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22.01.14 , 12:39 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Erster Schritt zur Sicherung der kulturellen Eigenständigkeit des Friesischen über das Bildungssystem

Presseinformation Kiel, den 22.01.2014

Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 5, 34, 38+39 Änderung des Schulgesetzes u.a. Drs. 18/1124, 1451 u.a.

„Erster Schritt zur Sicherung der kulturellen Eigenständigkeit des Friesischen über das Bildungssystem“

Als vergleichsweise neue Bildungspolitikerin hier im Landtag muss ich wohl langsam
akzeptieren, dass mich gar nichts mehr wundern darf. Zumindest nicht in der schulpolitischen
Auseinandersetzung und bei den hier gewählten Mitteln. Hierzu zähle ich ausdrücklich die
FDP-Pressemitteilung vom vergangenen Mittwoch, in der behauptet wird, dass „SPD, Grüne
und SSW so sicher sind, dass sie es bildungspolitisch besser wissen als die schulischen Akteure
vor Ort, dass sie diese Besserwisserei jetzt in Gesetzesform gießen wollen“. Hier wird einfach
mal so getan, als hätte man von unserem Einsatz für mehr Beteiligung, als hätte man vom
Bildungsdialog und von den verschiedenen Veranstaltungen in diesem Rahmen noch nie etwas
gehört.


Auch wenn mir dafür jegliches Verständnis fehlt: Man kann sich natürlich das Leben leicht und
den von uns initiierten Dialogprozess schlicht ausblenden. Oder man erklärt ihn einfach immer
wieder zur Farce oder zur „leeren Worthülse“. Das ist für manche ganz offensichtlich eine echte 2
Option. So viel habe ich schon mal gelernt. Wenn man aber noch dazu behauptet, wir würden
Besserwisserei in Gesetzesform gießen, dann wird für mich schon eine Grenze überschritten.


Erlauben Sie mir hier einen kleinen Hinweis: Es ist nicht lange her, da war die FDP in Schleswig-
Holstein für das Bildungsressort verantwortlich. Und weder der Regierungsstil der FDP noch
der ihres Partners war von einer regen Beteiligung der Betroffenen geprägt. Dies gilt ganz
besonders für die schulischen Akteure vor Ort. Denn wenn ich mit den Leuten an den Schulen
spreche, wird ein Punkt immer wieder deutlich: Von einer so umfassenden Beteiligung wie im
Rahmen unseres Bildungsdialogs konnten diese Menschen damals nur träumen. Tatsache ist:
Während wichtige, aber womöglich unangenehme Interessengruppen einfach von runden
Tischen ausgeschlossen wurden, haben heutzutage alle die Möglichkeit, sich einzubringen.


Auch wenn ich mich hier wiederhole: Wir haben den Bildungsdialog und das
Anhörungsverfahren zu unserem Schulgesetz sehr wohl zum Anlass für konkrete
Veränderungen genommen. Im Laufe dieses rund 1-jährigenVerfahrens wurden viele Einwände
gehört und auch berücksichtigt. Hier lässt sich zum Beispiel das flexibilisierte Einschulalter
nennen. Klar ist, dass Eltern, Lehrer, Schülervertreter, Gewerkschafter und viele andere
Betroffene die Gelegenheit genutzt haben, um konstruktiv an diesem Entwurf mitzuarbeiten.
Natürlich kann in diesem Prozess nicht jede Einzelmeinung voll berücksichtigt werden. Das
liegt ganz einfach in der Natur der Sache und wird auch von fast allen so verstanden.


Die letzte Woche hat es deutlichgezeigt: Anstatt sich im Verlauf konstruktiv zu beteiligen,
ziehen es CDU und FDP vor, populistische Gegenanträge zu stellen. Ich kann in der Kritik an
unserem Gesetzentwurf und in den genannten Gegenentwürfen beim besten Willen nichts
inhaltlich Neues erkennen. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass man unter dem Deckmantel
der Freiheit und Eigenverantwortung zurück will zum bildungspolitischen Chaos vergangener
Tage. Ich meine, wir sollten aus der Vergangenheit lernen und dringend dafür sorgen, dass
Verantwortlichkeiten klar verteilt sind. Ich will nicht, dass das Bildungsministerium einfach die 3
Fäden aus der Hand gibt. Wer alles an die Schulen delegiert, macht es sich viel zu leicht. Und so
etwas wäre auch deshalb kaum in ihrem Sinne, weil hierdurch Chaos gestiftet wird, das
unweigerlich zu großer Überforderung vor Ort führen würde.


Sehr viele Menschen haben mir bestätigt, dass sie sich auf dem Weg zu einem neuen
Schulgesetz mitgenommen fühlen. Natürlich können nicht sämtliche Probleme auf einen
Schlag gelöst werden. Aber heute haben wir in jedem Fall ein Gesetz, das die Schulbildung in
Schleswig-Holstein neu definiert. Aus Sicht des SSW ist ein ganz entscheidender Punkt dabei,
dass es sich hier eben nicht um ein weiteres ideologisches Konstrukt handelt. Dieser Entwurf
ist nach meiner Überzeugung Ausdruck einer konsequenten Orientierung an der
Chancengleichheit für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Sie sind die Gewinner -
und darüber freue ich mich ausdrücklich!


