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21.06.19
10:42 Uhr
SPD

Kathrin Wagner-Bockey zu TOP 38: „Upskirting“ muss Straftatbestand werden

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

Kiel, 21. Juni 2019



TOP 38: „Upskirting“ strafrechtlich sanktionieren (Drs. 19/1539)


Kathrin Wagner-Bockey:
„Upskirting“ muss Straftatbestand werden „Als ich 2017 in den Landtag gewählt wurde, habe ich mich gefreut. Gefreut, weil ich mir sehr sicher war: Diese Erfahrung erweitert meinen Horizont! Ich bin ehrlich: Beim Thema „Upskirting“ ist die Horizonterweiterung auf besondere Weise gelungen! Glauben Sie mir, ich habe in meinem Berufsleben schon viel gesehen, und trotzdem: Upskirting war mir kein Begriff, das Thema hat mich überrascht! Meine erste Reaktion war: Das ist doch völlig absurd! Und in jedem Fall dachte ich: Das können doch nur Einzelfälle sein! Im zweiten Moment war ich fassungslos, dass dieses Phänomen nicht strafbar ist! Ich halte mich, egal ob in Rock oder Hose, für selbstbewusst und im Einzelfall für wehrhaft. Aber frau kann sich natürlich nur wehren, wenn sie merkt, dass ihr jemand im wahrsten Sinne des Wortes nicht an die Wäsche geht, sondern unter die Wäsche. Die Vorstellung, heimlich und unbemerkt an intimsten Stellen fotografiert zu werden, löst Wut aus aber vor allem löst es Beklemmungen aus. Und es versteht sich von selbst: Niemandem, egal welchen Geschlechts, darf es erlaubt sein, einen anderen Menschen derart zu demütigen und zu beschämen. Wer sich eine Frau auf diese Weise zur Beute macht, wer die Bilder womöglich als Trophäe auch noch ins Netz stellt, gehört bestraft.
Das Dilemma der aktuellen Rechtslage lässt sich am besten beschreiben am Praxisfall: Ein ehemaliger Bürgermeister einer Gemeinde aus dem Landkreis Pfaffenhofen, soll im Sommer 2013 zahlreichen Frauen heimlich unter den Rock fotografiert haben. Eine 25 Jahre alte Sozialpädagogin bemerkte, wie er dies auch bei ihr versuchte. Ein Verkäufer eines Obdachlosenmagazins alarmierte die Polizei. Der Täter wehrte sich gegen die zivilen Polizisten 2



u.a. mit einem Ellenbogencheck. Die Polizei fand später 99 belastende Bilder und 27 Filme auf einem Speicherchip. Bis auf die Sozialpädagogin hat wohl keine Frau bemerkt, was da passierte.
Das rechtliche Fazit des Vorfalls: Es gab keine Beleidigung der Einzelperson – aber Belästigung der Allgemeinheit. In erster Instanz wurde der Mann wegen Beleidigung zu einer Zahlung von 5.250 € verurteilt. Das Landgericht sprach ihn davon frei. Der Tatbestand der Beleidigung ist nicht erfüllt bei sexuell motiviertem, heimlichem Beobachten. Im Ergebnis wurde der Ex- Bürgermeister zu einer Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 750 € wegen Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 OWiG) verurteilt. Gleichzeitig musste er 4.200 € zahlen, weil er sich gegen die Beamten gewehrte hatte.
Viel getan hat sich bis heute nicht: Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung gem. § 184 i StGB erfordert eine körperliche Berührung und scheidet damit aus! § 201a StGB stellt das heimliche Fotografieren von intimen Bereichen nur in geschlossenen Räumen unter Strafe. Eine Ordnungswidrigkeit kann es nur dann sein, wenn Dritte den Vorgang beobachten und sich gestört fühlen könnten!
Das, meine Damen und Herren, ist eine echte Gesetzeslücke, die so unglaublich ist, dass ich sie mir im ersten Moment nicht vorstellen konnte! „Upskirting“ trifft, das zeigen Untersuchungen, junge Frauen, aber auch ältere! In jedem Fall stellt es eine Erniedrigung dar und verstößt so offensichtlich gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen, dass hier unbedingter Handlungsbedarf besteht. „Upskirting“ muss Straftatbestand werden. Es als Ordnungswidrigkeit zu behandeln ist zynisch.
Zu guter Letzt sei mir ein Hinweis erlaubt: Ich will es nicht skandalisieren. Aber ich fand das Sharepic der CDU-Fraktion zum Thema Upskirtingverbot etwas unglücklich.“ Wer eine Sexismusdebatte ernsthaft führen will, sollte nicht mit Bildern von „extremst kurz berockten Frauen“ werben.“