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Thorsten Fürter zur Anhörung zum Wahlrecht (NEU)
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Stellv. Pressesprecher Dr. Jörg Nickel Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0178/28 49 591 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 076.10 / 08.02.2011 Anhörung wird Bewegung in die Diskussion um das Wahlrecht bringen Am Mittwoch den 9. Februar 2011 wird der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags die zweite Anhörung in dieser Legislaturperiode zur Überarbeitung des Landeswahlgesetzes durchführen. Hierzu erklärt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Thorsten Fürter:Die Fraktionen von CDU, SPD und FDP haben sich in vielen Punkten schon jetzt den Vorstellungen von Grünen und SSW, denen die Linken beigetreten sind, angenähert. Einigkeit besteht in folgen- den Punkten: Nie wieder soll das Land in die Situation kommen, dass Parteien eine Regierung bil- den können, obwohl sie an der Wahlurne die Wahl verloren haben. Deswegen müssen Überhang- mandate voll ausgeglichen werden. Damit der Landtag nicht wieder aus allen Nähten platzt, muss es zudem eine deutliche Reduzierung der Wahlkreisanzahl geben.Trotz dieser Schritte in die richtige Richtung bleibt der der Gesetzesvorschlag von CDU, SPD und FDP halbherzig. Wir stehen dazu, dass ein Landtag mit 69 Abgeordneten zur Größe des Landes passt. Dieses klare Votum des Landesverfassungsgerichtes wird durch die Pläne von CDU, SPD und FDP ausgehebelt. Wir haben nachgerechnet, dass ihr Vorschlag von für ein neues Wahlrecht beim Ergebnis der letzten Landtagswahl zu einem Landtag mit bis zu 89 Abgeordneten geführt hät- te. Die Anhörung wird Bewegung in die Diskussion ums Wahlrecht bringen. Eine Reduzierung der Wahlkreise auf 35 kann noch nicht das letzte Wort gewesen sein.Thorsten Fürter beantwortet zudem einige immer wieder gesellte Fragen zur Novellierung des Wahlgesetzes:Warum muss es überhaupt ein neues Wahlgesetz geben?Die Grüne Fraktion hatte gemeinsam mit dem SSW gegen das gültige Wahlgesetz geklagt. Ebenso gab es zahlreiche Wahlprüfbeschwerden, die überwiegend von der Grünen Landespartei unterstützt wurden. Auch die Fraktion Die Linke hatte Wahlprüfbeschwerde eingelegt.Auf diese Beschwerden hat das Landesverfassungsgericht am 30. August 2010 das aktuelle Wahl- gesetz für verfassungswidrig erklärt und angeordnet, dass der Landtag bis Ende Mai 2011 ein neu- es Wahlgesetz beschließen muss. Seite 1 von 5 Wann wird das neue Wahlgesetz beschlossen?Am 16. Dezember 2010 fand im Landtag die erste Lesung statt. Wir haben gemeinsam mit dem SSW einen Vorschlag hierzu eingebracht. Dem stehen ein Antrag der SPD sowie ein gemeinsamer Antrag von CDU und FDP entgegen.Im März soll das Gesetz endgültig beschlossen werden. Dies hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Landtagspräsidenten, in der sich alle Fraktionen auf ein Verfahren verständig haben, so verein- bart.Mit welcher Position gehen die Grünen in die Auseinandersetzung?Für die Grüne Landtagsfraktion sind folgende Punkte besonders wichtig:Überhang- und Ausgleichsmandate: Im Moment haben CDU und FDP eine Mehrheit im Landtag, obwohl sie an der Wahlurne 27.495 weniger Zweitstimmen bekommen haben als SPD, Grüne, Linke und SSW gemeinsam. In einer Demokratie ist das ein kaum erträglicher Zustand. Grund für die Umkehrung der Mehrheitsverhält- nisse ist, dass nicht alle Überhangmandate durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden. Wir