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27.05.11 , 10:58 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 19 - Glücksspiel

Presseinformation Kiel, den 27.5.2011

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms

TOP 19 + 25 Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags, Neuregulierung des Glücksspiels: Kein schleswig- holsteinischer Alleingang – für ein schleswig-holsteinisches Spielhallengesetz Drs. 17/1453, 1480

Wir alle wissen, dass der geltende Glücksspielstaatsvertrag Ende dieses Jahres ausläuft und
damit eine Neuregelung des gesamten Glücksspielbereichs erfordert. Die Regelung für den
Teilbereich der Sportwetten, der bisher dem staatlichen Monopol unterliegt, hat der
Europäische Gerichtshof bereits im September 2010 als nicht europarechtskonform erklärt.
Begründet wurde das Urteil damit, dass „ein staatliches Monopol nur dann zulässig ist, wenn
es das Suchtpotential aller Spielformen gleichermaßen bekämpft.“ Wenn wir uns zum Beispiel
die wachsende Zahl von Spielhallen und die damit verbundene ungehinderte Verbreitung der
Spielautomaten vor Augen führen, kann diese Entscheidung also kaum jemanden verwundern.
Eine wirklich konsequente und kohärente Neuregelung kann daher im Grunde nur in folgende
Richtungen gehen: Entweder müssen sämtliche Spielformen vom Staatsvertrag umfasst und
das staatliche Monopol gestärkt werden, oder der Markt wird vollkommen für private Anbieter
geöffnet. Wir stehen also vor einer Weichenstellung in diesem Bereich und dürfen dabei nicht vergessen,
dass die Entscheidung für eine Liberalisierung erhebliche und heute kaum absehbare Folgen
haben kann. Aus Sicht des SSW müssen bei einer Neuregelung des Glücksspiels die
Suchtprävention und der Spielerschutz allerhöchste Priorität genießen. Ein neuer Entwurf für
einen Staatsvertrag muss sich in erster Linie an der effektiven Umsetzung dieser Ziele messen
lassen. Und wir denken, dass diese Ziele am besten durch eine kohärente und
bundeseinheitliche Regelung erreicht werden können. Der vorliegende Entwurf von CDU und
FDP für ein landeseigenes Glücksspielgesetz geht in jedem Fall in die völlig falsche Richtung.
Und der geplante Alleingang ist dabei nicht nur Gift für das Ziel der Suchtprävention, sondern
auch finanzpolitisch höchst zweifelhaft. Weder die Entwicklung der Einnahmen noch die
Entwicklung der Ausgaben kann im Vorwege verlässlich beurteilt werden. Das einzige was
sicher ist, ist dass die Spielsucht steigen wird.


Wir haben wiederholt deutlich gemacht, dass vermeintliche Mehreinnahmen nicht zu einem
Rückzug des Staates aus diesem Bereich führen dürfen. Denn es geht hier nicht um ein
Wirtschaftsgut wie jedes andere: Uns allen muss klar sein, dass Glücksspiel krank machen kann
und nicht selten zu ganz erheblichen Problemen für den Spieler und sein soziales Umfeld führt.
Man mag über das Ausmaß der Schäden, die durch das krankhafte Spielen entstehen, streiten.
Sicher aber ist: Wer auch immer Glücksspiel zulässt und anbietet, muss auch die
Verantwortung für diese negativen Begleiterscheinungen tragen. Und wir haben ganz einfach
große Zweifel daran, dass private Anbieter dieser Verantwortung im gleichen Umfang gerecht
werden und diese Aufgabe genauso ernst nehmen, wie der Staat.


