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Ein riesiger Fortschritt in der Minderheitenpolitik unseres Landes
Presseinformation Kiel, den 08. Oktober 2014Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 2 Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Drs. 18/2115, 18/2116, 18/2268, 18/196, 18/2327 „Wir erhalten eine Landesverfassung, die echt Schleswig-Holsteinisch ist, die minderheitenpolitische Meilensteine setzt und die den Bürger noch mehr in die Mitte allen staatlichen Handelns setzt.“Schon in der letzten Debatte zur Landesverfassung habe ich deutlich gemacht, dass esein gutes Zeichen ist, dass dieser Landtag trotz aller tagespolitischen Kontroversen einegemeinsame Haltung zu grundlegenden gesellschaftspolitischen Themen erarbeitenkonnte. Für diese konstruktive Zusammenarbeit möchte ich allen Fraktionen in diesemHohen Hause danken.Wie Sie sich sicherlich noch erinnern können, war dies nicht immer so inverfassungsrechtlichen Fragen. Kurz nach der Jahrtausendwende scheiterte eine 2Enquetekommission daran, hier bahnbrechende Änderungen in der Landesverfassungumzusetzen, weil es zwar viele gute Vorschläge gab, aber eben auch kaum 2/3-Mehrheiten für diese Vorschläge. Aber auch in Einzelfragen konnte oft lange nicht eingemeinsamer Konsens erarbeitet werden, wenn wir zum Beispiel an die Aufnahme derSinti und Roma in den Minderheitenartikel der Verfassung denken. Vor diesemHintergrund hat der Sonderausschuss Verfassungsreform eine große Aufgabeübernommen und sie – nach unserem Empfinden – sehr gut gelöst.Wir haben heute einen fast ausschließlich konsensualen Änderungsvorschlag für eineneue Verfassung vorliegen. Einzig und allein über den Gottesbezug konnte man sichnicht einigen und ich glaube auch, dass es richtig ist, es hier jedem Abgeordneten undjeder Abgeordneten freizustellen, wie man es mit dem Gottesbezug hält. Grundsätzlichhätte ein Gottesbezug in der Verfassung erst einmal kaum rechtliche Auswirkungen.Der Hinweis auf Gott als begrenzende Größe menschlichen Handelns ist erst einmalrechtlich folgenlos. Man drückt hier nur die Verantwortung aus, die man alleine oderals Kollektiv empfindet. Im Gegensatz zu anderen Formulierungen in der Präambel, diedavon sprechen, dass man den Willen zu etwas hat oder man bestrebt ist, etwas zutun, hat die Formulierung „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ erst einmalnur deklamatorischen Charakter.Will man die Begrenztheit menschlichen Handelns ausdrücken, was ja von vielen insFeld geführt wird, könnte man dies auch tun, indem man es genauso dann auchformuliert. Man hätte dann auch sagen können, „im Bewusstsein der Begrenztheitmenschlichen Handelns“. Rechtlich und inhaltlich wäre es dasselbe gewesen wie einGottesbezug. Dass nun vehement darum gerungen wird, einen Gottesbezug in die 3Verfassung aufzunehmen zeigt, dass es um mehr geht als nur diese rechtlich-inhaltliche Frage. Und das stelle ich ohne einen kritischen Unterton fest. Es gehtdarum, diesen Teil unserer gesellschaftlich-kulturellen Wurzeln besondershervorzuheben. Das ist legitim, aber das führt dann eben auch zu unterschiedlichenHaltungen zum Gottesbezug. Im wahrsten Sinnen des Wortes wird dies dann zu einerGlaubensfrage.Derjenige der sich aus Glaubensgründen für einen Gottesbezug ausspricht, hat guteGründe. Für einen Christ und modernen Mensch gehört der Gottesbezug als Grundlagedes humanitären und philosophischen Erbes in die Landesverfassung. Für einengläubigen Menschen ist, der Glaube und das Christentum der Grundstein für unsereKulturen und kann somit auch unser Handeln erklären. Das ist eindeutig.Genauso eindeutig ist es auch, wenn andere Menschen unser geistiges undhumanitäres Erbe eben nicht nur aus dem Christentum heraus erklären, sondern auchdie Aufklärung und die bewusste Emanzipation vom Glauben als gleichwertigeGrundlage für unsere Kultur anführen. Mancher wird sogar sagen, dass religiöseAuseinandersetzungen bis in die heutige Zeit hinein nicht nur positiv auf die Weltgewirkt haben.Sie können also sehen, dass es für beide Seiten – für die Befürwortung und für dieAblehnung eines Gottesbezuges – gute Argument gibt. Für uns als SSW istentscheidend, dass es sich bei dieser Frage eben nicht nur um eine rechtliche Fragehandelt oder um die Frage, wie man die Begrenztheit menschlichen Handelnsbeschreibt, sondern eben auch darum, ob ein Gottesbezug in besonderer Weisehervorgehoben werden soll. Und dies muss jeder Einzelne für sich selbst beantworten. 4Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass eine Präambel ohne einen Gottesbezug nichtswert sei. Im Gegenteil. Die intensiven Debatten um den Gottesbezug zeigen doch, wiewertvoll eine Präambel ist. Und dadurch, dass so intensiv über den Gottesbezug unddie Präambel gestritten wird, erhöht sich sozusagen auch der Wert derjenigenFormulierungen, die wir im Konsens für die Präambel gefunden haben. DieseFormulierungen sind wichtig für die Auslegung von Gesetzen und Rechtsetzungen undsie können auch Gesetze schon in ihrer Entstehung beeinflussen. Formulierungen wie„in dem Willen, Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität auf Dauer zu sichern undweiter zu stärken“ oder „bestrebt durch nachhaltiges Handeln die Interessengegenwärtiger wie künftiger Generationen zu schützen“ oder „in dem Willen, diekulturelle und sprachliche Vielfalt in unserem Land zu bewahren“ geben dieGrundlinien unseres politischen und gesellschaftlichen Handelns vor. Sie zeigen somit,auf welchen Fundament unser Schleswig-Holsteinisches Staatswesen aufgebaut istund dass wir diese Grundlagen stärken und bewahren wollen. Nach den vergangenenDebatten über die Präambel wirken diese Bestimmungen umso stärker.Einige dieser Bestimmungen haben für den SSW eine besondere Bedeutung. Da ist zumeinen der Hinweis auf unsere eigene Geschichte, die nicht nur die Eigenständigkeit undEigenstaatlichkeit des Landes Schleswig-Holstein ausdrückt, sondern eben auch einHinweis auf die deutsche, die dänische und die friesische Geschichte ist, die jeweilsTeile unseres Landes besonders geprägt haben. Hier wird ein erster Bezug zurMinderheitenpolitik deutlich, der noch deutlicher in der schon erwähnten Bestimmungzur kulturellen und sprachlichen Vielfalt hervortritt. Es ist das erste Mal in derGeschichte unseres Landes, dass wir uns darauf verständigen, dass die verschiedenen 5Kulturen und Sprachen der Deutschen, der Dänen, der Friesen und der Sinti und Romagemeinsam von Mehrheit und Minderheiten bewahrt werden sollen. Was sich solapidar anhört, wäre in manchen Gegenden Europas immer noch völlig undenkbar. Undsomit schreiben wir hier schon etwas Geschichte, wenn wir diese gemeinsameVerantwortung für unsere heimischen Sprachen und Kulturen in der Präambelfestschreiben.Minderheitenpolitisch herausragend sind sicherlich auch die Bestimmungen zumMinderheitenschulwesen und zur Sprachförderung in öffentlichen Schulen. Dass dieBeratungen zur Landesverfassung dazu geführt haben, dass es wieder einen Konsens inBezug auf die Finanzierung der dänischen Schulen gibt, freut uns natürlich ungemein.Wir haben in der Begründung zur Verfassungsänderung deutlich gemacht, dass derArtikel zur Finanzierung der dänischen Schulen auf der Berechnungspraxis beruht, dieschon im neuen Schulgesetz niedergelegt ist. Somit ist klar, worum es sich dreht. Klarist aber jetzt auch, dass die dänischen Schulen die Schulen sind, die für den dänischenBevölkerungsteil zuständig sind. Sie sind somit die öffentlichen Schulen des dänischenBevölkerungsteils und damit auch den öffentlichen Schulen gleichzustellen. Dass diesendlich in der Verfassung festgelegt worden ist, ist ein riesiger Fortschritt in derMinderheitenpolitik unseres Landes.Ein ähnlich großer Erfolg ist es, dass auch die Erteilung von Friesischunterricht für diefriesische Minderheit geschützt und gefördert werden soll. Hier wird zum ersten Malper Landesverfassung eine konkrete Verantwortung für die friesischen Minderheitübernommen, die über die allgemeine Zielsetzung im ehemaligen Artikel 5 hinausgeht.Hier erhoffen wir uns ganz einfach auch einen Schub für die friesische Spracharbeit, 6ähnlich wie er für das Niederdeutsche in den Schulen erfolgt ist, dass ja ebenfalls nunauch Anspruch auf Schutz und Förderung in der Schule hat. Es wird jetzt ganzbesonders darauf ankommen, dass auch dieser Teil der Landesverfassung in Zukunftgelebt wird und mehr Angebote, die friesische Sprache in der Schule zu erlernen,geschaffen werden. Hier gibt es jetzt einen konkreten politischen Handlungsauftrag,den wir in den nächsten Jahren ausfüllen müssen.Aus minderheitenpolitischer Sicht hat sich die Verfassungsreform gelohnt und auch,wenn ich mir die anderen Bestimmungen in der Landesverfassung ansehe, die wir neuoder geändert einfügen, kann man - glaube ich - mit Fug und Recht von einererfolgreichen Reform sprechen. Wir heben die Inklusion von Menschen mitBehinderungen in den Verfassungsrang, wir stärken die Rechte des Landtagesgegenüber der Landesregierung, wir erleichtern die Mitbestimmungsrechte der Bürgerin Abstimmungen, wir verbessern die Transparenz des Staates gegenüber seinenBürgern und wir schaffen einen erleichterten Zugang der Bürger zu den Behörden undGerichten. Damit wird die Landesverfassung auch zu einer Verfassung, die wesentlichmehr Bürgernähe ermöglicht als bisher. Egal also, wie wir uns heute zum Gottesbezugin der Landesverfassung stellen. Wir werden auf jeden Fall eine Landesverfassungerhalten, die echt Schleswig-Holsteinisch ist, die minderheitenpolitische Meilensteinesetzt und die den Bürger noch mehr in die Mitte allen staatlichen Handelns setzt. DieReform der Landesverfassung war deshalb ein Erfolg für alle Bürger.