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22.11.24
14:02 Uhr
SPD

Sophia Schiebe zu TOP 40: Geschlechtsspezifische Gewalt ist kein Randthema

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 22. November 2024
Sophia Schiebe Geschlechtsspezifische Gewalt ist kein Randthema TOP 40: Fortschrittsbericht zum Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt (Drs. 20/2645)
„2023 wurden mehr als 52.000 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten wie sexueller Belästigung, Nötigung oder Vergewaltigung. Das sind 6,2 % mehr als im Vorjahr. Zudem wuchs die Zahl weiblicher Opfer von digitaler Gewalt um 25% gegenüber dem Vorjahr. Im Fünfjahresvergleich haben sich die Zahlen damit mehr als verdoppelt. Diese Zahlen können wir nicht einfach stehen lassen. Es ist genau der richtige Schritt von Bundesinnenministerin Faeser und Familienministerin Paus, dass Gewalthilfegesetz noch vor den Neuwahlen einzubringen und beschließen zu lassen. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam nochmal bei unseren jeweiligen Kolleg*innen in Berlin für dieses Gesetz werben, denn es würde für so viele Frauen und Mädchen einen besseren Schutz vor Gewalt bedeuten.
Doch kommen wir zurück nach Schleswig-Holstein und dem Bericht zum Kompetenzzentrum geschlechtsspezifischer Gewalt. Zunächst möchte ich die Arbeit des Kompetenzzentrums ausdrücklich anerkennen. Der Bericht belegt, dass die Einrichtung dieses Zentrums ein wichtiger Schritt war, um geschlechtsspezifische Gewalt systematisch und strukturell zu bekämpfen. Initiativen wie die Verbesserung der Datenlage, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die Unterstützung von Hilfseinrichtungen sind essenzielle Bausteine, um das Problem anzugehen. Insbesondere die bundesweite Vernetzung von Akteur*innen sowie der Aufbau eines zentralen Wissenspools verdienen Anerkennung. Sie schaffen eine Grundlage, auf der wir weitere Maßnahmen aufbauen können.
Doch – und hier beginnt meine Kritik – der Bericht zeigt auch Lücken und Herausforderungen auf, die wir nicht ignorieren dürfen. Ein zentraler Punkt ist die mangelnde Umsetzbarkeit vieler Ansätze. Zwar werden ambitionierte Ziele formuliert, aber es fehlt an konkreten Maßnahmenplänen, um diese umzusetzen. Die Zusammenarbeit mit dem Land und den Kommunen ist beispielsweise noch nicht flächendeckend institutionalisiert. Solange es hier keine klaren Verbindlichkeiten gibt, wird das Kompetenzzentrum seine Wirkung nicht voll entfalten können.
Zudem stellt sich die Frage der finanziellen Ausstattung. Der Bericht deutet an, dass das Zentrum auf zusätzliche Ressourcen angewiesen ist, um seine Arbeit nachhaltig zu intensivieren. Dies betrifft nicht nur die personelle Ausstattung, sondern auch die finanzielle Unterstützung für

1 Präventionsprogramme und Beratungsstellen. Die vorhandenen Kapazitäten reichen nicht aus, um die Nachfrage nach Hilfe zu decken. Der Landesverband der Frauenberatung hat veröffentlicht, dass die Akutfälle von häuslicher Gewalt um 50% gestiegen sind. Das ist eine Zahl, die mich zutiefst bestürzt. Wir müssen sicherstellen, dass jede betroffene Person niedrigschwelligen Zugang zu Beratung und Schutz hat. Ohne eine deutliche Erhöhung der Mittel bleibt dies ein unerfülltes Versprechen.
Ein weiteres Problem, das ich ansprechen möchte, betrifft die Präventionsarbeit. Der Bericht hebt hervor, dass es bereits Programme gibt, um geschlechtsspezifische Gewalt präventiv zu bekämpfen. Doch diese Programme erreichen oft nicht alle Zielgruppen, insbesondere in sozial oder kulturell benachteiligten Milieus. Hier müssen wir gezielter vorgehen, um sicherzustellen, dass Präventionsmaßnahmen diverser und inklusiver gestaltet werden. Es reicht nicht, allgemeine Sensibilisierungskampagnen durchzuführen – wir brauchen spezifische Ansätze, die die Bedürfnisse und Lebensrealitäten verschiedener Bevölkerungsgruppen berücksichtigen. Ein weiterer Punkt, den ich kritisch betrachte, ist die unzureichende rechtliche Verankerung vieler Maßnahmen. Der Bericht verweist darauf, dass das Kompetenzzentrum vor allem eine koordinierende Funktion hat. Das ist wichtig, aber nicht ausreichend. Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, benötigen wir verbindlichere gesetzliche Regelungen, beispielsweise in Bezug auf den Schutz von Betroffenen oder die Bestrafung von Tätern. Auch die Istanbul-Konvention, deren Umsetzung Deutschland verpflichtet ist, wird im Bericht nur am Rande erwähnt. Hier müssen wir sicherstellen, dass die Vorgaben dieser Konvention vollständig und zügig umgesetzt werden.
Was sind also meine konkreten Vorschläge: Erstens sollten wir die Arbeit des Kompetenzzentrums durch eine klare Zielvorgabe und eine verbindliche Aufgabenbeschreibung stärken. Ein Aktionsplan gegen geschlechtsspezifische Gewalt, der konkrete Maßnahmen und Fristen definiert, könnte hier Abhilfe schaffen. Zweitens müssen wir die Finanzierung aufstocken – und zwar deutlich. Prävention, Schutz und Aufklärung sind Investitionen in eine gerechtere und sicherere Gesellschaft. Drittens sollten wir die Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendämtern und anderen lokalen Akteuren intensivieren, um das Thema schon frühzeitig in den Fokus zu rücken. Abschließend appelliere ich an uns alle: Geschlechtsspezifische Gewalt ist kein Randthema. Sie ist ein Problem, das unsere gesamte Gesellschaft betrifft. Es ist unsere Verantwortung, die betroffenen Menschen zu schützen, Täter konsequent zur Rechenschaft zu ziehen und eine Kultur des Respekts zu schaffen. Der Fortschrittsbericht zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind – aber auch, dass wir mehr tun müssen. Lassen Sie uns diesen Weg mit Entschlossenheit weitergehen.“



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