Lars Harms: Historischer Schulterschluss gegen die Corona-Pandemie - Rede zu Protokoll gegeben
PresseinformationKiel, den 29. Oktober 2020Rede zu Protokoll gegeben.Lars HarmsTOP 1+44+37 Regierungserklärung zum Thema ”In der Krise zusammenhalten – Corona-Pandemie erfolgreich bewältigen” Drs. 19/2492, 19/2506„Es ist ein starkes Signal, dass die Minderheiten in den nächsten Jahren keineKürzungen bei ihren Zuschüssen befürchten müssen.“Dass wir heute hier doch bei relativer Einigkeit zwischen den Fraktionen gemeinsame Vorschlägezur Bewältigung der Corona-Herausforderungen vorlegen können, ist eine Schleswig-Holsteinische Besonderheit. In anderen Bundesländern tobt ein Kampf um die richtigeFinanzierung der Corona-Hilfen. Da wird geklagt und da wird mit allen Bandagen gekämpft.Regierung und Opposition liegen sich in diesen Bundesländern unversöhnlich in den Haaren. Nichtso bei uns! Bei allen Unterschieden, die es geben muss, besteht hier doch eine große Einigkeit, dassSofortmaßnahmen und Maßnahmen, die die nachteiligen Auswirkungen der Coronakrise auch inden nächsten Jahren abfedern sollen, dringend notwendig sind. Ich verhehle allerdings nicht, dassdies natürlich auch daran liegt, dass wir als Einzige in der Bundesrepublik einen Einigungszwanghaben. Nur wenn 2/3 des Landtages den Hilfen zustimmen, kann es überhaupt diese Hilfen geben.Ich gebe zu, als wir dieses auf Initiative des SSW damals in die Schuldenbremse hineingeschriebenhaben, hat wohl niemand an eine Pandemie gedacht. Aber jetzt zeigt es sich, dass dieses 2Instrument nicht nur dergestalt wirkt, dass wir vorsichtig damit umgehen, sondern dass wir ebenauch diesen Einigungszwang zwischen Regierung und Opposition haben. Der Effekt ist, dass guteund kluge Ideen von beiden Seiten mit aufgenommen werden und so das Paket auch die nächstenJahre durchstehen wird, egal wer dann regiert. Im Sinne der Sache ist das genau richtig.Wir werden also in dieser Landtagstagung ein Paket schnüren, dass wohl als größte finanzielleAnstrengung der Geschichte unseres Bundeslandes gelten kann. Insgesamt 5,5 Milliarden Eurowerden aufgewendet, um Menschen, denen Arbeitslosigkeit droht, zu helfen, um Selbständigenunter die Arme zu greifen, um die Wirtschaft zu stützen, um die Kultur zu bewahren und natürlichauch um unserer Bildungssystem und die Pflege und Krankenversorgung aufrecht zu erhalten.Wer sagt, dass wir uns das nicht leisten können oder sollen, der muss dann aber auch ganz genaudie Alternativen vorlegen. Und die wären für die betroffenen Menschen schrecklich. Wir habenjetzt schon einen pandemiebedingten wirtschaftlichen Einbruch ungeahnten Ausmaßes. Unddieser wirtschaftliche Einbruch wird noch über Jahre nachwirken. Deshalb muss unser Programmhierfür auch über Jahre angelegt sein.Und es wird mitnichten so sein, dass diese Kredite spurlos an den kommenden Haushaltenvorbeigehen werden. Die Rückzahlungen dieser Verbindlichkeiten werden über 40 Jahre erfolgen.Ein Zeitraum, den man politisch eigentlich nicht überschauen kann. Kaum einer von uns wird dannnicht schon in Rente sein, wenn das Ganze abbezahlt ist. Das ist schon ein riesiger Zeitraum, indem wir eben nicht dieses Geld für etwas anderes nutzen können. Und auch schon in naherZukunft, werden wir Teile der Corona-bedingten wirtschaftlichen Schäden selbst gegenfinanzierenmüssen. Nur in den ersten Jahren gleichen wir die Schäden voll aus den Krediten aus. Danach wirddie Hälfte hiervon aus dem Landeshaushalt finanziert werden müssen. Wenn bis dahin keinewirtschaftliche Besserung kommt, dann wird es schwer. Vor diesem Hintergrund ist es ein starkesSignal, dass die Minderheiten in den nächsten Jahren keine Kürzungen bei ihren Zuschüssenbefürchten müssen. Dänen, Friesen sowie Sinti und Roma sind laut unserer Vereinbarung und lautunseres gemeinsamen Antrages, den wir ja noch beschließen werden, von zukünftigen Kürzungenausgenommen. Das unterstreicht den besonderen Stellenwert der Minderheitenpolitik und derMinderheiten und kann somit auch als gutes Beispiel für andere Parlamente und Regionen gelten. 