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Lars Harms zu TOP 11 - Gesetzentwurf zur Abschaffung der fünf-Prozent-Sperrklausel bei Landtagswahlen
Presseinformation Kiel, den 14.12.2012 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 11 Gesetzentwurf zur Abschaffung der fünf-Prozent-Sperrklausel bei Landtagswahlen Drs. 18/385Mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt die Fraktion der Piraten das Ziel einer Abschaffung der 5%-Hürde bei den Wahlen zum schleswig-holsteinischen Landtag. Die 5%-Hürde, die Sperrklauselfür kleinere Parteien gegen den Eintritt in die deutschen Parlamente, ist schon bei derGründung der Bundesrepublik und seitdem durchgängig umstritten gewesen. Der Versuch derEinführung einer solchen Sperrklausel in das Grundgesetz scheiterte 1948 im Hauptausschussdes Parlamentarischen Rates. Gleichwohl sind Anfang der fünfziger Jahre verschiedene Formenvon Sperrklauseln in die Wahlgesetze des Bundes und einiger Länder eingeführt worden. InSchleswig-Holstein wurde 1951 eine 7,5%-Klausel eingeführt, um den SSW aus dem Landtagfern zu halten. Diese Klausel wurde in einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichtsvom 5. April 1952 für verfassungswidrig erklärt. In der gleichen Entscheidung deutete dasBundesverfassungsgericht an, eine Quorum bis zu einer Höhe von 5% für zulässig zu halten.Diese Beschränkung im Wahlrecht gilt seit der Wahlrechtsänderung von 1955 in Schleswig-Holstein, einschließlich einer Befreiung der Parteien der dänischen Minderheit von diesemWahlrechtseingriff. 2Aus Sicht des SSW ist die Sperrklausel in der Tat kritisch zu sehen; dies gilt erst Recht, wennman die neueren Entwicklungen, namentlich die Entscheidungen des schleswig-holsteinischenLandesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010 zur Mandatsberechnung im Landtag sowie desBundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2008 zu Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht und2011 zur Sperrklausel bei den Wahlen zum Europaparlament berücksichtigt. Der SSW hat inZusammenhang mit den Entscheidungen der Verfassungsgerichte immer grundsätzlichInitiativen zur Abschaffung der Sperrklausel ebenso wie eine deutliche Herabsetzung desQuorums nach dänischem Vorbild begrüßt.Die vom Landesverfassungsgericht geforderte strenge Wahlrechtsgleichheit kann unstreitigam besten erreicht werden, wenn die Sperrklausel vollständig abgeschafft würde; das hat auchnoch einmal das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. November 2011bestätigt. Auch eine deutliche Herabsenkung - in Dänemark gibt es beispielsweise eine 2%-Klausel - würde dem Gesichtspunkt der Wahlrechtsgleichheit dienen. DasBundesverfassungsgericht hat von Anfang an gesehen, dass derartige Klauseln in einerKonfliktlage zum Grundsatz der Gleichheit der Wahl stehen, und zwar sowohl, was deneinzelnen Wähler als auch was die Parteien angeht. Wählerstimmen werden bei Anwendungeiner solchen Klausel hinsichtlich ihres Erfolgswerts ungleich behandelt. Dennoch hat dasBundesverfassungsgericht über viele Jahre Fünf-Prozent-Klauseln sowohl für die Wahlen zumBundestag, zu den Landtagen, im Kommunalwahlrecht und hinsichtlich der Wahl zumEuropaparlament gebilligt.Die Anordnung einer Sperrklausel durch den Gesetzgeber bedarf nach ständigerverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu ihrer Rechtfertigung eines zwingenden Grundes.Das wäre die Funktionsfähigkeit des Parlamentes oder auch das Ermöglichen einer stabilenRegierungsmehrheit. Kein zwingender Grund ist der Wunsch bestimmten Parteien den Einzugin die Parlamente zu erschweren. Extremistische Parteien können nicht über das Wahlrecht 3bekämpft werden. Oft werden aber trotzdem noch die so genannten Weimarer Verhältnisseangeführt, um die 5%-Sperrklausel zu rechtfertigen. Aber ich glaube, dieser Vergleich hinkt.Erstens ist die Demokratie in unserem Land wesentlich gefestigter als noch vor 80 oder 90Jahren und zweitens zeigen auch gerade andere europäische Staaten mit einem bunterenParteienspektrum als bei uns - auch hier sei das Beispiel Dänemark mit 8 dänischen Parteienund weiteren 4 Parteien von den Färöern und Grönland im Folketing genannt - dass bei ihnendie Parlamente funktionsfähig sind. Und sehen wir uns unsere Kreistage an, so hat auch da dieAbschaffung der 5%-Klausel nicht die Funktionsfähigkeit der Vertretungen beeinträchtigt.In die Auseinandersetzung über Sperrklauseln ist in den letzten Jahren, nachdem dieDiskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Sperrklauseln nie verstummt ist,Bewegung gekommen. Im Jahre 2008 hat das Bundesverfassungsgericht aufgrund einesAntrages der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag die Fünf-Prozent-Klausel beiKommunalwahl für unzulässig erklärt. Im Jahre 2011 entschied es, dass der mit der 5-Prozent-Sperrklausel im Europawahlgesetz verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze derWahlgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien unter den gegebenenrechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen sei. Und somit kann mansich auch vorstellen, dass in Zukunft die Einschätzung von Verfassungsrichtern in Bezug aufLandtagswahlgesetze ähnlich sein könnten.Die Frage, wie weit eine Sperrklausel für die Wahlen zu einem Landesparlament und ganzkonkret zum Landtag in Schleswig-Holstein unter den gegebenen tatsächlichen undrechtlichen Verhältnissen noch zu rechtfertigen ist und zwar sowohl dem Grundsatz als auchder Höhe nach, ist auch und gerade im Lichte der Rechtsprechung sowohl desLandesverfassungsgerichts als auch des Bundesverfassungsgerichts durchaus ernsthaft zustellen. Und vor diesem Hintergrund erwarten wir spannende und ergebnisoffeneAusschussberatungen.