erforderlich. Um aus der Duldung direkt in eine Aufenthaltserlaubnis zu gelangen, sind folgende Bleiberechtsperspektiven denkbar:

  • Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung, § 19d AufenthG
  • Härtefallkommission, § 23a AufenthG
  • Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige, § 25a AufenthG
  • Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration, § 25b AufenthG
  • Ausbildungsduldung, § 60c AufenthG
  • Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer, § 16g AufenthG
  • Beschäftigungsduldung, § 60d AufenthG

Alle diese Bleiberechtsregelungen beruhen auf eigenständigen individuellen Integrationsleistungen im Bereich Spracherwerb und beruflicher Qualifikation oder beruflichen Engagements.

Ein Verbleib aus familiären Gründen, § 28ff AufenthG, setzt immer voraus, dass ein Familienverhältnis innerhalb einer Kernfamilie vorliegt, entweder zwischen Eheleuten oder bei eingetragener Lebenspartnerschaft oder zwischen Eltern und minderjährigen Kindern, und dass eine dieser Personen eine deutsche Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltserlaubnis jenseits des vorübergehenden Schutzes besitzt.

Ein Verbleib aus humanitären Gründen, § 22ff AufenthG, kommt dann in Betracht, wenn eine Rückkehr in den Zielstaat nicht möglich oder nicht zumutbar ist, entweder aufgrund einer dortigen Bedrohung, einer Reiseunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder weil die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist (etwa Verletzung des Rechts auf Familieneinheit). Bei Vorliegen entsprechender Gründe kann auch ein Asylantrag erwogen werden.

Es empfiehlt sich dringend für alle Menschen mit vorübergehenden Schutz sich frühzeitig hinsichtlich anschließenden Bleiberechtsperspektive beraten zu lassen und entsprechende Qualifikations- und Integrationsbemühungen durch die Fachstellen ausländerrechtlich begleiten zu lassen.

Mehrere Aufenthaltstitel nebeneinander. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 (BVerwG, Urteil vom 19. März 2013 – 1 C 12.12) soll Ausländer*innen nicht zugemutet werden sich zwischen verschiedenen Aufenthaltstiteln entscheiden zu müssen, sofern sie Anspruch auf mehrere Aufenthaltstitel haben. Es ist zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar, ob auf Bundesebene eine aufenthaltsrechtliche Regelung im Anschluss an den vorübergehenden Schutz geschaffen wird, die möglicherweise vorteilhaft ist gegenüber einer anderweitigen Aufenthaltserlaubnis. In diesem Sinne ist es zu empfehlen, dass bei Erlangung von Ansprüchen auf eine Aufenthaltserlaubnis jenseits des vorübergehenden Schutzes, diese andere Aufenthaltserlaubnis zusätzlich zum vorübergehenden Schutz erteilt wird. Damit behalten Betroffene die größtmögliche aufenthaltsrechtliche Flexibilität hinsichtlich ihrer Integrationswege. Diese Flexibilität steht ihnen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu. Im Landeserlass vom 12. September 2024 Ziffer 8.2. wird die Möglichkeit mehrerer Aufenthaltstitel nebeneinander bestätigt und deren Anwendung empfohlen, um den Rechtskreiswechsel vor Auslaufen der Massenzustromrichtlinie vorzubereiten.

Betroffene wenden sich für aufenthaltsrechtliche Beratungen an die Migrationsberatungsstellen vor Ort.

Beratungsstellen können sich an die Rechtsberatung der Diakonie Schleswig-Holstein wenden:

 

Dr. Regine Nowack

04331 593 235

r.nowack@diakonie-sh.de

und

Joschka Peters-Wunnenberg

04331 593 134

j.peters-wunnenberg@diakonie-sh.de 

 

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