Serpil Midyatli zu TOP 19,27,41,45,46,47,48,49,51+52: Aus Fehlern der Vergangenheit lernen!
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 19. November 2015TOP 19, 27, 41, 45, 46, 47, 48, 49, 51 und 52: Stärkung des ehrenamtlichen Engagements / Einrichtung eines Ausschusses für Integrations- und Flüchtlingspolitik / Berichte zu weiteren Anträgen zur Flüchtlingspolitik (Drs. 18/3459, 18/3531, 18/3507, 18/2160, 18/2190)Serpil Midyatlı:Aus Fehlern der Vergangenheit lernen!Lassen Sich mich zu Beginn der Debatte bitte sagen, dass es gänzlich unmöglich ist, hier eine differenzierte Betrachtung aller uns vorliegenden Anträge zu machen. Es liegen uns aus fast allen Politikfeldern Anträge zum Thema Flüchtlinge vor, dieses zeigt nochmal deutlich, dass es sich hier um ein Querschnittsthema handelt. Daher werden auch alle gefordert sein, hier ihren Beitrag zu leisten, damit die Integration derjenigen, die bleiben dürfen, auch gelingen kann.Machen wir uns nichts vor – von denen, die in den letzten Wochen und Monaten gekommen sind, werden die allermeisten auch bleiben. Diese Realität anzuerkennen, ist der erste Schritt, um hier sachlich in die Diskussion zu starten, wie genau dieses gelingen kann. Wir sollten bereits aus der Vergangenheit gelernt haben, dass die Bereiche Sprache, Bildung, Ausbildung und Qualifizierung für den Arbeitsmarkt die Bereiche sind, die wir hier in den Fokus unseres Handels stellen müssen. 2Wir können uns die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal leisten, weder aus humanitärer noch aus finanzieller Sicht. Noch heute tragen wir die Altlasten der verfehlten Integrationspolitik der Gastarbeiterkinder. Wobei Integrationspolitik hier der falsche Begriff wäre, denn ich habe in den 13 Jahren, die ich in Schleswig-Holstein zur Schule gegangen bin, das Wort Integration nicht ein einziges Mal gehört. Das es geklappt hat, ist dem Umstand zu verdanken, dass ich Lehrkräfte hatte, zum Glück, die mich auf meinem Weg, wahrschlich eher intuitiv, begleitet und gefördert haben. Dieses darf in Zukunft nicht mehr dem Zufall überlassen bleiben.Und wir müssen uns eingestehen im Rückblick, dass wir es in den 90iger Jahren, als wir ebenfalls eine große Herausforderung mit der Aufnahme von Flüchtlingen zu bewältigen hatten, auch nicht richtig gehandelt und eigentlich erst jetzt erkannt haben, dass wir Integration von den Zuwanderern nicht nur fordern dürfen, sondern hierfür auch die Voraussetzungen bieten müssen. Daran wird eigentlich erst in den letzten Jahren ernsthaft und zielgerichtet gearbeitet, aber lieber spät als nie!Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Erkenntnis vorausgesetzt und mit der großen Unterstützung der Zivilgesellschaft können wir es dieses Mal schaffen. Lassen Sie uns gemeinsam nach den besten Wegen zum Gelingen dieser wahrlich großen Aufgabe suchen. Der Weg dahin wird nicht ganz so steinig werden wie vielleicht viele, die mit diesem Bereich vorher nicht zu hatten, meinen.In Sachen Bildung sind wir viel weiter als noch vor 10 oder 15 Jahren. Daher kann es nur richtig sein, dass der Kita-Anspruch auch für Flüchtlingskinder gilt, sie sollen von Anfang an die Sprache erlernen, und sie lernen. Und wir wissen auch heute, dass es viel schneller geht als vorher vermutet. Bereits im Jahre 2009 hatte jedes Kind in der Kita in den größeren Zentren einen sogenannten