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Flemming Meyer: Stundenzettel sind keine Erfindung des Mindestlohngesetzes, sondern jahrzehntelange Praxis
Presseinformation Kiel, den 21. 5. 2015Es gilt das gesprochene WortFlemming Meyer TOP 21 u. 45 Bürokratiekosten für Schleswig-Holsteins Wirtschaft Drs. 18/2897, 2975Stundenzettel sind doch keine Erfindung des Mindestlohngesetzes, sondern in den allermeisten Betrieben jahrzehntelange PraxisErst letzte Woche stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass auch im Krankheitsfall derMindestlohn zu gelten habe. Der Hintergrund: eine Mitarbeiterin einerWeiterbildungseinrichtung war erkrankt und ihr Arbeitgeber wollte ihr für die Stunden, die siekrankheitsbedingt nicht arbeiten konnte, nur einen niedrigeren, betriebsgebundenenFantasielohn zahlen. Das ist die Realität in Deutschland. Betriebe versuchen den Mindestlohn zuunterlaufen. Ohne Dokumentationspflicht können sie das auch. Darum führt an derDokumentation der Arbeitsstunden auch kein Weg vorbei.Aus diesem Einzelfall aus Niedersachsen kann man keinen Generalverdacht gegen alleArbeitgeber konstruieren, aber man kann im Gegenzug eben auch nicht davon ausgehen, dassmit der Einführung des Mindestlohnes nun automatisch alle Arbeitgeber Mindestlohn zahlen.Darum brauchen wir die Dokumentationspflicht, die übrigens so neu gar nicht ist. Stundenzettelsind doch keine Erfindung des Mindestlohngesetzes, sondern in den allermeisten Betrieben 2jahrzehntelange Praxis. Es gibt also gar kein Bürokratiemonster, das der Mindestlohn ersterschaffen hat. Das mag in Fernsehtalkshows ziehen, aber diese Nummer hat mit der Realitätunserer Betriebe herzlich wenig gemein. Ich halte es für Panikmache, wenn sich derGeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA, Stefan Scholtis, schon dreiWochen nach Einführung des Mindestlohns im Januar in der Zeitung mit den Worten zitierenlässt, dass die Betriebe nicht mehr zum Kerngeschäft kämen. Ich warne vor so einer Panikmacheund Hysterie, weil sie absolut kontraproduktiv ist. Der Mindestlohn gefährdet mitnichten dasKerngeschäft der gastronomischen Betriebe. Das tut nur ein schlechter Service. So wird ein Schuhdaraus.Wenn Scholtis im gleichen Atemzug meint, dass neuerdings auch die Pausen festgehaltenwerden müssten und es demzufolge nicht mehr möglich sei, in Spitzenzeiten das Abbummelnvon Pausen auf die Folgetage zu verschieben, ohne das Risiko einer Falschaufzeichnungeinzugehen, dann merkt man, woher der Wind weht. Das angebliche BürokratiemonsterMindestlohn muss also dafür herhalten, um die schlechten Arbeitsbedingungen im Gastro-Bereich zu rechtfertigen. Pausen müssen aber sein!Die Dokumentationspflicht könnte für höhere Gehaltsstufen aufgehoben werden bzw. dieGrenzen gesenkt werden. Aber auch für diese Maßnahme sollten wir erst einmal ein Jahr langsehen, wie sich die bürokratische Belastung tatsächlich entwickelt. Es wird nicht immer alles soheiß gegessen wie es gekocht wird.Auf der Tariftreue-Landkarte der Hans-Böckler-Stiftung ist Schleswig-Holstein das einzige Land,das die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an einen Lohn jenseits der 9-Euro-Grenze ansiedelt.Nordrhein-Westfalen liegt bei 8,85€, Rheinland-Pfalz bei 8,90€; alle anderen Bundesländerhaben den Mindestlohn von 8.50€ in ihren Tariftreue-Regelungen. Alle, bis auf Bayern undSachsen, die beide meinen, ganz ohne Tariftreue auskommen zu können. Schleswig-Holstein hatmit 9,18€ bundesweit einen hohen sozialen Standard erreicht, den wir verteidigen sollten.Die Landesregierung steht im Dialog mit den Betrieben und ist bemüht, Belastungen zuminimieren. Hinter dem Kulissendonner der Lobbyverbände besteht nämlich tatsächlich Bedarfan vereinfachten Verfahren, zum Beispiel in der Baubranche. Dort gefährden mehrstufige 3Genehmigungsverfahren, die sich über Monate hinziehen, die Verwirklichung einesBauvorhabens und damit echte, handfeste Arbeitsplätze. Hier sind die Kommunen gefragt, dieauch schon viele Erleichterungen geschaffen haben. Auch die Landesregierung kann hier einigesbewegen.Von einer so genannten Bürokratiebremse nach dem Motto: „Eins rein – Eins raus“ halte ich garnichts. Sie ist eine Selbstverpflichtung, wonach jedes Ministerium im gleichen Maße, in dem esdurch neue Regelungen Belastungen für die Wirtschaft aufbaut, an anderer Stelle Belastungenabbaut. Wenn man es aber mit dem Bürokratieabbau ernst nimmt, müssten alle entbehrlichenBelastungen für die Wirtschaft abgebaut werden, unabhängig davon, ob eine neue Belastungdazu kommt.