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Anke Spoorendonk zu TOP 1 - "Energiepolitik für Schleswig-Holstein - verantwortlich und nachhaltig"
Presseinformation Kiel, den 23.03.2011 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 1A, 20 & 28 Regierungserklärung „Energiepolitik für Schleswig-Holstein – verantwortlich und nachhaltig“ und Anträge Drs 17/1360 & 17/1369Überrascht war ich, als ich kürzlich in einem Artikel der TAZ las, dass der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul, aus konkretem Anlass fordert, dieLaufzeitverlängerung von Atomkraftwerken rückgängig zu machen, und sich für eine schnelleEnergiewende ausspricht.Man kann nicht behaupten, dass sich unser ehemaliger Kollege Dr. Wadephul in seinembisherigen politischen Wirken als Atomkraftgegner geoutet hat. Aber ich nehme es ihm ab,wenn er heute sagt, dass die Vorfälle in Fukushima ihn dazu bewegt haben, die Position, die er30 Jahre lang vertreten hat, zu ändern. Und ich nehme es ihm ab, wenn er sagt, dass ihn dieVorfälle von Harrisburg und Tschernobyl, die Störungen in Schleswig-Holstein und nun der 2GAU in Fukushima zu diesem Umdenken bewogen haben, weil ihm mit einem Mal bewusstwurde, wie viele als „unwahrscheinlich“ eingestufte Vorkommnisse es in all den Jahrengegeben hat. Hut ab vor solchen Worten, sage ich dazu nur!Wir haben alle die schrecklichen Bilder aus Japan vor Augen. In sicherer Entfernung haben wirmiterlebt, wie das Erdbeben und der Tsunami in kürzester Zeit Leid und Not über zigtausendMenschen in Japan gebracht haben. Dörfer und Städte wurden ausradiert und dem Erdbodengleich gemacht. Die Zahlen der Vermissten und Toten sind immer noch nicht absehbar. Selbstein hochtechnologisches Land wie Japan hat solchen Naturgewalten nichts entgegenzusetzen.Doch damit nicht genug: Fukushima ist zum Symbol für die Katastrophe in ihrer ganzenBandbreite geworden. Niemand kann heute sagen, welchen Verlauf die Atomkatastrophe nochnehmen wird – geschweige denn, wie sie ausgehen wird. Was dort geschieht, lässt niemandenunberührt.Die aktuellen Bilder von explodierenden Reaktoren lassen bei vielen von uns auch dieErinnerung an Tschernobyl wieder aufkommen. Tschernobyl gilt heute als der bislangschwerste atomare Unfall und wurde auf der sogenannten INES-Skala bisher als einzigesEreignis mit dem Höchstwert 7 – Super GAU – eingestuft. Dieser Super-GAU hat mehrerenhunderttausend Menschen das Leben gekostet und die Langzeitfolgen sind immer noch nichtabschätzbar. Im nächsten Monat jährt sich der 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe vonTschernobyl, und wir stellen heute fest: Wir haben daraus bitter wenig gelernt!Die Schere im Kopf der Atomkraftbefürworter funktionierte nach Tschernobyl perfekt: Für siestand von Anfang an fest, dass der Reaktor von Tschernobyl nicht mit westlichen AKWsvergleichbar war und dass die Sicherheitsstandards unserer Reaktoren einen solchen Unfall beiuns undenkbar machen.Es mag ja durchaus zutreffen, dass westliche Kernkraftwerke technologisch ausgereifter sind.Aber Fukushima macht deutlich, dass auch die westliche Technologie und die bei uns 3geltenden Sicherheitsstandards keine absolute Sicherheit garantieren. Der Einwand, dass eskeine absolute Sicherheit gibt, ist in diesem Zusammenhang absurd. Denn die Fernsehbilderaus Japan haben uns mehr als alles andere vor Augen geführt, dass Atomkraft nicht steuerbarist. Nach Fukushima kann es keine blinde Zuversicht in die Sicherheit von Atomkraftwerkenmehr geben. Statistisch gesehen mag die Atomenergie