Symposium "Die Vergangenheit im Kopf - die Zukunft in der Hand"
Medien-Information 28.11.2018Symposium „Die Vergangenheit im Kopf – die Zukunft in der Hand“: Demut gegenüber den Opfern in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und JugendpsychiatrieKIEL. Um Leid und Unrecht, das Menschen erfahren haben, die in der Zeit von 1949 bis 1975 als Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder-und Jugendpsychiatrie lebten, geht es heute (28.11.) und morgen bei einem öffentlichen Sym- posium mit dem Titel „Die Vergangenheit im Kopf – die Zukunft in der Hand“. Gemeinsam mit den Betroffenen organisieren der Sozialausschuss des schleswig-holsteinischen Land- tags und das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren die Fachveranstaltung.Der Impuls für diese Veranstaltung kam von den Betroffenen selbst. Sozialminister Heiner Garg betont: „Mit der Veranstaltung wird einem Wunsch entsprochen, der vor ziemlich ge- nau einem Jahr erstmals im Rahmen eines Studiogesprächs beim Norddeutschen Rund- funk von den Betroffenen an mich herangetragen wurde: dass den von Leid und Unrecht Betroffenen Gehör geschenkt wird, und zwar im Plenarsaal des Kieler Landtags - als dem zentralen politischen Ort unseres Landes.Niemand kann das Geschehene wieder gut machen. Aber wir können durch die öffentliche Aufarbeitung dazu beitragen, dass Betroffene Gehör und Wertschätzung finden. Mein Respekt und meine höchste Anerkennung gelten jenen, die nach mehr als 40 Jahren das Schweigen gebrochen haben. Es tut mir außerordentlich leid, dass der Staat Sie nicht aus- reichend beschützen konnte. Das darf nie wieder vorkommen.“Der Vorsitzende des Sozialausschusses, Werner Kalinka, weist darauf hin, dass der Ver- trauensbruch bei vielen Betroffenen zu einem schweren Vertrauensverlust geführt habe. Heute gehe es in besonderer Weise darum, das zu tun, was nach den traumatisierenden Erlebnissen bisher nicht auch nur annähernd ausreichend geschehen sei: „Wir hören zu, wir signalisieren: Ihre Sorgen sind bei uns angekommen. Das große Leid und das schwere Schicksal, was Ihren Lebensweg begleitet hat, ist Thema im Landeshaus. An dem Ort, der für das Land Schleswig-Holstein und dessen Verantwortung steht“, so Kalinka.Viele Betroffene leiden noch heute an den seelischen und körperlichen Folgen, z.B. von Zwangsmaßnahmen, unzureichender gesundheitlicher Versorgung, Gewalt, Strafen, De- mütigungen, sexuellem Missbrauch oder auch unter den finanziellen Einbußen, weil sie 1 sozialversicherungspflichtig in den Einrichtungen gearbeitet haben, ohne dass dafür aber in die Rentenkasse eingezahlt wurde.Das Symposium und die Möglichkeit, über das Erlebte zu berichten, dienen als ein Zei- chen der Anerkennung aber auch der gemeinsamen Verantwortung gegenüber den Be- troffenen. Die Veranstaltung soll Raum dafür sein, das erfahrene Leid und Unrecht aus Sicht der Opfer darzustellen und sichtbar zu machen.Stand der Aufarbeitung Um den Menschen Hilfe anzubieten, die in der Zeit von 1949 bis 1975 als Kinder und Ju- gendliche in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder-und Jugendpsychiatrie lebten und dort Leid und Unrecht erfuhren, haben Bund, Länder und Kirchen die Stiftung Anerkennung und Hilfe gegründet, die ihre Arbeit am 1. Januar 2017 aufgenommen hat.Aufgabe der Stiftung ist es, den Betroffenen eine finanzielle Anerkennung für das erlittene Unrecht zu gewähren, die Vergangenheit auch wissenschaftlich aufzuarbeiten sowie öf- fentlich die Verantwortung für Leid und Unrecht sichtbar zu machen und anzuerkennen. In allen Bundesländern sind hierfür Anlauf- und Beratungsstellen eingerichtet worden, an die sich die Betroffenen zur Beratung und zur Beantragung der Anerkennungsleistungen wen- den können.Schleswig-Holstein hat im April 2017 zusätzlich einen Regionalen Fachbeirat der Stiftung Anerkennung und Hilfe ins Leben gerufen, in dem u.a. ehemalige Betroffene, Vertreterin- nen und