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12.10.16 , 13:41 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Debatte um den Schutz und die Integration von Geflüchteten

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 12+19+29+30+31+44 – Flüchtlingsschutz Landeshaus und Integration von Migranten und Flüchtlingen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt die integrationspolitische Sprecherin Zentrale: 0431 / 988 – 1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 425.16 / 12.10.2016
Sprachkurse für alle – von Anfang an
Ich danke der Landesregierung für Ihren Bericht. Angesichts der Katastrophe in Syrien möchte man schier verzweifeln. Die Lage vor Ort ist unerträglich, genauso wie in den Lagern vor den Außengrenzen der EU, wo die Flüchtenden auf Schutz und ein warmes Dach über dem Kopf warten.
Da bin ich dankbar, dass wir hier vor Ort etwas ganz Konkretes tun können und dass die Landesregierung so vieles anpackt. Ich freue mich auch, dass die CDU nach eini- gen Ausfällen - Stichwort „Verabschiedungskultur“ - sich nun wieder konstruktiv an der Integrationsdebatte beteiligen will. Der letzte Beitrag Ihres Vorsitzenden zum Abschie- bungs-TV war einfach unter aller Kanone.
Zumindest haben Sie ein Gesetz eingereicht, an dem man sich abarbeiten kann. Für das Gesetz gilt allerdings, außen „Hui“, innen auch mal „Pfui“. Nur Integrationsgesetz drüber schreiben, reicht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn dann hauptsäch- lich Restriktion und Sanktion drin steht, tun Sie NICHTS, um konstruktiv den gesell- schaftlichen Zusammenhang zu stärken. Im Gegenteil.
Ich weiß, Sie wollen das immer nicht hören. Zu gern nehmen Sie die Vorurteile auf „Die wollen sich alle nicht integrieren“ oder „Man muss alle an die harte Kandare nehmen“. Dafür sind Sie sich dann auch nicht zu schade, in Bayern abzuschreiben. Ich habe ja Verständnis dafür, dass Sie Synergieeffekte nutzen wollen. Aber wenn das die moder- ne und urbane CDU in Schleswig-Holstein werden soll, dann Gute Nacht.
Sie können es nicht lassen. Alles was Sie zur Integrationsdebatte beitragen klingt nach „Clash of Cultures and Civilizations“. Sie bedienen Ängste vor der kulturellen Fremdheit der Flüchtlinge und stellen das vermeintliche Bollwerk „deutscher Leitkultur der Grund- werte“ entgegen. Ganz bewusst nutzen Sie nicht das Wort „Grundrechte“. Diese gehen Ihnen nämlich nicht weit genug.
Seite 1 von 4 Das treiben Sie mit dem Erlernen der „allgemein üblichen Mimik“ auf die Spitze. Ich zi- tiere aus dem Gesetz, § 6 Absatz 2: „Kinder sollen lernen, sich entwicklungsangemessen [in der deutschen Sprache sowie] durch die allgemein übliche Mimik und Körpersprache auszudrücken, [längeren Darstellungen oder Erzählungen zu folgen und selbst Geschichten zu- sammenhängend zu erzählen].“
Haben Sie Angst, dass es zu schrecklichen Missverständnissen in Kindergärten kommt, weil im Vorderorient Nicken nach oben eine Ablehnung darstellen kann? Oder haben Sie Angst, dass die Kinder Wut, Trauer, Freude, Überraschung, Ekel oder Angst nicht ausreichend kommunizieren können? Gibt es ein Wörterbuch der deutschen Mimik und Körpersprache, das Sie den Fachkräften in den KiTas an die Hand geben möchten?
Ihre Sorgen möchte ich haben. Dass Sie ein Gesetz schreiben, damit Kindern beige- bracht wird, dass man in Schleswig-Holstein „Moin!“ sagt und „Jo“ - ist nahezu Realsati- re.
