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24.01.14 , 11:22 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Es gilt das gesprochene Wort! Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
TOP 25 + 30 – Arbeitnehmerfreizügigkeit Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Dazu sagt die Vorsitzende Mobil: 0172 / 541 83 53 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Eka von Kalben: Nr. 032.14 / 24.01.2014



Wie lange wollen die PopulistInnen den Blick auf die Realität in unserem Land verweigern?
Es ist noch nicht allzu lange her, da füllten sich die Kommentarseiten der Zeitungen mit der – ich bin geneigt zu sagen euphorischen – Begrüßung junger ZuwandererInnen. Die starke Konjunktur und der demographisch bedingte Fachkräftemangel waren willkomme- ne Argumente für PolitikerInnen, um Sprach- und Integrationskurse zu fordern, um die europäische Idee zu preisen und um sich als BekämpferInnen der europäischen Ju- gendarbeitslosigkeit zu profilieren.
Begrüßt wurden damals junge Frauen und Männer aus Spanien und Griechenland, Itali- en und Frankreich.
Wie schnell sich diese gelebte Willkommenskultur in ihr genaues Gegenteil verwandeln kann, haben wir alle in den vergangenen Wochen leidlich erfahren müssen.
Wahrlich erleiden mussten diesen Wandel jedoch jene EuropäerInnen, die sich von der Schwarzmeerküste aus auf den Weg nach Deutschland gemacht haben und noch ma- chen. BulgarInnen, RumänInnen und auch Roma aus beiden Ländern.
Wir mussten erfahren, wie PopulistInnen versuchten, aus unterschwelligen Ängsten poli- tisches Kapital zu schlagen. Wir haben erlebt, wie versucht wurde EU-BürgerInnen ihre angestammten Rechte streitig zu machen.
Wir mussten zusehen, wie Minderheiten, denen wir hier in Schleswig-Holstein ein be- sonderes Schutzrecht in der Landesverfassung zugesprochen haben, den Sinti und Ro- Seite 1 von 3 ma, mit einem Generalverdacht begegnet wurde, in dem ihnen die Integrationsbereit- schaft grundsätzlich abgesprochen wurde.
„Wer betrügt, der fliegt“ meine Damen und Herren. So hieß es in den vergangen Wochen gerne aus Richtung des blau-weißen Südens.
Doch wen meinen die eigentlich, wenn sie so vor sich hin schwadronieren? PlagiatorIn- nen und SteuerhinterzieherInnen meinen sie ganz offensichtlich nicht. Ob sie die jungen Menschen aus Spanien meinten, glaube ich auch nicht. Ich warne deshalb eindringlich: Hier wird am offenen Herzen der europäischen Idee herumgestümpert.
Zu den Fakten: Gerade eine Politik der nüchternen Argumente darf die Augen vor exis- tenten Problemen und Missständen bei der Zuwanderung aus Südost-Europa nicht ver- schließen. Es gibt einige, wenige Kommunen, in denen die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien die Maske der Armut trägt. Nicht selten ist davon die Minderheit der Ro- ma betroffen.
Dieser Armut muss entschieden entgegen getreten werden Gemeinsam mit dem Euro- päischen Sozialfonds, der jeweiligen Kommune und den Betroffenen muss eine gezielte Förderung und Integrationshilfe entwickelt und installiert werden.
Der eigentliche Skandal der letzten Wochen ist doch, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Menschen aus Bulgarien und Rumänien erst zu Beginn dieses Jahres weggefal- len ist. Sieben Jahre nach dem Beitritt der beiden Länder in die Europäische Union. Denn diese Übergangsregelung hat dafür gesorgt, dass die meisten auswanderungsbe- reiten Menschen der beiden Länder bereits eine neue Heimat bei einem unserer europä- ischen Nachbarn gefunden haben.
Und das heißt auch. Auf deren Arbeitskraft und Engagement, auf deren Know-how wird andernorts zurückgegriffen. Nicht hier bei uns. Unzählige Polinnen und Polen etwa ha- ben ihren Weg nach England gefunden, als sie an der deutschen Grenze noch Be- schränkungen vorfanden. Gerade weil die Sprachbarriere in England geringer ist, muss Deutschland im Wettbewerb um Fachkräfte mit einer besonderen Willkommenskultur aufwarten. Ich plädiere deshalb für ein Ende der Beschränkungspolitik bei der Arbeit- nehmerfreizügigkeit. Bei allen zukünftigen Mitgliedern der Europäischen Union, und auch bei Kroatien.
Doch nicht nur das: Auch das abfällige Bild vom Sozialtourismus, der Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme und auch das der Armutszuwanderung ist schlicht falsch und hat mit der alltäglich erlebten Realität in unserem Land nichts zu tun. Es ist ja nicht nur so, dass die Bundesrepublik den größten Zustrom an ÄrztInnen in den vergangen Jahren aus Rumänien erlebt hat. Auch liegt der Anteil der MitbürgerInnen aus Bulgarien und Rumänien, die in Deutschland auf soziale Mindestsicherung angewiesen sind, unter dem des Bevölkerungsdurchschnitts.
Die große Mehrheit, so besagen es aktuelle Zahlen des statistischen Bundesamtes, ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur wirt- schaftlichen Stabilität des Landes und der Stabilisierung der Sozialsysteme – gerade im Bereich der Pflege.
Mit Blick auf all diese Fakten frage ich mich: Wie lange wollen die PopulistInnen den Blick auf die Realität in unserem Land verweigern?

2 Diejenigen EuropäerInnen, die trotz der Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit in den vergangenen Jahren zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind, wurden häufig genug mit unsozialen und halbgaren Lösungen abgespeist. Denn die Einschrän- kung der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat viele Menschen aus Osteuropa gezwungen, über den Umweg der Scheinselbstständigkeit in den deutschen Arbeitsmarkt zu gelangen. Das hat zu Verwerfungen geführt.
Die Folgen waren Lohndumping auf der einen und ausbleibende Beiträge in die Sozial- versicherungen auf der anderen Seite. All dies häufig zum Nachteil aller ArbeitnehmerIn- nen
Nur mit der uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit lassen sich arbeitsmarktpoliti- sche Verwerfungen verhindern. Nicht umgekehrt. Das Credo kann nur sein: Mehr Frei- heit.
Die Europäische Union ist eine Union der Freiheit. Der Wunsch, Freiheit gemeinsam und länderübergreifend zu leben, macht den Kern der europäischen Idee aus. Wir Grüne kämpfen für die größtmögliche Freiheit jedes Einzelnen. Deshalb stehen wir zur Europäi- schen Union und deshalb gehen wir allen BürgerInnen der EU, die den abenteuerlichen Weg des Neuanfangs in einem fremden Land bestreiten, mit offenen Armen entgegen. Und deshalb, hier stellvertretend für alle Nationen: Liebe MitbürgerInnen aus Spanien und Bulgarien, Rumänien und Dänemark. Liebe KroatInnen, liebe Sinti und liebe Roma. Ich freue mich, dass Sie nach Deutschland kommen und hier ihr Glück suchen. Herzlich Willkommen!

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