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17.02.16 , 11:13 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zum Asylpaket II

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Es gilt das gesprochene Wort! Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 20/21 – Asylpaket II Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Dazu sagt die Fraktionsvorsitzende der Mobil: 0172 / 541 83 53 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Eka von Kalben: Nr. 073.16 / 17.02.2016

Antworten statt hysterisches Paketeschnüren Meine Damen und Herren,
Wieder liegt uns ein so genanntes Asyl-Paket vor. Wobei ich mich frage:
Ist das eigentlich wirklich ein Asyl-Paket oder ist das ein „Politik muss mal wieder reagie- ren-Paket“ oder ein „Wie halte ich die AFD auf Abstand-Paket“?
Ich habe Verständnis dafür, dass Politik zeigen will, dass sie in der derzeitigen Situation das Heft des Handelns in die Hand nimmt. Aber es geht eben nicht um irgendein Paket, sondern um das, was drin steckt. Wir brauchen nicht ständig neue Abschreckungsgesetze und eine schleichende Aushöhlung des Asylrechts.
Wir brauchen wirksame Maßnahmen, um die Flüchtlinge bei uns gut zu integrieren. Wir brauchen wirksame Maßnahmen in den Herkunftsländern, um menschenwürdige Le- bensbedingungen zu schaffen. Köln verunsichert die Republik und die Große Koalition be- schließt die größten Verschärfungen im Asylrecht seit 20 Jahren. Das ist weder die Antwort auf die Frage, noch die richtige Antwort.
Ja, Politik muss etwas tun. Aber das Paket der GroKo hat einen völlig falschen Inhalt. Au- ßen drauf steht Weihnachten, drinnen liegen die faulen Ostereier.


Seite 1 von 6 Erst liegt das Paket monatelang rum, dann soll es über Nacht beschlossen werden. Und zwar so hektisch, dass selbst die mitzeichnenden Ressorts nicht mehr richtig mitbekom- men, was Sache ist. Auch die vollziehenden Behörden in Kommunen und Land murren mittlerweile: Bei den täglichen Änderungsvorschlägen komme man nicht mehr hinterher.
Meine Damen und Herren,
1. Was wurde nicht schon alles verhandelt, beschlossen und letztlich nicht konsequent umgesetzt. Schon im letzten Jahr wurde beschlossen, das Bundesamt für Migration aufzustocken und die Bearbeitung der Fälle zu beschleunigen. Beschlossen und nicht umgesetzt!
Im Gegenteil: Die Einführung der Einzelfallprüfung für Syrerinnen und Syrer hat die Aktenberge höher und höher werden lassen. Die Einzelfallprüfungen beim Familien- nachzug werden ebenfalls massenhaft Aktenberge produzieren.
2. Zweitens wurde im letzten Jahr auch die Unterstützung der Herkunftsländer und der Flüchtlingscamps in den Anrainerländern verabredet. Jahrelang wurden die Zahlun- gen abgesenkt und nun sollen sie über Nacht Wirkung entfalten und die Fehler der Vergangenheit ausmerzen.
Die Wirkung dieser Maßnahmen muss doch erstmal abgewartet werden, bevor man verkündet, dass man die Flüchtlingszahlen nur reduzieren kann, indem man Kindern ihre Eltern vorenthält.
3. Brauchen wir eine konsequente Umsetzung von Integrationsmaßnahmen, ehe wir zu dem Schluss kommen, dass sich bestimmte junge Männer aus anderen Ländern schwer integrieren lassen.
Natürlich ist das manchmal nicht einfach, aber was tut die Bundesregierung denn bisher für die Integration? Wo ist denn die bundesweite Gesundheitskarte? Wo sind denn die flä- chendeckenden Integrationskurse des Bundes?
Integrations- und Sprachkurse nur für ausgewählte Geflüchtete! Keine ausreichende Unter- stützung bei Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. Zu wenig Unterstützung durch den Bund bei der Integration in den Kommunen.