schlagen vor, das zu ändern. Die Vorschläge von CDU, SPD und FDP sehen das mittlerweile auch vor.Regelgröße 69 Abgeordnete: Die Größe des Landtags muss zum Land passen. Die Landesverfassung sieht eine Regelgröße von 69 Abgeordneten vor. Für ein vergleichsweise kleines Bundesland ist das ausreichend. Um dies zu erreichen, wollen wir die Anzahl der Wahlkreise deutlich von 40 auf 27 reduzieren.Wahlalter 16: Zudem wollen wir das Wahlalter für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre absenken. Eine solche Initia- tive befindet sich bereits im parlamentarischen Verfahren.Auszählungsverfahren: Das gegenwärtige Auszählverfahren (d’Hondt) benachteiligt kleinere Parteien. Wir wollen es durch ein mathematisch exakteres und damit gerechteres System ersetzen (Sainte-Laguë/Schepers).Was wollen CDU, SPD und FDP?CDU, SPD und FDP wollen die Vorgabe in der Landesverfassung zur Anzahl der Abgeordneten (69) streichen. Die Anzahl der Wahlkreise wollen sie von 40 auf 35 reduzieren. Die Deckelung der Ver- gabe von Überhangmandaten soll entfallen. Am ungerechten Auszählverfahren soll festgehalten werden. Die Abschaffung der Zweitstimme ist aktuell nicht mehr in der Diskussion.Die SPD möchte außerdem den nächsten Wahltermin in der Verfassung verankern (13. November 2011). Sie teilt zudem unsere Forderung nach einer Absenkung des Wahlaltes.Wie groß werden die Landtage nach den unterschiedlichen Vorschlägen?Das kommt naturgemäß sehr stark auf das Wahlergebnis an. Wir haben das letzte Wahlergebnis als Grundlage für eine Musterrechnung genommen. Nach unserem Vorschlag hätte der Landtag 69 Abgeordnete, wie es die Verfassung vorsieht. Nach dem Vorschlag von CDU, SPD und FDP würde der Landtag aus 89 oder 87 Abgeordneten bestehen (abhängig davon, ob die SPD in Lübeck wei- terhin 3, oder nur noch 2 Wahlkreise gewinnt. Weitere Infos ergeben sich aus der Musterberech- 2 nung im Anhang.Warum können sich CDU, SPD und FDP nicht zu einer stärkeren Reduzierung von Wahlkrei- sen durchringen?Hier überwiegen die machttaktischen Erwägungen. CDU und SPD definieren sich stark über ihre Wahlkreisabgeordneten. Eine deutlichere Reduzierung, die eigentlich verfassungsrechtlich geboten wäre, ist parteiintern dort nicht durchzusetzen. Da wird lieber die Verfassung der eigenen Machttak- tik angepasst.Führt der von CDU, SPD und FDP gewünschte Erhalt von 35 Wahlkreisen nicht zu einer Stär- kung des Gedankens der regionalen Verankerung?Nein. Nach unserem Vorschlag mit 27 Wahlkreisen wäre die Quote der direkt gewählten Abgeord- neten im Landtag bei 39 Prozent. Bei einem Landtag mit 89 Abgeordneten würde wegen der Aus- gleichsmandate die Quote der direkt gewählten Abgeordneten ebenfalls 39 Prozent betragen.Verlangt die Verfassung, dass es mehr Abgeordnete aus Wahlkreisen gibt, als Abgeordnete, die über die Landesliste ins Parlament einziehen?Nein. Ein solcher Vorrang ist der Landesverfassung nicht zu entnehmen. Im Urteil des Landesver- fassungsgericht gibt es keinen Passus, aus dem ein solcher Vorrang herauszulesen wäre. Der Wis- senschaftliche Dienst des Landtags hat in seiner Stellungnahme vom 15. November 2010 (http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/umdrucke/1500/umdruck-17-1514.pdf) einen solchen Vorrang ebenfalls abgelehnt.Ist es denn nicht so, das auch die kleinen Parteien nur ihre eigenen Interessen verfolgen und in Wahrheit ein Wahlgesetz wünschen, dass sie gegenüber den großen Parteien bevorzugt?Nein. Wir