Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
29.10.20
11:27 Uhr
SSW

Lars Harms: Historischer Schulterschluss gegen die Corona-Pandemie - Rede zu Protokoll gegeben

Presseinformation
Kiel, den 29. Oktober 2020


Rede zu Protokoll gegeben.



Lars Harms
TOP 1+44+37 Regierungserklärung zum Thema ”In der Krise zusammenhalten – Corona-Pandemie erfolgreich bewältigen”
Drs. 19/2492, 19/2506

„Es ist ein starkes Signal, dass die Minderheiten in den nächsten Jahren keine
Kürzungen bei ihren Zuschüssen befürchten müssen.“

Dass wir heute hier doch bei relativer Einigkeit zwischen den Fraktionen gemeinsame Vorschläge
zur Bewältigung der Corona-Herausforderungen vorlegen können, ist eine Schleswig-
Holsteinische Besonderheit. In anderen Bundesländern tobt ein Kampf um die richtige
Finanzierung der Corona-Hilfen. Da wird geklagt und da wird mit allen Bandagen gekämpft.
Regierung und Opposition liegen sich in diesen Bundesländern unversöhnlich in den Haaren. Nicht
so bei uns! Bei allen Unterschieden, die es geben muss, besteht hier doch eine große Einigkeit, dass
Sofortmaßnahmen und Maßnahmen, die die nachteiligen Auswirkungen der Coronakrise auch in
den nächsten Jahren abfedern sollen, dringend notwendig sind. Ich verhehle allerdings nicht, dass
dies natürlich auch daran liegt, dass wir als Einzige in der Bundesrepublik einen Einigungszwang
haben. Nur wenn 2/3 des Landtages den Hilfen zustimmen, kann es überhaupt diese Hilfen geben.
Ich gebe zu, als wir dieses auf Initiative des SSW damals in die Schuldenbremse hineingeschrieben
haben, hat wohl niemand an eine Pandemie gedacht. Aber jetzt zeigt es sich, dass dieses 2

Instrument nicht nur dergestalt wirkt, dass wir vorsichtig damit umgehen, sondern dass wir eben
auch diesen Einigungszwang zwischen Regierung und Opposition haben. Der Effekt ist, dass gute
und kluge Ideen von beiden Seiten mit aufgenommen werden und so das Paket auch die nächsten
Jahre durchstehen wird, egal wer dann regiert. Im Sinne der Sache ist das genau richtig.
Wir werden also in dieser Landtagstagung ein Paket schnüren, dass wohl als größte finanzielle
Anstrengung der Geschichte unseres Bundeslandes gelten kann. Insgesamt 5,5 Milliarden Euro
werden aufgewendet, um Menschen, denen Arbeitslosigkeit droht, zu helfen, um Selbständigen
unter die Arme zu greifen, um die Wirtschaft zu stützen, um die Kultur zu bewahren und natürlich
auch um unserer Bildungssystem und die Pflege und Krankenversorgung aufrecht zu erhalten.
Wer sagt, dass wir uns das nicht leisten können oder sollen, der muss dann aber auch ganz genau
die Alternativen vorlegen. Und die wären für die betroffenen Menschen schrecklich. Wir haben
jetzt schon einen pandemiebedingten wirtschaftlichen Einbruch ungeahnten Ausmaßes. Und
dieser wirtschaftliche Einbruch wird noch über Jahre nachwirken. Deshalb muss unser Programm
hierfür auch über Jahre angelegt sein.
Und es wird mitnichten so sein, dass diese Kredite spurlos an den kommenden Haushalten
vorbeigehen werden. Die Rückzahlungen dieser Verbindlichkeiten werden über 40 Jahre erfolgen.
Ein Zeitraum, den man politisch eigentlich nicht überschauen kann. Kaum einer von uns wird dann
nicht schon in Rente sein, wenn das Ganze abbezahlt ist. Das ist schon ein riesiger Zeitraum, in
dem wir eben nicht dieses Geld für etwas anderes nutzen können. Und auch schon in naher
Zukunft, werden wir Teile der Corona-bedingten wirtschaftlichen Schäden selbst gegenfinanzieren
müssen. Nur in den ersten Jahren gleichen wir die Schäden voll aus den Krediten aus. Danach wird
die Hälfte hiervon aus dem Landeshaushalt finanziert werden müssen. Wenn bis dahin keine
wirtschaftliche Besserung kommt, dann wird es schwer. Vor diesem Hintergrund ist es ein starkes
Signal, dass die Minderheiten in den nächsten Jahren keine Kürzungen bei ihren Zuschüssen
befürchten müssen. Dänen, Friesen sowie Sinti und Roma sind laut unserer Vereinbarung und laut
unseres gemeinsamen Antrages, den wir ja noch beschließen werden, von zukünftigen Kürzungen
ausgenommen. Das unterstreicht den besonderen Stellenwert der Minderheitenpolitik und der
Minderheiten und kann somit auch als gutes Beispiel für andere Parlamente und Regionen gelten. 3