eine sichere Energieform sein, im realexistierenden Leben der Menschen in Japan ist sie es nicht mehr. Das ist die Lehre, die wirspätestens jetzt aus allen bisherigen Reaktorkatastrophen ziehen müssen. Wir brauchen denAtomausstieg so schnell wie möglich.Mit dem Ausstieg aus dem Atomausstieg schlug sich die Bundesregierung ganz bewusst aufdie Seite der Atomwirtschaft. Denn mit dem Beschluss vom 28. Okt. des letzten Jahres wurdendie Laufzeiten der deutschen Atommeiler um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Dass derBeschluss der Bundesregierung auch bei uns im Lande zu riesigen Demonstrationen führte,dürften die wenigsten von uns vergessen haben. Die einprägsamen Bilder von der 120 Kmlangen Menschenkette zwischen den Pannenmeilern Krümmel und Brunsbüttel sind so schnellnicht wegzuwischen. In mehr als 200 Bussen, in 3 Sonderzügen und in Tausenden von Autoswaren vor knapp einem Jahr rund 120.000 Menschen angereist, um ihren Unmut über dieAtompolitik der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. Doch dem CDU-GeneralsekretärHermann Gröhe fiel damals nichts anderes ein, als der Opposition im Deutschen Bundestagvorzuwerfen, dass sie mit dieser Aktion die Angst vor der Kernenergie schüre. Wie Recht dieDemonstranten hatten, wissen wir heute.Die Ereignisse in Fukushima haben die Debatte über die Zukunft der Atomenergie bei uns imLand neu entfacht. In vielen Städten hat es Mahnwachen gegeben - und wieder wird zuGroßdemos aufgerufen. Frau Merkel wäre also gut beraten, nicht mehr den Einflüsterern derAtomlobby zu lauschen; sie sollte lieber hören, was das Volk ihr zuruft. 4Wenn sie dann auch noch glaubt, sie könne mit billigen Tricks politisch für Ruhe sorgen, indemsie ein drei monatiges Moratorium der Laufzeitverlängerung ankündigt, täuscht sie sich. Fürden SSW sage ich: Das Merkelsche Moratorium ist Schattenboxen mit der Atomlobby undWahlkampftaktik, aber kein ernst gemeinter Beitrag zum Atomausstieg. Wären keineLandtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Bremen, würde es diesesMoratorium nicht geben.Denn Fakt ist: Rechtlich steht dieses Moratorium auf wackeligen Füssen. Inwieweit §19 Abs.3des Atomgesetzes überhaupt anwendbar ist, ist äußerst fraglich. Wer eine einstweiligeStilllegung der alten Atommeiler durch die Aufsichtsbehörden der Länder anordnet, umGefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter abzuwehren, der bewegt sich juristisch aufdünnem Eis. Denn nach bisherigen Einschätzungen der Atomaufsichtsbehörden ist dieseGefahr nicht gegeben. Sonst hätte es wohl auch keine Laufzeitverlängerung für diese Meilergeben dürfen. Was wir brauchen ist eine rechtliche Grundlage, auf der diese alten undmaroden Meiler für immer abgeschaltet werden können und keine dreimonatigeBeruhigungstablette.Als wenn die Intelligenz der Bevölkerung damit nicht bereits genug strapaziert wurde, wirdnun auch noch gesagt, man wolle den Zeitraum von drei Monaten nutzen, um die Sicherheitder Atomkraftwerke neu zu überprüfen. Von Experten wird die Ernsthaftigkeit derangekündigten unvoreingenommenen Sicherheitschecks aller deutschen Atomkraftwerkejedoch angezweifelt. So äußert sich der frühere Leiter der Reaktorsicherheitsabteilung desBundesumweltministeriums Wolfgang Renneberg wie folgt: "In drei Monaten kann niemandeine Überprüfung von 17 oder auch nur sieben Reaktoren seriös durchführen. Bestenfalls kannman in dieser Frist Bekanntes zu einem Bericht zusammenschreiben und das weitereÜberprüfungsverfahren definieren." Mit anderen Worten: Innerhalb