2 Wenn wir weiter nur sehr ausgewählte Flüchtlinge integrieren, aber das Gros derer, die hier leben, auszuschließen, wohlwissend, dass viele dieser Menschen hier aus verschiedenen Gründen lange leben werden, dann ist das falsch. Die gesellschaftlichen Folgen möchte ich mir nicht ausmalen. Der Bund hat nicht geliefert, liebe CDU. So viel zu Ihrem Antrag.
Meine Damen und Herren,
Und gibt es statt Integration noch mehr Antiintegrationsgesetze wie zum Beispiel die Ein- schränkung des Familiennachzuges verabschiedet werden.
Das ist integrationspolitischer Unsinn. Alle Expertinnen und Experten betonen, dass In- tegration durch eine stabile Familiensituation maßgeblich befördert wird.
Auch die mögliche Sorge der Kommunen, wie die vielen Menschen untergebracht werden sollen, insbesondere im städtischen Raum, wird damit nicht realistisch beantwortet.
Denn in der Realität macht die Aussetzung des Familiennachzugs für die Kommunen wenig Unterschied. Denn schon jetzt warten die Geflüchteten aufgrund der Verfahrenslänge und der Wartezeiten bei den Konsulaten lange auf ihre Familien.
Für die betroffenen Menschen aber ist diese Politik fatal: Es wird sie mitnichten davon ab- halten, zu ihren Partnern oder Söhnen nach Deutschland zu kommen. Aber es wird sie in kaputte Schlauchboote auf einen lebensgefährlichen Weg über das Meer treiben.
Die Frage des Familiennachzugs ist eine Frage der Haltung. Die Haltung, dass Familien zusammen gehören, wird nicht nur in den Menschenrechtskonventionen und dem Grund- gesetz geschützt. Sie ist der CDU sonst ein Bollwerk, wenn es um die Verhinderung von Adoptionen in gleichgeschlechtliche Familien geht.
Auch die christlichen Werte, die die Union sonst gerne als Leitkultur bemüht und auf die al- le Geflüchteten schwören sollen, müssten jeden Christdemokraten eigentlich aufschreien lassen.
Aber das Erbärmlichste am Vorschlag zum Familiennachzug ist die Einbeziehung der Min- derjährigen. Kindern ihre Eltern vorzuenthalten, ist nicht nur unklug. Das ist schändlich.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,



3 und dann wieder einmal neue sichere Herkunftsländer. Die Welt wird gefühlt immer unsi- cherer, die Liste der vermeintlich sicheren Länder immer länger. Erinnern wir uns an den aktuellen Anlass für diesen Vorschlag. Ins Paket gerutscht ist diese Maßnahme erst nach der allgemeinen Verunsicherung im Januar.
Man kann es nur als Sippenhaft bezeichnen: Verüben einzelne Straftaten, wird die gesamte Gruppe bestraft. Das gefällt dem Stammtisch. Die Maßnahme ist völlig ungeeignet, um eine realistische Antwort auf die Ängste der Bevölkerung aufgrund der Vorfälle in Köln zu ge- ben. Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer ist nichts als weiße Salbe.
Eine Gruppe von Jugendlichen wird kriminell. Eine Gruppe, die vielleicht gar nicht als Flüchtlinge hierhergekommen ist, sondern sich wie andere junge Menschen in verschiede- nen europäischen Ländern ohne Papiere durchschlägt.
Ohne viel Federlesen werden ihre vermeintlichen Herkunftsländer zu sicheren Ländern er- klärt. Ungeachtet der Beurteilung durch Menschenrechtsorganisationen. Ungeachtet der Einschätzung der Kirche. Es wäre praktisch, wenn es auf diesem Wege alles wieder fried- lich würde. Das ist doch - mit Verlaub - Mumpitz.
Erstens kann man die Berichte über Folter oder die Bestrafung der Homosexualität durch eine Erklärung im deutschen Bundestag nicht einfach wegreden. Mal abgesehen davon, dass das individuell garantierte Recht auf Asyl schleichend ausgehöhlt wird, bis es nur noch ein Schatten seiner selbst sein wird. Der Bundesratsantrag der CSU zeigt, wohin die Marschroute gehen soll: Einfach die ganze Welt für sicher erklären - Problem gelöst.
Zweitens macht die Erklärung Köln noch keinen Deut sicherer.
Den Berichten zufolge waren die meisten der Straftäter vor Ort - sofern sie ein Asylverfah- ren durchlaufen hatten - abgelehnte Asylbewerber. Trotz der Ablehnung konnte hingegen die Abschiebung nicht vollzogen werden konnte, zum Beispiel weil die Herkunftsländer sie nicht aufnehmen. Daran ändert die Einstufung zum Sicheren Herkunftsland gar nichts.
Auch in Zukunft wird es Menschen in unserem Land geben, deren Abschiebung noch nicht vollzogen ist oder die trotz fehlender Anerkennung nicht abgeschoben werden können. Bie- ten wir diesen Menschen keine Integrationsangebote, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie Parallelgesellschaften bilden.
Meine Damen und Herren,