Der derzeit geltende Staatsvertrag wird von verschiedenen Seiten als unwirksam und
unzureichend kritisiert. Tatsache aber ist, dass das in ihm festgeschriebene Monopol dazu
beiträgt, die Spielsucht einzudämmen. Tatsache ist leider auch, dass der Vertrag die Ziele im
Bereich der Regulierung von Sportwetten und des gesamten Internetspiels verfehlt hat und nicht verhindern konnte, dass ein enormer Schwarzmarkt entstanden ist. Diese
Fehlentwicklungen hätten im Rahmen der Evaluierung dringend aufgegriffen und zur
Änderung des Regelwerks führen müssen. Doch wie wir alle wissen, ist leider auch der aktuelle
Entwurf nicht konsequent am Ziel des Spielerschutzes ausgerichtet und damit, zumindest aus
Sicht des SSW, ungenügend.


Mit Blick auf die geplante Aufhebung des Verbots für das Internetglücksspiel muss ich ganz
klar sagen: Aus der Tatsache, dass es uns bisher nicht gelungen ist, hier ein wirkungsvolles
Verbot durchzusetzen, folgt eben nicht, dass wir diesen Bereich ganz oder auch nur in Teilen
den freien Kräften des Marktes überlassen müssen. Dies ist schlicht fahrlässig, weil hier eine
Ausweitung des Angebots zu einer größeren Zahl von Spielern und damit auch zu mehr
Süchtigen führen wird. Wir fordern die Länderchefs auf, diesen Bereich effektiv einzugrenzen,
anstatt vor der schwierigen Aufgabe zu kapitulieren. Wir sind klar in der Verantwortung,
Spielangebote im Internet so zu regulieren, dass sie möglichst wenig Schaden verursachen.


Dieser Weg ist ganz sicher nicht einfach. Man muss aber endlich erkennen, dass es durchaus
Möglichkeiten gibt, um den Internetmarkt zu beeinflussen und so zumindest für eine
Eindämmung illegaler Angebote zu sorgen. Eine praktikable Lösung liegt in der Blockierung der
Zahlungstransfers illegaler Anbieter. Gleichzeitig müssen Onlinespieler durch ein staatliches
Angebot zurück in die Legalität geholt werden. Wir bedauern, dass weder der Staatsvertrag
noch der Entwurf für ein schleswig-holsteinisches Glücksspielgesetz diesen Weg des
Spielerschutzes geht. Denn eins ist sicher: Mit dem von CDU und FDP gewählten Ansatz, das
Internetspiel einfach für private Anbieter zu öffnen, wird es dagegen zwangsläufig zu einer
aggressiven Bewerbung und damit zu einer enormen Ausweitung des Angebots kommen. Dies
gilt leider auch für das im Staatsvertragsentwurf geplante Angebot von Online-Casinospielen
durch konzessionierte Spielbanken. Das Angebot wird ausgeweitet und die Zahl der Spieler
wird steigen. Und durch den neuen Vertriebsweg Internet wird das Spielen nicht nur zu jeder
Tages- und Nachtzeit sondern auch völlig ohne eine räumliche Begrenzung ermöglicht. Aus diesen Gründen ist auch die im Rahmen der Novellierung des Staatsvertrages geplante
Vergabe von 7 Lizenzen an „besonders vertrauenswürdige“ Anbieter im Sportwettenbereich
problematisch. Ohne Zweifel wird dem Ziel des Spielerschutzes auch mit dieser Teilöffnung
nicht ausreichend Rechnung getragen. Nach Auffassung des SSW können wir gut auf
Experimente dieser Art verzichten. Doch im Vergleich zum Gesetzentwurf von CDU und FDP,
der bekanntlich eine komplette Öffnung dieses Segments vorsieht - ohne auch nur die
Notwendigkeit einer Evaluierung in Betracht zu ziehen - ist der Staatsvertrag eindeutig das
kleinere Übel. Die vorgesehene Experimentierklausel lässt zumindest die kleine Hoffnung zu,
dass aus Fehlentwicklungen Konsequenzen gezogen und entsprechend gegengesteuert wird.
Trotzdem glauben wir, dass hier eine Schleuse geöffnet wird, die wir später nicht mehr völlig
schließen können.