Natürlich ist der Erwerb der deutschen Sprache wichtig. Für Kindergartenkinder genau- so wie für Seniorinnen und Senioren. Aber das liegt doch nicht an uns, dass hier nicht flächendeckend alles getan wird, um das zu ermöglichen. Es sind Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bund, liebe CDU, die mit einer Verhinderungspolitik auf der Bremse ste- hen.
Sprachkurse nur für Privilegierte, nur für einige wenige. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Sie schaffen es sogar noch unter den Geflüchteten Eliten zu bedienen.
Viel zu wenige Plätze gibt es in den Sprach- und Integrationskursen des Bundes. Selbst diejenigen, die einen Anspruch haben, warten viel zu lange und müssen sich mit elen- dig viel Bürokratie rumschlagen, um überhaupt nur die Erlaubnis für eine Teilnahme zu erhalten. Das ist der falsche Ansatz.
Sie sind integrationsunwillig. Sie legen den Menschen Steine in den Weg und zeigen hinterher mit dem Finger auf die, die Sie behindern. Das geht so nicht!
Wir fordern Sprachkurse für alle von Anfang an. Wenn alle Asylsuchenden von Anfang an einen Anspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen hätten, könnte man sich eine Menge Bürokratie sparen, die tatsächliche Entlastung schaffen würde. Setzen Sie sich dafür bei Ihren Kolleginnen und Kollegen im Bund ein, anstatt hier Kindergarten- kindern allgemein übliches Kopfschütteln oder Nicken beibringen zu wollen.
Nicht alle Forderungen in Ihrem Gesetz sind verkehrt. Und ich finde den Ansatz auch gar nicht verkehrt, in einem Gesetz den Menschen einen Anspruch auf Integration zu verschaffen. Der Unterschied zwischen Ihrem Gesetzentwurf und unserer Politik ist: Sie fordern - Wir machen das schon.
Der Bericht der Landesregierung zeigt, was die Landesregierung in dem letzten Jahr auf die Beine gestellt hat. Und das kann sich sehen lassen. Keiner musste in Zelten oder auf Schiffen schlafen. Diese Landesregierung hat in kürzester Zeit Erstaufnahme- einrichtungen im ganzen Land quasi aus dem Boden gestampft. Natürlich kann man es immer besser machen. Aber ich finde: Die Bilanz kann sich sehen lassen.


2 Und dabei hat die Landesregierung von Anfang an mit dem Flüchtlingspakt die wich- tigsten Fragen der Integration in den Blick genommen:  Die Integrationspauschale erhöht.  Lücken in der Sprachförderung für Erwachsene geschlossen.  Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt aufgelegt.  In Kitas und Schulen richtig investiert.  Koordinatorenstellen eingerichtet.  Das Ehrenamt gestärkt.  Die Mittel für Traumatherapie erhöht.  In den sozialen Wohnungsbau investiert.
Da kommt Ihr abgeschriebenes Gesetz ein wenig hinterher gekleckert. Klar, ein Integra- tionsgesetz gibt es in Schleswig-Holstein noch nicht. Dazu fordern uns auch die Piraten auf und wir werden im Ausschuss diskutieren, wie ein modernes Integrationsgesetz aussehen kann.
Wir finden den Ansatz der Piraten gut, das Integrationsgesetz um Partizipationsaspekte zu erweitern. Allerdings zielt der Antrag der Piraten uns zu einseitig auf den Dialog mit dem Islam.
Bei einigen Punkten können wir vielleicht Ansätze Ihres Gesetzes aufgreifen und Kom- promisse schließen. Zum Beispiel teilen wir Ihre Position, dass die Integrationspau- schale wirklich für Integration und nicht für die Aufnahme verwendet werden soll. Das dürfen Sie gerne an Ihre Kolleginnen und Kollegen auf kommunaler Ebene weiterge- ben.
Was mit uns aber gar nicht geht: Eine Wiedereröffnung der Abschiebehaftanstalt in Schleswig-Holstein. Geflüchtete gehören nicht in den Knast, wenn sie nichts verbro- chen haben!