Womit wir dann ja auch schon bei den mehr regionalen Auswirkungen der Krise wären. Ich habe es
schon öfter gesagt, aber ich wiederhole es gerne noch einmal: Es gibt keine Blaupause für das
Managen der Coronakrise. Insofern haben wir Verständnis, dass nicht alles Regierungshandeln
perfekt gelingt. Aber Manches kommt jetzt wieder und dann dürfen wir nicht die gleichen Fehler
machen wie im Frühjahr. Wir glauben, dass regionale Lösungen immer noch die besten Lösungen
sind, weil das Pandemiegeschehen eben nicht überall gleich ist.
An der dänischen Grenze haben wir gesehen, welche Auswirkungen zu restriktive Regelungen
haben können. Erst hat Dänemark die Grenzen geschlossen und dann hatte auch Deutschland
Reisebeschränkungen erlassen. Familien konnten nicht mehr zueinander und Pendler hatten es
schwerer. Was aber besonders schwer im Frühjahr wog war, dass die Regelungen in Deutschland
und Dänemark unterschiedlich waren und diese oft auch nicht miteinander abgestimmt wurden.
Das gilt es jetzt zu verhindern. Hier muss sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die
Regelungen auf beiden Seiten der Grenze miteinander abgestimmt werden. So gibt es eine
Regelung in Dänemark, dass ein bis zu 72 Stunden alter negativer Corona-Test zur Einreise
berechtigt, jedenfalls wenn man aus einer Grenzregion in Schweden oder eben auch aus
Schleswig-Holstein nach Dänemark einreisen will. Eine solche Regelung sollte auch bei uns
zumindest für Menschen aus Süddänemark gelten. Denn die familiären und wirtschaftlichen
Verflechtungen in unserer Grenzregion sind doch enorm. Und eine minderheitenpolitische
Dimension hat so etwas natürlich auch.
Und wenn wir schon gerade bei Grenzen sind, dann sollten wir nicht den gleichen Fehler wie im
Frühjahr machen und Menschen aus Hamburg oder anderen Nachbarbundesländern die Einreise
nach Schleswig-Holstein verwehren. Diese Maßnahme ist damals gehörig nach Hinten
losgegangen und wenn wir jetzt sehen, dass das so genannte Beherbergungsverbot auch bei uns
gekippt wurde, dann spricht so gut wie gar nichts für Einreisebeschränkungen. Vielmehr muss es
doch darum gehen, die Bereiche, die bei uns als Corona-trächtig gelten, dann auch mit
entsprechenden Restriktionen zu versehen. Wenn ich in der Zeitung lese, dass bei Kontrollen in
Sylter Clubs und Bars von 9 Kontrollen 4 zu Beanstandungen geführt haben und dabei
vornehmlich die Clubs einfach zu voll waren, dann kann es nur eine Lösung geben. Nämlich, dass 4