Vertreter der Kirchen, der Politik, der Wissenschaft sowie die schleswig- holsteinischen Mitarbeiterinnen der Anlauf- und Beratungsstelle arbeiten. Das Gremium soll in Fragen der fachlichen Ausrichtung der Beratungs- und Unterstützungsarbeit für die Betroffenen helfen, Anregungen geben und bei der Entscheidungspraxis mitwirken, auch durch die Beratung und Bewertung von anonymisiert vorgelegten Anträgen.Die Arbeit der Stiftung Anerkennung und Hilfe wird bundesweit von einem Forschungspro- jekt begleitet. Im Oktober 2017 hat eine wissenschaftliche Aufarbeitung begonnen, die in- nerhalb von drei Jahren abgeschlossen sein soll. Sie wird von Herrn Prof. Dr. Fangerau, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf, zusammen mit vier Kooperationspartnern durchgeführt. Zwischen- ergebnisse werden 2019 erwartet. Ziel ist es, die Leid- und Unrechtserfahrungen in ihrem Kontext zu erfassen sowie Art und Umfang der Geschehnisse nachvollziehbar zu machen. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zur Bewältigung und Aufarbeitung des Erlebten auch in der Gesellschaft geleistet; das erlebte Leid und Unrecht wird öffentlich sichtbar.Im August 2018 hat Schleswig-Holstein zudem in Abstimmung mit dem Regionalen Fach- beirat Schleswig-Holstein eine landesspezifische wissenschaftliche Aufarbeitung auf den Weg gebracht, die sich mit dem Schwerpunkt der Arzneimittelstudien (Medikamentener- probungen) in den Jahren 1949 bis 1975 in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. der Psychiatrie befasst. Mit dieser Aufarbeitung sind Forscher des Instituts für Medi- zingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität Lübeck beauftragt. Es wird da- von ausgegangen, dass Ergebnisse dieser Untersuchung 2020 vorliegen. 2 Arbeit der Anlauf- und Beratungsstelle Schleswig-Holstein Im März 2017 wurde in Schleswig-Holstein die Anlauf- und Beratungsstelle im Landesamt für Soziale Dienste in Neumünster eingerichtet. Melden können sich hier Personen, die als Kinder oder Jugendliche während der Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe bzw. der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an Folgewirkungen leiden.Die Anlauf- und Beratungsstelle unterstützt u.a. mit folgenden Leistungen: Einmalige personenbezogene pauschale Geldleistung zur selbstbestimmten Ver- wendung in Höhe von 9.000 Euro (keine Anrechnung auf Sozialhilfe, nicht pfänd- bar, steuerbefreit) Rentenersatzleistung von max. 5.000 Euro, sofern sozialversicherungspflichtig ge- arbeitet wurde, ohne dass sozialversicherungspflichtige Beiträge abgeführt worden sind. (3.000 Euro bei sozialversicherungspflichtiger Arbeit von bis zu 2 Jahren, 5.000 Eu- ro bei sozialversicherungspflichtiger Arbeit von mehr als 2 Jahren.)Bislang wurden in Schleswig-Holstein rund 4 Mio. Euro an Unterstützungsleistungen aus- gezahlt. Damit gehört Schleswig-Holstein bundesweit zu den Bundesländern mit den meis- ten Auszahlungen.Landesamt für Soziale Dienste Schleswig-Holstein Anlauf- und Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe Steinmetzstraße 1-11 24534 NeumünsterAnsprechpartnerinnen: Antje Christiansen antje.christiansen@lasd.landsh.de Britta Tölch britta.toelch@lasd.landsh.deTelefonische Sprechstunden: montags bis donnerstags von 9 – 16 Uhr freitags von 9 – 12 Uhr Beratungstermine werden individuell vereinbart.Homepage: https://www.schleswig- hol- stein.de/DE/Landesregierung/LASD/Aufgaben/StiftungAuH/StiftungAuHHauptartikel.html;js essionid=5A7C85F42B90A3B21617628FF4A93B30Verantwortlich für diesen Pressetext: Susann Wilke | Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein | Adolf-Westphal-Straße 4, 24143 Kiel | Telefon 0431 988-5317 | E-Mail: pressestelle@sozmi.landsh.de | Medien- Informationen der Landesregierung finden Sie aktuell und archiviert im Internet unter www.schleswig-holstein.de | Das Ministerium finden Sie im Internet unter www.schleswig-holstein.de/sozialministerium 3