Aber noch das schönste Gesetz ersetzt keine gute Politik und in der Integrationspolitik braucht sich Schleswig-Holstein nun wirklich nicht zu verstecken. Diese Küstenkoalition investiert in die Integration. Wir schaffen Angebote, weil wir davon ausgehen, dass die Menschen, die zu uns kommen und die, die hier sind, sich integrieren wollen.
Wir werden auch mit einem Integrationsgesetz unsere gute Politik fortsetzen und nicht kleinlich den Menschen das „heimische“ Lächeln beibringen.
In Ihrer Logik müssen sich alle den „heimischen“ Sitten und Gebräuchen anpassen und ein paar wenige werden mit einem Sprachkurs belohnt. Das ist so derart von vorges- tern, das ist keine moderne Integrationspolitik.
Schauen Sie sich die Forderungen des Altenparlaments an: Die fordern Sprachkurse für alle, die zu uns kommen. Das ist konstruktive Integrationspolitik.
Wir wollen, dass alle integriert werden. Diese Unterscheidung in schlechte und gute Cluster mag handlich klingen. Aber unser Ansatz ist das nicht. Was praktisch für die Verwaltung klingen mag birgt die Gefahr, dass der einzelne Mensch übersehen wird.
Wie perfide über das Schicksal der Einzelnen hinweggegangen wird, zeigt sich beson- ders deutlich an der dramatischen gestiegenen Zahl von Syrerinnen und Syrern, die nur noch als subsidiär schutzberechtigt anerkannt werden. Erhielten vor einem Jahr noch
3 0,1 Prozent der syrischen Geflüchteten subsidiären Schutz, stieg der Anteil dramatisch im Laufe des Jahres 2016. Mit dramatischen Folgen für die Betroffenen.
Die Aufenthaltserlaubnis wird vorerst nur für ein Jahr erteilt. Bereits ein bürokratischer Unsinn, weil Syrerinnen und Syrer unproblematisch nach einem Jahr eine Verlängerung erhalten. Aber viel schlimmer: Anfang des Jahres hatte die Große Koalition dafür ge- sorgt, dass Subsidiär Schutzberechtigte ihre Familien zwei Jahre lang nicht nachholen dürfen.
Da das BAMF im Jahr 2015 bei seinen positiven Bescheiden nicht den subsidiären Schutz, sondern zu fast 99 Prozent den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention gewährte und das BAMF den Medien gegenüber versicherte, dass es keine Anweisung von oben gebe, ab sofort tendenziell in Richtung schlechterer Schutz-Status zu ent- scheiden, lag der Schluss nahe, dass das Asylpaket II für die Großzahl der Geflüchte- ten faktisch keine Auswirkung auf den Familiennachzug haben werde. Weit gefehlt, wie wir nun wissen.
Erst wurden die Rechte der subsidiär Schutzberechtigten unter Hinweis auf die geringe Anzahl der Betroffenen zurückgeschnitten und dann erhöhte sich quasi über Nacht, wenig überraschend, die Anzahl der Menschen, die nur noch den subsidiären Schutz erhalten. Die Vermutung liegt nahe, dass dies Methode hat.
Diese perfide Entscheidungspraxis ist nicht nur sachlich falsch. Die Gerichte der Länder ächzen unter der Verfahrenslast und müssen die Suppe auslöffeln, die das BAMF ihnen eingebrockt hat. Seit Ende Juli sind in Schleswig-Holstein die Klagen von syri- schen Geflüchteten steil gestiegen und die Gerichte geben den Klagen gegen das BAMF regelmäßig statt.
Die Gewährung des subsidiären Schutzes ist auch politisch fatal. Sie belastet in beson- derer Weise die Menschen, die zu uns geflohen sind und verhindert nachhaltig deren Integration.
Kein Mensch kann sich integrieren, der in ständiger Sorge um seine Familienangehöri- gen im Bombenhagel lebt. Wir fordern den Bundesinnenminister auf, diese inhumane Praxis sofort zu beenden.
Die Menschen, die zu uns kommen, wollen sich integrieren. Und wir müssen sie dabei unterstützen.


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