Präsidenten von Landtag und Kreisen verabschieden Kieler Erklärungen - Selbstverwaltung und Migration im Fokus
113/2015 Kiel, 30. Juli 2015Präsidenten von Landtag und Kreisen verabschieden „Kieler Erklärungen“ - Selbstverwaltung und Migration im Fokus Kiel (SHL) - Landtagspräsident Klaus Schlie und die Kreispräsidenten der schleswig- holsteinischen Landkreise haben sich am Donnerstag in Kiel über die Bedeutung der Selbstverwaltung und den Gestaltungsspielraum der Kreise ausgetauscht - und dabei insbesondere die Migration in den Fokus genommen. Am Ende des rund fünfstündigen Treffens verabschiedeten sie gemeinsame „Kieler Erklärungen“. Schlie hatte die „Amtskollegen“ aus den elf Kreisen in Schleswig-Holstein zu einem ganztägigen Treffen nach Kiel eingeladen, weil aus seiner Sicht die Kreisebene bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen eine wichtigere Rolle spielt, als in der Öffentlichkeit wahrgenommen. „Flüchtlingspolitik und demografischer Wandel können nur als gemeinsame Aufgabe angegangen werden“, betonte der Landtagspräsident. Die Kreise seien mehr als nur eine untere Landesbehörde, die staatliche Aufgaben erfülle. Die öffentliche Wahrnehmung dafür müsse geschärft werden. Entsprechend wird in den „Kieler Erklärungen“ der hohe Stellenwert der kommunalen Selbstverwaltung betont, die einen stetigen Austausch zwischen Landesgesetzgeber und Kreisebene erfordert. „Die gestaltende Kraft der Migrationspolitik entwickelt sich in den Kommunen Schleswig- Holsteins“, heißt es in dem Papier weiter. Dort wo Menschen unmittelbar miteinander lebten, würden Handlungsbedarf und die Notwendigkeit praxistauglicher Ideen und deren Umsetzung sichtbar. Die Kreise nehmen demnach mit ihren Aufgabenfeldern wie Kinder- und Jugendhilfe, Schulträgerschaft und Familie eine Schlüsselrolle ein. Hinweis für die Medien: Pressefotos können kostenfrei unter sh-landtag.de/service/pressefotos downgeloaded werden. 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Die Kreispräsidenten der schleswig-holsteinischen Kreise begrüßen daher den vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages angestoßenen Dialog zwischen Landesgesetzgeber und Kreisebene. Es ist notwendig, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag, wissenschaftlich begleitet, in Erfahrung bringt, in welchem Umfang es bisher gelungen bzw. nicht gelungen ist, die Kreise über die Zuweisung von Selbstverwaltungsaufgaben zu stärken. Danach ist ein stetiger Austausch über den Stand und die Entwicklung der Kreisaufgaben erforderlich, um zu einer am Subsidiaritätsgedanken orientierten Entwicklung der Kreisaufgaben und zu einer am Gemeinwohl orientierten Aufgabenerledigung zu gelangen. 3. Der Gesetzgeber muss Aufgaben möglichst als Selbstverwaltungsaufgaben auf die Kreise übertragen, um das Potential der Selbstverwaltung der Kreise auszuschöpfen und die demokratische Legitimation durch den vom Volk direkt gewählten Kreistag zu stärken. Der Selbstverwaltungsgedanke kann sich nur entfalten, wenn die Kreise nicht als staatliche Vollzugsebene begriffen werden. 4. Kraftvolle kommunale Selbstverwaltung setzt Solidarität und ein vertrauensvolles Miteinander der Selbstverwaltung der Kreise mit dem Hauptamt, den Städten und dem kreisangehörigen Raum (Gemeinden und Ämter) voraus. Dieses Miteinander darf nicht durch landesseitige Differenzierung in der Finanzausstattung der Kommunen gefährdet werden, denn die Kreise und kreisangehörigen Bereiche sind eine kommunale Einheit. 35. Nur dann kann die Leistungsfähigkeit das maßgebliche Abgrenzungskriterium für Aufgaben zwischen Kreis und Gemeinden (§ 2 Kreisordnung) und damit zugleich das verbindende Element gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen sein und bleiben.6. Die Kreisumlage ist die unabdingbare Grundlage für die Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion der Kreise und darf nicht zur Finanzierung von staatlichen Aufgaben “missbraucht“ werden.7. Die Ergänzungs-, Ausgleichs- und Förderfunktion (§ 20 Kreisordnung) erhält angesichts der aktuell drängenden Aufgaben eine noch stärkere Bedeutung. Die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik und die Herausforderungen des demografischen Wandels können von Gemeinden, Städten und Ämtern allein nicht bewältigt werden, sondern bedürfen der koordinierenden Mitwirkung der kreislichen Selbstverwaltung.8. Die