3Womit wir dann ja auch schon bei den mehr regionalen Auswirkungen der Krise wären. Ich habe esschon öfter gesagt, aber ich wiederhole es gerne noch einmal: Es gibt keine Blaupause für dasManagen der Coronakrise. Insofern haben wir Verständnis, dass nicht alles Regierungshandelnperfekt gelingt. Aber Manches kommt jetzt wieder und dann dürfen wir nicht die gleichen Fehlermachen wie im Frühjahr. Wir glauben, dass regionale Lösungen immer noch die besten Lösungensind, weil das Pandemiegeschehen eben nicht überall gleich ist.An der dänischen Grenze haben wir gesehen, welche Auswirkungen zu restriktive Regelungenhaben können. Erst hat Dänemark die Grenzen geschlossen und dann hatte auch DeutschlandReisebeschränkungen erlassen. Familien konnten nicht mehr zueinander und Pendler hatten esschwerer. Was aber besonders schwer im Frühjahr wog war, dass die Regelungen in Deutschlandund Dänemark unterschiedlich waren und diese oft auch nicht miteinander abgestimmt wurden.Das gilt es jetzt zu verhindern. Hier muss sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass dieRegelungen auf beiden Seiten der Grenze miteinander abgestimmt werden. So gibt es eineRegelung in Dänemark, dass ein bis zu 72 Stunden alter negativer Corona-Test zur Einreiseberechtigt, jedenfalls wenn man aus einer Grenzregion in Schweden oder eben auch ausSchleswig-Holstein nach Dänemark einreisen will. Eine solche Regelung sollte auch bei unszumindest für Menschen aus Süddänemark gelten. Denn die familiären und wirtschaftlichenVerflechtungen in unserer Grenzregion sind doch enorm. Und eine minderheitenpolitischeDimension hat so etwas natürlich auch.Und wenn wir schon gerade bei Grenzen sind, dann sollten wir nicht den gleichen Fehler wie imFrühjahr machen und Menschen aus Hamburg oder anderen Nachbarbundesländern die Einreisenach Schleswig-Holstein verwehren. Diese Maßnahme ist damals gehörig nach Hintenlosgegangen und wenn wir jetzt sehen, dass das so genannte Beherbergungsverbot auch bei unsgekippt wurde, dann spricht so gut wie gar nichts für Einreisebeschränkungen. Vielmehr muss esdoch darum gehen, die Bereiche, die bei uns als Corona-trächtig gelten, dann auch mitentsprechenden Restriktionen zu versehen. Wenn ich in der Zeitung lese, dass bei Kontrollen inSylter Clubs und Bars von 9 Kontrollen 4 zu Beanstandungen geführt haben und dabeivornehmlich die Clubs einfach zu voll waren, dann kann es nur eine Lösung geben. Nämlich, dass 4nicht nur verstärkt kontrolliert wird, sondern dass die Vergehen durch die Betreiber auch geahndetwerden. Damit so etwas eben nicht mehr passiert. Die weit überwiegende Mehrheit derGastronomen arbeitet vorbildlich, aber sobald einer dort ausschert und wieder mehr zulässt, steigteben die Gefahr, dass sich mehrere anstecken können. Und dieses Virus kann zum Tod führen. Dakann es also keine Kompromisse geben.Ein weiterer Punkt ist, auf was sich die Gesundheitsämter eigentlich bei ihren knappen Ressourcenkonzentrieren sollten. Man kann ja Einzelkontakte aller Art nachverfolgen, wenn man dieRessourcen dazu hat. Bei einer Pandemiebekämpfung muss man sich aber insbesondere auch aufVeranstaltungen und große Treffen konzentrieren. Bei den Infizierten muss man also insbesonderezurückverfolgen