Spätestens seit der umfangreichen Anhörung hier im Landtag kann keiner mehr bezweifeln,
dass eine Liberalisierung des Glücksspiels nicht auch erhebliche negative Konsequenzen mit
sich bringt. Aktuelle Studien belegen den Zusammenhang zwischen dem Umfang des
Angebots und der Anzahl der Suchtkranken eindeutig. So ist zum Beispiel mit der
Marktöffnung in Großbritannien der Anteil der süchtigen Spieler an der Gesamtbevölkerung
deutlich und statistisch nachweisbar gestiegen. Und ganz nebenbei bemerkt hat die dortige
Liberalisierung nicht etwa für zusätzliche - sondern im Gegenteil sogar für sinkende
Staatseinnahmen gesorgt. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses Beispiel auch den einen oder
anderen in den Reihen der regierungstragenden Fraktionen zum Nachdenken anregt.


Was im öffentlichen Gesundheitswesen als Grundregel für den gesamten Suchtbereich gilt,
muss aus unserer Sicht selbstverständlich auch für den Glücksspielbereich gelten: Je größer das
Angebot ist, desto höher sind auch die individuellen und sozialen Folgeschäden. Bei einem
weltweiten Vergleich der Regelungen für das Glücksspiel wird deutlich, dass
Angebotsbeschränkungen ein zentraler Baustein bei allen präventiven Bemühungen sind. Und Beschränkungen des Angebots haben nachweislich den Effekt, dass die Zahl der Süchtigen
begrenzt wird. Daher ist die Forderung aus dem Bereich der Suchtprävention nach einem
kleinen, konsequent regulierten Glücksspielmarkt in staatlicher Hand der einzig richtige Weg.
Eine Neuregelung, die sich an diesen Leitlinien orientiert, wäre im Sinne des größtmöglichen
Spielerschutzes und hätte im Übrigen aufgrund ihrer Kohärenz auch dauerhaft Bestand.


Voraussetzung hierfür ist natürlich auch, dass endlich der Bereich der Glücksspielautomaten
effektiv geregelt wird. Dass von diesem Angebot die mit Abstand größte Gefahr ausgeht,
wissen wir ja nun nicht erst seit gestern. Man will Gerüchten zufolge auch hierzu noch
Regelungen im Rahmen der Novellierung des Staatsvertrages treffen. Wir verbinden damit die
Hoffnung, dass das Automatenspiel endlich auch als Glücksspiel deklariert und entsprechend
restriktiv gehandhabt wird. Sofern dies aber nicht gelingt, unterstützen wir selbstverständlich
die Grünen in ihrer Forderung nach einer schnellen Lösung dieses Problems. Durch ein
Spielhallengesetz in Kombination mit der Entschärfung dieser Gefahrenquelle über die
Spielverordnung durch den Bund kann das hohe Suchtrisiko der Automaten zumindest
vermindert werden.


Abschießend möchte ich noch einmal festhalten, dass sich der SSW eine wesentlich
konsequentere Ausrichtung des neuen Staatsvertrages an suchtpräventiven Zielen gewünscht
hätte. Wir hoffen, dass hier bis zur Unterzeichnung noch nachgesteuert wird. Unter der
Maßgabe des größtmöglichen Spielerschutzes ist der Alleingang der Landesregierung völlig
indiskutabel und sofort zu beenden. Stattdessen muss sie sich endlich konstruktiv an der Suche
nach einer bundeseinheitlichen Lösung beteiligen und diese mittragen. Die Politik kann sich
hier nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und die negativen Auswirkungen des
Glücksspiels ausblenden. Glücksspielangebote bergen immer Risiken, denen wir
ordnungsrechtlich begegnen müssen. Das ist unsere eigentliche Aufgabe. Und dieser Aufgabe
kommen CDU und FDP überhaupt nicht nach.

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