von zwölf Wochen lässtsich allenfalls das Atomkraftwerk von Loriot seriös prüfen.Wer es mit der Überprüfung ernst meint, der muss den Bewertungsmaßstab für alle Reaktoreneinheitlich gestalten und sich auf das in 2009 beschlossene "Kerntechnische Regelwerk" 5stützen und auch neue Erkenntnisse aus dem japanischen Drama berücksichtigen. Nur dannhaben wir einen echten Sicherheitsüberblick. Wenn dies dann das Aus für die deutschenAtommeiler bedeuten würde – so lautet angeblich die Schlussfolgerung einesGeheimdokuments aus dem Bundesumweltministerium – dann müssen auch entsprechendeMaßnahmen ergriffen werden. Gemeint ist damit aber nicht, dass Sicherheitsauflagenminimiert werden, nur weil dies die kostengünstigere Variante für die Atomkraftbetreiber ist.Unterm Strich halte ich daher fest: Das, was dem Volk momentan von CDU und FDP verkauftwird, ist weiße Salbe. Was von Angela Merkel und ihrem Vizekanzler Westerwelle verkündetwurde, beruht nicht auf einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Atomunfall in Japan, undes wurden keine echten Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen. Das ist eigentlich zumHeulen.Spätestens nach der Bundesratssitzung am letzten Freitag und der Gesprächsrunde derBundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der fünf Bundesländer – in Klammern: allesamtvon Unions-Parteien geführt, in denen Kernkraftwerke stehen, ist klar, dass wieder einmal eineChance vertan wurde, alle Bundesländer ins Boot zu holen, um gemeinsam eine Strategie zuerarbeiten, wie der Ausstieg aus der Atomenergie so schnell wie möglich zu gestalten ist. Wirbrauchen einen breiten politischen Konsens, um den Ausstieg aus der Atomkraft zu schaffenund um die Energiewende hinzubekommen. Stattdessen deutet vieles darauf hin, dass es eineneue Runde im Rosenkrieg zwischen CDU-CSU und FDP auf Bundesebene geben wird. DerVerlierer steht leider schon jetzt fest: Bundesumweltminister Röttgen heißt er. Dass er - wieJohann Wadephul – zu denjenigen CDU-Leuten gehört, die sich für einen schnelleren Ausstiegaus der Kernenergie stark machen, spricht Bände.Mir ist mit anderen Worten völlig schleierhaft, welche Rolle die von Merkel initiierte Ethik-Kommission spielen soll, wenn es um die Vorbereitung des konkreten Atomausstiegs geht.Anscheinend soll nunmehr in einem Mikrokosmos die friedliche Nutzung der Kernenergie 6diskutiert werden. Dies aber ist eine gesellschaftspolitische Debatte, die bereits seitJahrzehnten geführt wird.“Was alle angeht, muss von allen entschieden werden“, heißt es zum Wesen unsererDemokratie. Wir brauchen also keine neuen Gesprächskreise. Was wir brauchen, ist der Willezum politischen Handeln. Der Atomunfall von Fukushima lässt spätestens jetzt nur noch einenpolitischen Schluss zu.Aus diesem Grund bleibt es für den SSW dabei: - Wir brauchen den Atomausstieg so schnell wie möglich. Und das bedeutet, mindestens zurück zum alten Atomkonsens. - Meiler, die modernen Sicherheitsstandards nicht mehr entsprechen, müssen sofort vom Netz genommen werden. - Wir brauchen eine klimafreundliche, ökologische und dezentrale Energieversorgung. - Langfristig müssen wir uns von den fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas verabschieden. - Der Netzausbau muss vorangebracht werden. - Wir brauchen Konzepte, um die Energieeffizienz zu steigern und Konzepte für Energieeinsparungsmaßnahmen.Dies sind die Baustellen, mit denen wir es zu tun haben. Dafür brauchen wir Konzepte, dennauch hier gilt die alte Bauernweisheit: Von nichts, kommt nichts!