ob man an solchen Veranstaltungen und Events teilgenommen hat und ob es dortzu einer Vielzahl von Ansteckungen gekommen sein könnte. Das erscheint mir effektiver als dieEinerverfolgung zu perfektionieren.Und wenn wir denn schon bei größeren Veranstaltungen sind, dann muss man ganz klar sagen,dass diese im Regelfall einfach nicht mehr genehmigt werden können. Egal, wie man politisch zuverkaufsoffenen Sonntagen steht, ist es in Pandemiezeiten klar, dass dieses ohne Maske eng aneng durch Einkaufsmeilen schieben, einfach nicht mehr geht. Da greift dann auch kein gutgemeintes Hygienekonzept mehr. Verkaufsoffene Sonntage in Pandemiezeiten konterkariert alles,was wir über Viruskontrolle und Nachverfolgbarkeit nach außen hin propagieren. EineVeranstaltung kann nur dann durchgeführt werden, wenn Abstände eingehalten werden können,das Veranstaltungsgelände abgegrenzt ist und der Zugang kontrolliert wird. Das ist beiverkaufsoffenen Sonntagen, Stadtfesten und ähnlichen Events nicht der Fall. Und damit ist derSchutz der Menschen höher zu werten als alles andere.Und ähnliches gilt auch für die Weihnachtsmärkte. Auch hier muss insbesondere sichergestelltsein, dass die Menschen sich nicht zu nahe kommen. Und das wird bei einem ungeregeltenAlkoholausschank sehr schwierig werden. Das wissen wir alle. Auch hier kann man eigentlich nurempfehlen, Weihnachtsmärkte abzusagen, oder zumindest genaue Vorgaben zu machen, die dannauch vom Ordnungsamt kontrolliert werden. Macht man das nicht, dann sollte man es lieberlassen. 5Lassen Sie mich noch zuletzt zwei Anmerkungen zu Schulen und Pflegeheimen machen. Wir sehenes als sinnvoll an, dass seit dem Ende der Ferien eine Maskenpflicht in den Schulen besteht. Undwir haben den Eindruck, dass dieses auch von den Schülerinnen und Schülern gut angenommenwird. Nach unserer Auffassung, muss es darum gehen, dass der Präsenzunterricht so gut wiemöglich aufrechterhalten wird. Dabei geht es vor allem darum, dass diejenigen Schüler, die ausschwierigeren Verhältnissen kommen, hierdurch weiterhin gleiche Bildungschancen bekommenwie andere Schüler. Und wir wissen alle, dass wenn die technische Ausstattung für Online-Unterricht nicht vorhanden ist und auch das Elternhaus nicht genügend unterstützen kann, dieseSchülerinnen und Schüler womöglich hinten runterfallen. Bei allem Bemühen um mehrDigitalisierung in der Schule, sollten wir dieses grundsätzlich nicht vergessen.Und was die Pflegeeinrichtungen angeht, müssen wir alles dafür tun, dass zumindest immer einePerson, die sich dann auch registrieren lassen muss, die jeweiligen Bewohner besuchen kann. Sowird dies ja auch in Krankenhäusern praktiziert und dort klappt es sehr gut. Es darf auf keinen Fallwieder passieren, dass Menschen in Pflegeeinrichtungen völlig ohne direkten Kontakt zuFreuenden und Verwandten sind und so dann eine extrem schwierige Zeit durchmachen müssen.Der Herbst und der Winter werden für diese Menschen und deren Familien schon schwierig genug.Da sollte es aber zumindest immer möglich sein, einen persönlichen Kontakt aufrechterhalten zukönnen.Meine Damen und Herren, die Coronakrise wird noch jede Menge Disziplin von uns verlangen. Ichhabe aber den Eindruck, dass die Menschen in Schleswig-Holstein sich sehr wohl derErnsthaftigkeit der Lage bewusst sind. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich nicht nur, wiesonst üblich, bei einzelnen Berufsgruppen, die besonders hart arbeiten, bedanken, sondern meinDank gilt der gesamten Bevölkerung in Schleswig-Holstein für ein über weite Strecken typischesunaufgeregtes Umgehen mit diesen Herausforderungen. Ich hoffe das bleibt so, dann schaffen wirdas!