gleichmäßige Versorgung und Betreuung der Einwohnerinnen und Einwohner (§ 20 Abs. 3 Kreisordnung) kann angesichts des demografischen Wandels nur gelingen, wenn die Kreise diese Herausforderung als ihre eigene Aufgabe begreifen, über eine adäquate Finanzausstattung verfügen und in enger Abstimmung mit den Gemeinden konkrete Lösungen entwickeln. Alle Kreise sind aufgefordert, im Zusammenwirken mit den kreisangehörigen Kommunen entsprechende Konzepte im Erfahrungsaustausch mit anderen Kreisen zu entwickeln. Beispielhaft sind dies Katastrophenschutz, Feuerwehr, Rettungsdienste, Regionale Bildungszentren, Kita - und Schulentwicklungsplanung, Kinder- und Jugendarbeit, Sport, Kultur, Unterstützung ehrenamtlicher Einrichtungen, ÖPNV/Infrastruktur, Abfallbeseitigung und Breitbandversorgung. 4 II Migrationsleistung der Kreise1. Wir bekennen uns zu unserer Verantwortung, Flüchtlingen Schutz und Sicherheit zu gewähren sowie eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten. Wir verurteilen physische wie verbale Gewalt und Anschläge auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte auf das Schärfste.2. Losgelöst von dem grundgesetzlich verankerten Asylrecht befürworten wir die aktuelle Diskussion über die Einführung eines Einwanderungsgesetzes - ausgerichtet an den Bedürfnissen der Bundesrepublik Deutschland.3. Die Kreispräsidenten befürworten, dass Verfahren, bei denen die Flüchtlinge kaum Aussicht auf Anerkennung eines Schutzstatus haben, zügig abgeschlossen werden. Die Rückführung muss sodann unverzüglich erfolgen. Dieses dient den Betroffenen selbst, denen eine lange Ungewissheit erspart wird. Es dient der Entlastung der Kommunen, denen sich in solchen Fällen Fragen der Unterbringung und Betreuung gar nicht erst stellen. Und es dient letztlich auch der Bewahrung des bürgerschaftlichen Engagements, das bei langer Betreuung und dann doch erfolgender Rückführung der betreuten Personen enttäuscht wird. (Forderung des Deutschen Landkreistages vom 28.07.2015)4. Die Kreispräsidenten sprechen sich für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer auf Albanien, Kosovo und Montenegro aus. Dies soll die Asylverfahren weiter beschleunigen. Die Bundesregierung ist zudem aufgefordert, auch vor Ort im Westbalkan die geringe Aussicht auf Anerkennung klarzustellen. (Forderung des Deutschen Landkreistages vom 28.07.2015)5. Denjenigen Flüchtlingen, denen eine Bleibeperspektive eröffnet worden ist, sind, nach Auffassung der Kreispräsidenten, schnelle und umfassende Integrationsmaßnahmen zu gewähren. Dies betrifft eine substanzielle Öffnung der Sprachkurse ebenso wie Maßnahmen zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt. Hierfür müssen sowohl die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen als auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. (Forderung des Deutschen Landkreistages vom 28.07.2015)6. Migrationsaufgaben und insbesondere die Integration der auf Dauer in Schleswig- Holstein lebenden Flüchtlinge sind eine kommunale Aufgabe. Die Kreise sind hier koordinierend gefordert und bilden das Bindeglied zwischen Gemeinden und Ämtern einerseits sowie Land und Bund andererseits. Nur im fairen und koordinierten 5 Zusammenwirken aller staatlichen und kommunalen Ebenen wird die Bewältigung dieser großen Herausforderung gelingen können.7. Die gestaltende Kraft der Migrationspolitik entwickelt sich in den Kommunen Schleswig-Holsteins. Denn nur das Zusammenwirken aller haupt- und ehrenamtlich organisierten Menschen in den Kommunen macht die langfristig positiven Effekte von Einwanderung erst möglich. Dort wo Menschen unmittelbar aufeinandertreffen, werden Handlungsbedarf und die Notwendigkeit praxistauglicher Ideen und deren Umsetzung sichtbar. Dabei nehmen die Kreise mit Ihren Aufgabenfeldern wie Kinder- und Jugendhilfe, Schulträgerschaft und Familienhilfe eine Schlüsselrolle ein.8. Die Integrationsherausforderungen der nächsten Jahre machen eine verstärkte kommunale Dialogstruktur mit den vorhandenen Kultur- und Religionsvereinen erforderlich. Nur durch die Bündelung und Zusammenarbeit aller haupt- und ehrenamtlich tätigen Menschen - unabhängig von deren Kultur- oder Religionszugehörigkeit - wird es gelingen, Vielfalt und Pluralität als Selbstverständlichkeit für die Basis unseres gemeinsamen Alltags in unseren Kreisen und Gemeinden erfolgreich auszubauen.