Die Kernpunkte des neuen Schulgesetzes wurden hinlänglich diskutiert: Ich will deshalb nur in
aller gebotenen Kürze festhalten, dass wir auf ein zeitgemäßes Zwei-Säulen-Modell aus
Gymnasium und Gemeinschaftsschule setzen. Hier sollten sich weder CDU noch FDP etwas
vormachen: Dieses Modell entspricht dem Wunsch sehr vieler Schülerinnen und Schüler sowie
der Lehrkräfte im Land. Sogar dem weit überwiegenden Teil. Fakt ist: Damit modernisieren wir
unser Schulsystem, ohne bewährte Strukturen zu zerschlagen.


Meine Damen und Herren: Übergeordnetes und damit absolut wichtigstes Ziel der rot-grün-
blauen Bildungspolitik ist es, wirklich jeder Schülerin und jedem Schüler den jeweils besten
Abschluss zu ermöglichen. Dies muss völlig unabhängig vom finanziellen und sozialen Status
der Eltern gelten. Dies wird mit dem neuen Schulgesetz möglich. Eltern können in Zukunft auf
Basis einer umfassenden Beratung selbst entscheiden, welche weiterführende Schule ihre
Kinder besuchen sollen. Dies wird nicht länger vorgeschrieben. Sie entscheiden, ob es das
Gymnasium oder die Gemeinschaftsschule sein soll. Sie entscheiden, ob ihr Kind nach
Möglichkeit 12 oder 13 Jahre zur Schule gehen soll. Beide Arten von Abitur sind gleichwertig. 4
Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass starke Gymnasien neben gestärkten
Gemeinschaftsschulen mehr Schülerinnen und Schüler an einen höheren Bildungsabschluss
heranführen werden als bisher. Und diese zukunftsfesten Strukturen führen zu weit mehr
Planungssicherheit für alle Beteiligten.


Erlauben Sie mir gegen Ende noch einen Blick auf die finanziellen Aspekte des neuen
Schulgesetzes. Denn es freut mich außerordentlich, dass es gelungen ist, die massiven und
einseitigen schwarz-gelben Einsparungen im Bildungsbereich auszugleichen. Die Berechnung
der Schülerkostensätze ist endlich transparent und für alle Betroffenen nachvollziehbar. Dabei
dürfte allen klar sein: Für die Einrichtungen, für die diese Umstellung mit Nachteilen
verbunden ist, greifen Übergangsregelungen. Damit werden insbesondere die deutschen
Schulen in freier Trägerschaft, die unsere Bildungsvielfalt bereichern und einen sehr guten Job
machen, deutlich stärker gefördert.


Doch wie schon in vergangenen Debatten erwähnt, hat die Finanzierung für Schulen in freier
Trägerschaft auch eine große minderheitenpolitische Bedeutung. Denn mittlerweile sind wir
endlich zu einer gerechten Finanzierung der dänischen Schulen zurückgekehrt. Und dies
geschieht, wie Sie sicher wissen, auf genau derselben Grundlage, wie die Förderung der freien
Schulen. Wenn es um die Finanzierung der dänischen Schulen geht, muss eins klar sein: In
diesem Punkt trägt das Land Schleswig-Holstein eine ganz besondere Verantwortung. Denn
diese Schulen sind nun mal die Regelschulen für die dänische Minderheit. Nicht mehr und nicht
weniger. Und der dänische Schulverein erfüllt ganz klar einen Gewährleistungsauftrag, der
sonst vom öffentlichen Schulsystem zu erfüllen wäre. In der Konsequenz heißt das: Ohne
dänische Schulen müsste die Beschulung der Kinder der dänischen Minderheit mit Unterricht
in dänischer Sprache im öffentlichen Schulsystem erfolgen. Aus diesem Grund ist die jetzt
erreichte Gleichstellung mit den öffentlichen Schulen nicht nur rechtlich geboten und
bildungspolitisch sinnvoll, sondern schlicht und einfach gerecht. 5
Doch auch in Bezug auf den Schutz und die Förderung des Friesischen, wie es in unserer
Landesverfassung in Artikel 5 festgehalten ist, leistet dieses Schulgesetz einen ganz
wesentlichen Beitrag. Denn wie Sie sicher wissen, bildet die Landesverfassung, in der dieses
Staatsziel seit 1990 aufgenommen ist, nur eine Art Rahmen. Einen Rahmen, in dem wir diesen
Anspruch auf Schutz und Förderung über konkrete Gesetze sicherzustellen haben. Eine solche
Konkretisierung, wie in unserem Schulgesetz, ist also nicht nur wichtig, sondern nach fast 25
Jahren auch längst überfällig! Die von uns gewählte Formulierung ist ein erster und sehr
bedeutsamer Schritt. Bedeutsam ist er schon deshalb, weil wir damit zum ersten Mal seit 60
Jahren eine Basis dafür geschaffen haben, dass kulturelle Eigenständigkeit auch über das
Bildungssystem sichergestellt werden kann.


Lassen Sie mich abschließend noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen: Wir wissen, dass ein
neues Schulgesetz nicht alle Herausforderungen des Schulalltags lösen kann. Uns ist völlig klar,
dass es noch eine Menge zu tun gibt. Kein Zweifel: Der angefangene Dialog mit allen
Beteiligten muss weitergehen. Wir wollen auch in Zukunft gemeinsam mit den
Verantwortlichen, mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrern die passenden
Antworten auf die vielen bildungspolitischen Fragen der Zukunft finden.

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