Migrationshintergrund. Durch gezielte Sprachförderung wird es uns auch im ländlichen Raum gelingen, die neuen Schleswig-HolsteinerInnen auf ihrem Weg in die Schule vorzubereiten.Gleiches gilt für die Schulen im Land. Die Schule ist der Ort, der entscheidet, ob die Kinder im weiteren Leben Erfolg haben werden oder nicht. Hier können wir auf die Erfahrung der Vergangenheit zurückgreifen, was war gut, was war schlecht. Einziger Unterschied ist, die Städte und zentralen Orte haben schon seit Jahrzehnten Erfahrung, wie es geht, nun gilt es, 3dieses auf den ländlichen Raum auszuweiten. Und die ersten Rückmeldungen aus den Schulen über große Lernbereitschaft und den Bildungshunger von Flüchtlingskindern der aktuellen Zuwanderungswelle zeigen, dass sich diese Mühe lohnen wird.Dass unsere Gesellschaft bunter und vielfältiger ist, ist uns allen schon lange bekannt, nicht erst durch die Aufnahme der vielen Flüchtlinge in diesem Jahr. Für alle gilt jedoch, sich an diesem Integrationsprozess zu beteiligen und an die Spielregeln zu halten, die wir vorgeben.Die Sprach- und Integrationskurse sind ja auch keine neue Erfindung, diese gibt es bereits seit 2005, aber was neu ist, ist, dass diese auch für Flüchtlinge mit hoher Bleiberechtsperspektive geöffnet werden sollen, da haben wir dazu gelernt. Menschen Jahrzehnte lang in irgendwelchen Warteschleifen zu parken, von einer Duldung in die nächste zu schicken und ihnen Integrationshilfen zu verweigern, das können und wollen wir uns nicht mehr erlauben.Arbeit schafft Unabhängigkeit, schafft Perspektive. Durch den Zugang zum Arbeitsmarkt bereits nach drei Monaten, auch für Geduldete, wird endlich eine der größten Bremsen zur Integration und Teilhabe abgeschafft. Was auch neu ist, ist das Vitamin B. All die vielen Ehrenamtler, die sich um die Flüchtlinge kümmern, sind wie tausende Fallmanager beim Jobcenter mit einer 1 zu 1 Betreuung. Die durch ihre Kontakte zu Firmen, zu Handwerksbetrieben und Unternehmen Praktika und Ausbildungsplätze vermitteln. Diese Chance sollten wir nutzen, es wird sie vielleicht kein zweites Mal geben.Ich bin nicht blauäugig, auch ich weiß, dass nicht überall alles gelingen wird, aus vielerlei Gründen, aber ich weiß auch, dass das Klima noch nie so gut gewesen ist wie jetzt. Ich weiß auch, dass es Einzelpersonen und politische Kräfte gibt, die nicht wollen, dass es gelingt, die nicht sagen, wir schaffen das, die überhaupt gar keine Flüchtlinge wollen. Aber eines möchte ich ganz deutlich sagen, diese sind nicht mehr geworden in ihrer Anzahl, sie sind nur extrem laut im Moment.Das ist meine persönliche Einschätzung, die Sie nicht teilen müssen. Aber wenn Sie Ihre eigenen Bekenntnisse gegen Rassismus, Alltagsdiskriminierungen, Ausgrenzung und Benachteiligungen von Flüchtlingen und Zuwanderern wirklich ernst nehmen, müssen Sie sich jetzt mit der Frage beschäftigen, wie es jetzt weitergehen soll, damit diesen alten Übel nicht neuen Nährboden erhalten. Sie haben unsere Vorschläge dazu gehört, Sie können auch im 4Haushalt nachlesen, was wir konkret vorhaben und wie wir es bezahlen wollen. Dies alles können Sie kritisieren, als falsch und völlig ungeeignet oder unzureichend darstellen, wie wir es oft von Ihnen hören.Aber ich erwarte von Ihnen dann Ihre Lösungen, Ihre Maßnahmen und Konzepte und ihre konkreten Finanzierungsvorschläge, hier und jetzt auf den Tisch!