Wolfgang Baasch: Erhöhtes Armutsrisiko durch Arbeitslosigkeit
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 14. Dezember 2011TOP 59, Armuts- und Reichtumsberichterstattung – Bericht der Landesregierung (Drucksache 17/1215neu, 17/1850)Wolfgang BaaschErhöhtes Armutsrisiko durch ArbeitslosigkeitIch danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit für die Aufbereitung der Daten und Fakten des 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Der Bericht legt die vielen Facetten der Armut und des Armutsrisikos dar. Armut zeigt sich nicht nur am Mangel an Geld, sondern auch an mangelnder Teilhabe an zentralen Lebensbereichen wie Bildung, Erwerbsarbeit, gesundheitliche Versorgung, Wohnen und Kultur.Wenn in Schleswig-Holstein die Armutsrisikoquote im Jahr 2009 bei 15,9 Prozent lag und nur Hamburg und Bremen höhere Armutsrisikoquoten aufweisen, bedrückt uns das sehr ganz besonders die Situation von Kindern und Jugendlichen. Ca. 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland und davon 76.000 Kinder und Jugendliche allein in Schleswig-Holstein sind von Armut betroffen. Hier gibt es einen dringenden Handlungsbedarf. Der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur bei Kita und Schule, Investitionen in Bildung, gleiche Bildungschancen für alle und auch zusätzliche Geldtransfers sind wichtige Lösungsansätze. Bei der Suche nach Wegen für die Verringerung von Kinderarmut in Deutschland dürfen die Bereiche Geld und Infrastruktur nicht gegeneinander ausgespielt werden. Denn neben dem Ausbau der Betreuungsinfrastruktur könnte eine eigenständige Kindergrundsicherung ein wichtiger Schritt zur Verringerung der Kinderarmut sein.Da Kinderarmut immer auch Familienarmut bedeutet, ist die wirksamste Strategie gegen Kinderarmut, den Eltern eine existenzsichernde Arbeit zu gewährleisten. Dazu gehört eine familienbewusste und aktive Arbeitsmarktpolitik, die durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns untermauert werden muss. Dies ist besonders für Alleinerziehende und 2Menschen mit Migrationshintergund wichtig, die neben Erwerbslosen besonders von Armut gefährdet sind. Die Situation der Alleinerziehenden beleuchten wir auch noch intensiver durch die Große Anfrage meiner Fraktion.Arbeitslosigkeit stellt die wesentliche Ursache für ein erhöhtes Armutsrisiko dar. Für Lösungsansätze weist der Bericht der Landesregierung auf das Zukunftsprogramm Arbeit, mit dem Beschäftigung gesichert und ausgebaut werden soll. Es wird auf die Beschäftigungsfähigkeit eingegangen und auch auf die Betreuung und Förderung benachteiligter Jugendlicher, ebenso wie auf das Thema Fachkräftesicherung, das in der Zukunft eine zentrale Rolle in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik des Landes einnehmen soll.Was aber fehlt, ist die Feststellung, dass auf gar keinen Fall bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik gekürzt werden darf. Wenn das Armutsrisiko in erheblichem Umfang mit Arbeitslosigkeit korrespondiert, dann sind die Kürzungen der schwarz-gelben Bundesregierung im Rahmen der Instrumentenreform absolut kontraproduktiv. Durch diese Sozialkürzungen des schwarz- gelben Sparpaketes auf Bundesebene werden in der Förderung und Unterstützung von Langzeitarbeitslosen allein in Schleswig-Holstein 655 Millionen Euro in den Jahren 2012 bis 2015 fehlen. Das ist Politik, die nicht Chancen und Perspektiven eröffnet, sondern Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt und damit nicht das Armutsrisiko verringert.Der Bericht geht in seinem letzen Kapitel auf die Entwicklung von Reichtum und Vermögen in unserem Land ein. Die aktuelle OECD-Studie hat nun aufgezeigt, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland erheblich stärker gewachsen ist als in den meisten anderen OECD-Ländern. Eine wachsende Ungleichheit kann bedeuten, dass die Akzeptanz unserer demokratischen Gesellschaftsordnung und unserer Wirtschaftsordnung in Frage gestellt wird. Der soziale Zusammenhalt wird geschwächt. Um das zu verhindern, ist die Investition in Bildung und damit gleiche Bildungschancen für alle die wichtigste Voraussetzung.Zudem verpflichtet Reichtum zu sozialer Verantwortung. Das heißt für mich übersetzt: Der reiche Teil der Gesellschaft muss angemessen an den sozialen Aufgaben beteiligt werden. Das geht z. B. über das Steuerrecht, bei dem jeder nach seiner Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben beteiligt werden muss. Darum sind die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Abgeltungssteuer sowie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer notwendig.Der Bericht enthält viele Zahlen und Fakten, die beunruhigend sind und die uns zum Handeln auffordern. Die kommende Altersarmut, die Verschuldung und die aktuelle Wohnungsnot in einigen Städten wären noch anzusprechen. Und der Bericht ist noch um aktuelle Statistik-Daten 3zu ergänzen: „Todesursache Armut“ titelte gestern die SH-Landeszeitung. Reiche leben länger und arme Menschen haben eine geringere Lebenserwartung! Das ist ein alarmierendes, zum Handeln aufforderndes Signal!Wir müssen gemeinsam Lösungsansätze dafür finden und das am besten in allen Ausschüssen des Landtages.