4 Es gibt auch was Gutes in dem Päckchen. Das ist sozusagen das Stück Schokolade neben dem Lebertran.
Positiv ist es, wenn Auszubildende endlich die Möglichkeit bekommen, in Ruhe ihre Ausbil- dung zu beenden und anschließend zu arbeiten. Das fordern nicht nur die üblichen Ver- dächtigen wie Grüne und Flüchtlingsrat. Das fordern auch schon lange Unternehmerver- bände, Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer. Dieser Teil des Asylpa- ketes wäre zustimmungsfähig.
Das ist der Weg, den wir mitgehen könnten: Mehr Integration - nicht mehr Abschreckung. Wenn jetzt noch der Wegfall der Vorrangprüfung und anderer bürokratischer Hemmnisse diskutiert würde, dann wäre das mehr als ein bisschen weiße Salbe.
Ich sage Ihnen deshalb meine Damen und Herren,
es ist Zeit für ehrliche Antworten, statt hysterisch Pakete zu schnüren.
1. Migration ist ein Fakt und es zieht Menschen nach Europa. Auch Menschen, die kei- ne Flüchtlinge sind. Sie brauchen Einwanderungsperspektiven.
2. Menschen verlassen ihre Heimat ungern. Deshalb müssen wir an die Fluchtursachen gehen, auch wenn das mühsam ist und nicht schnell geht. Wir können das Migrati- onsproblem nicht auf andere Staaten verschieben. Zumal wir auch Verantwortung für die Ursachen tragen.
3. Menschen, die zu uns kommen, müssen wir schnell integrieren. Das kostet Kraft und Geld, aber wir müssen wieder dahin zurückkommen, die Herausforderung Volley zu nehmen und die Chancen der Migration für uns alle in den Mittelpunkt zu stellen.
Keiner der drei Punkte versteckt sich im Paket. Deshalb lehnen wir es ab. Gleichermaßen müssen wir uns die Ursachen von Flucht vor Augen führen. Niemand flieht freiwillig. Flucht ist direkt davon beeinflusst, wie gerecht wir die Ressourcen in dieser Welt verteilen oder ob wir auf Kosten anderer Leben.
Sie ist davon abhängig, inwieweit wir uns dafür einsetzen, dass Frieden und Sicherheit auf der Welt herrschen. Sie ist direkter Ausfluss europäischer und globaler Klima-, Agrar- und Handelspolitik. Natürlich ist es mühsam, Fluchtursachen zu bekämpfen. Aber es ist das Einzige, was nachhaltigen Erfolg haben kann. Wir können uns nicht einmauern und frei rei- sen wollen.


5 Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass die Menschen als direkte Folge euro- päischer Politik im Mittelmeer ertrinken. Wir können nicht das Problem auf andere Staaten verlagern, nur damit wir möglichst unberührt bleiben.
Flüchtlinge bringen Chancen: Es ist an uns, die Herausforderung Volley zu nehmen und die Vorteile von Migration deutlich zu machen. Flüchtlinge zu integrieren, kostet Geld. Sie ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie kostet Geld und Anstrengung. Auf beiden Seiten.



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