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06.10.11 , 12:07 Uhr
SSW

Anke Spoorendonk zu TOP 7 - Rechtsextremismus

Presseinformation Kiel, den 5. Oktober 2011 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk

TOP 7 Rechtsextremismus Drs. 17/1444

Der Rechtsextremismus ist ein unausrottbares gesellschaftliches Phänomen. Immer wieder
gelingt es rechtsextremen und rassistischen Gruppen, neue Anhänger zu finden, die sich von der
Idee einer starken Volksgemeinschaft angezogen fühlen. Fremdenfeindlichkeit,
Autoritätsfixierung und Gewalt sind die Eckpfeiler einer ansonsten ideologisch überhaupt nicht
homogenen Bewegung; so nachzulesen in der Vorbemerkung des Innenministers zur Großen
Anfrage.


Diesem Gemischtwarenladen ist nach wie vor schwer beizukommen; vor allem, wenn man die
Tatsache berücksichtigt, dass die offene rechtsextreme Szene quasi nur die Spitze des Eisbergs
ist. Unter der Wasserlinie wuchert in allen sozialen Schichten generationsübergreifend eine
fremdenfeindliche, antidemokratische Haltung. Diese scheint aber offensichtlich nicht in die
Kompetenz des Innenministers zu fallen. Er fühlt sich dafür nicht zuständig, ihm geht es
ausschließlich um die „politisch motivierte Kriminalität“, so sein erster Satz. Zweifellos haben
Polizei und Verfassungsschutz durchaus solide Erfolge vorzuweisen: die rechtsextreme Szene in
Schleswig-Holstein steht unter genauer Beobachtung - rechtsextrem motivierte Straftaten 2
werden geahndet. Man kann sagen: Schleswig-Holstein ist kein bequemes Land für das
rechtsextreme Gesocks, es gibt bei uns - weder in den Städten noch auf dem flachen Land -
befreite Zonen oder rechtsextreme Hegemonien. Das sage ich hier ausdrücklich, denn wir sollten
im Landtag die braunen Parteigänger nicht hochreden, indem wir ausschließlich über ihr
Bedrohungspotenzial diskutieren; damit täten wir der Szene sogar noch einen Gefallen.
Schließlich jubelt sie nach öffentlichen Debatten regelmäßig in den entsprechenden
Internetforen über ihre vorgeblich große Bedeutung, die sie aber gar nicht hat.


Die rechtsextreme Szene in Schleswig-Holstein ist klein und wächst allem Anschein nicht.
Allerdings ist dieser Befund kein Grund, in den Bemühungen im Kampf gegen
Rechtsextremismus nachzulassen. Der Verfolgungsdruck muss aufrecht erhalten bleiben, weil
offensichtlich die rechtsextremen Vordenker keine andere Sprache verstehen.


Wir benötigen dafür unbedingt tragfähige, professionelle Strukturen zur Prävention. Der
Innenminister sollte sich dafür hüten, den ehrenamtlichen kriminalpolitischen Räten der
Kommunen die Hauptarbeit aufzubürden, nämlich die Auseinandersetzung mit rechtsextremen
Gedankengut und Veranstaltungen. Das ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und
eine Debatte, die unter anderen in Schulen und pädagogischen Jugendeinrichtungen zu führen
ist.
Polizei und Verfassungsschutz sind auf gute und regelmäßige Kontakte zu Schulen, Pädagogen
und auch Haftanstalten angewiesen; gerade auch, weil die rechtsextremen Aktionsformen sich
ständig verändern. Dass in der vorliegenden Antwort des Innenministers überhaupt nicht auf
diese wichtige gesellschaftliche Vernetzung der Polizei eingegangen wird, hängt vielleicht auch
damit zusammen, dass die Fragesteller danach nicht gefragt haben.


Außerdem geht es darum, die Nachwuchsrekrutierung der rechtsextremen Grüppchen zu
behindern, indem sie ihren Reiz verlieren, den sie besonders auf gewaltbereite junge Männer 3
ausübt, die nie gelernt haben, sich ohne Gewalt Respekt zu verschaffen. Sie bedienen sich des
simplen rechtsextremen Weltbildes, um Zugehörigkeit erleben zu können.


Pädagogen und Sozialarbeiter, die gegen rechtsextreme Einstellungen und Weltbilder bei
gefährdeten Jugendlichen vorgehen, fühlen sich oft im Stich gelassen. Mit diesen jungen
Männern - Mädchen sind hier in der absoluten Minderheit - zu arbeiten, bedeutet nämlich ein
jahrelanges, intensives Coaching, das den Rahmen eines broschürenproduzierenden Projektes
naturgemäß sprengt. Der Pädagoge Thomas Mücke berichtet in der aktuellen Ausgabe der
Zeitschrift für soziale Strafrechtspflege, wie langwierig die Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen
in Strafanstalten ist. Wenn aber jedes Jahr wieder für die Finanzierung gekämpft werden muss,
werden wichtige Ressourcen gebunden. Vielleicht vertraut der Innenminister darauf, dass die
bislang beobachtete Erneuerung der rechtsextremen Szene bald an ihre demografischen
Grenzen stößt. Das wäre auch ein Erfolg, wenn auch kein politischer.

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