nicht nur verstärkt kontrolliert wird, sondern dass die Vergehen durch die Betreiber auch geahndet
werden. Damit so etwas eben nicht mehr passiert. Die weit überwiegende Mehrheit der
Gastronomen arbeitet vorbildlich, aber sobald einer dort ausschert und wieder mehr zulässt, steigt
eben die Gefahr, dass sich mehrere anstecken können. Und dieses Virus kann zum Tod führen. Da
kann es also keine Kompromisse geben.
Ein weiterer Punkt ist, auf was sich die Gesundheitsämter eigentlich bei ihren knappen Ressourcen
konzentrieren sollten. Man kann ja Einzelkontakte aller Art nachverfolgen, wenn man die
Ressourcen dazu hat. Bei einer Pandemiebekämpfung muss man sich aber insbesondere auch auf
Veranstaltungen und große Treffen konzentrieren. Bei den Infizierten muss man also insbesondere
zurückverfolgen ob man an solchen Veranstaltungen und Events teilgenommen hat und ob es dort
zu einer Vielzahl von Ansteckungen gekommen sein könnte. Das erscheint mir effektiver als die
Einerverfolgung zu perfektionieren.
Und wenn wir denn schon bei größeren Veranstaltungen sind, dann muss man ganz klar sagen,
dass diese im Regelfall einfach nicht mehr genehmigt werden können. Egal, wie man politisch zu
verkaufsoffenen Sonntagen steht, ist es in Pandemiezeiten klar, dass dieses ohne Maske eng an
eng durch Einkaufsmeilen schieben, einfach nicht mehr geht. Da greift dann auch kein gut
gemeintes Hygienekonzept mehr. Verkaufsoffene Sonntage in Pandemiezeiten konterkariert alles,
was wir über Viruskontrolle und Nachverfolgbarkeit nach außen hin propagieren. Eine
Veranstaltung kann nur dann durchgeführt werden, wenn Abstände eingehalten werden können,
das Veranstaltungsgelände abgegrenzt ist und der Zugang kontrolliert wird. Das ist bei
verkaufsoffenen Sonntagen, Stadtfesten und ähnlichen Events nicht der Fall. Und damit ist der
Schutz der Menschen höher zu werten als alles andere.
Und ähnliches gilt auch für die Weihnachtsmärkte. Auch hier muss insbesondere sichergestellt
sein, dass die Menschen sich nicht zu nahe kommen. Und das wird bei einem ungeregelten
Alkoholausschank sehr schwierig werden. Das wissen wir alle. Auch hier kann man eigentlich nur
empfehlen, Weihnachtsmärkte abzusagen, oder zumindest genaue Vorgaben zu machen, die dann
auch vom Ordnungsamt kontrolliert werden. Macht man das nicht, dann sollte man es lieber
lassen. 5

Lassen Sie mich noch zuletzt zwei Anmerkungen zu Schulen und Pflegeheimen machen. Wir sehen
es als sinnvoll an, dass seit dem Ende der Ferien eine Maskenpflicht in den Schulen besteht. Und
wir haben den Eindruck, dass dieses auch von den Schülerinnen und Schülern gut angenommen
wird. Nach unserer Auffassung, muss es darum gehen, dass der Präsenzunterricht so gut wie
möglich aufrechterhalten wird. Dabei geht es vor allem darum, dass diejenigen Schüler, die aus
schwierigeren Verhältnissen kommen, hierdurch weiterhin gleiche Bildungschancen bekommen
wie andere Schüler. Und wir wissen alle, dass wenn die technische Ausstattung für Online-
Unterricht nicht vorhanden ist und auch das Elternhaus nicht genügend unterstützen kann, diese
Schülerinnen und Schüler womöglich hinten runterfallen. Bei allem Bemühen um mehr
Digitalisierung in der Schule, sollten wir dieses grundsätzlich nicht vergessen.
Und was die Pflegeeinrichtungen angeht, müssen wir alles dafür tun, dass zumindest immer eine
Person, die sich dann auch registrieren lassen muss, die jeweiligen Bewohner besuchen kann. So
wird dies ja auch in Krankenhäusern praktiziert und dort klappt es sehr gut. Es darf auf keinen Fall
wieder passieren, dass Menschen in Pflegeeinrichtungen völlig ohne direkten Kontakt zu
Freuenden und Verwandten sind und so dann eine extrem schwierige Zeit durchmachen müssen.
Der Herbst und der Winter werden für diese Menschen und deren Familien schon schwierig genug.
Da sollte es aber zumindest immer möglich sein, einen persönlichen Kontakt aufrechterhalten zu
können.
Meine Damen und Herren, die Coronakrise wird noch jede Menge Disziplin von uns verlangen. Ich
habe aber den Eindruck, dass die Menschen in Schleswig-Holstein sich sehr wohl der
Ernsthaftigkeit der Lage bewusst sind. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich nicht nur, wie
sonst üblich, bei einzelnen Berufsgruppen, die besonders hart arbeiten, bedanken, sondern mein
Dank gilt der gesamten Bevölkerung in Schleswig-Holstein für ein über weite Strecken typisches
unaufgeregtes Umgehen mit diesen Herausforderungen. Ich hoffe das bleibt so, dann schaffen wir
das!