wollen, dass die Zweitstimme über die Größe der Fraktionen im Landtag entscheidet. Das ist die Funktion, die der Zweitstimme in einem Wahlrecht zugewiesen wird, dass die Verhältniswahl mit der Persönlichkeitswahl verbindet. Eine Besserstellung von kleinen Parteien ist damit nicht ver- bunden.Wann finden die Neuwahlen statt?Das ist noch offen. Vor Herbst 2011 wird eine Neuwahl kaum möglich sein. Die nach der Änderung der Anzahl der Wahlkreise vorzunehmende neue Wahlkreiszuschneidung wird erst nach Verab- schiedung des Gesetzes im März vorgenommen. Allerdings gibt es keine durchgreifenden Gründe, die eine Verschiebung des Wahltermins in das Jahr 2012 zwingend machen. Wenn es doch so kommt, dann nur aus einem Grund: CDU und FDP kleben an ihren Stühlen und scheuen einen frü- hen Wahltermin.Möglich ist, dass der Streit um den Wahltermin tatsächlich mit der Wahlrechtsreform verknüpft wird. Die SPD hat ein Ass im Ärmel: Wer die Zahl der Wahlkreise nur geringfügig auf 35 reduziert, braucht eine Verfassungsänderung, damit nicht gegen die Anforderung des Verfassungsgerichtsur- teils verstoßen wird. Dafür ist eine 2/3 Mehrheit notwendig. Die SPD könnte das nutzen, um auf ei- nen Wahltermin im November 2011 oder März 2012 zu dringen.Viele halten es für unwahrscheinlich, dass CDU und FDP tatsächlich bis zum allerletzten Tag auf ih- ren Sesseln kleben bleiben und erst im September 2012 wählen. Grund: Der Haushaltsprozess wä- 3 re da in vollem Gange. Zudem würde ein Wahltermin im September 2012 das Kleben am Sessel für alle BürgerInnen offensichtlich machen. Ein Wahltermin im Mai 2012 sei daher realistisch. Wir drin- gen natürlich auf einen möglichst frühen Wahltermin, allerdings sind unsere Möglichkeiten dies im Parlament voranzubringen, nicht sehr groß.Ist der Kampf für ein gerechteres Wahlrecht in Schleswig-Holstein gescheitert?Nein. Da die Regelung zu den Überhang- und Ausgleichsmandaten höchstwahrscheinlich geändert wird, wird nie mehr eine Minderheit an der Wahlurne im Parlament plötzlich zur Mehrheit mutieren. Auch der vorgezogene Wahltermin, selbst wenn der erst im Jahr 2012 ist, kommt für CDU und FDP, die sich auf eine 5jährige Legislaturperiode eingestellt haben, zur Unzeit. Wenn CDU, SPD und FDP die Verfassung wirklich ändern und der nächste oder übernächste Landtag wieder aus allen Nähten platzt, werden die Menschen sehr genau wissen, wer dafür die Verantwortung zu tragen hat.AnhangAuswirkungen der Gesetzentwürfe zur Änderung des Landeswahlgesetzes und der Landes- verfassung auf die Sitzverteilung im Landtag:Zur Berechnung wird das Stimmergebnis der Landtagswahl von 2009 unterstellt.Dabei gehen wir davon aus, dass es beim Vorschlag von Grünen/SSW zu einer Verteilung der Di- rektmandate von 4 Mandaten für die SPD (2 Kiel, 2 Lübeck) und 23 Mandaten für die CDU kommt. Beim Vorschlag von CDU/FDP/SPD zu entweder 5 Mandaten für die SPD (3 Kiel, 2 Lübeck) und 30 Mandaten für die CDU (Alt. 1) oder 6 Mandaten für die SPD (3 Kiel, 3 Lübeck) und 29 Mandaten für die CDU (Alt. 2).Vorschlag von Grünen/SSW:- 27 Wahlkreise - Sitzverteilungs-Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers - Voller Ausgleich aller Überhangmandate Auswirkung auf die Sitzverteilung: Verfassungsvorgabe 69 Mandate: CDU: 23 SPD: 19 FDP: 11 GRÜNE: 9 LINKE: 4 SSW: 3 Ergebnis: Es bleibt bei der von der Verfassung vorgegebenen Anzahl der Abgeordneten von 69. Es entstehen keine Überhang- und Ausgleichsmandate.Vorschlag von CDU/FDP/SPD:- 35 Wahlkreise - Sitzverteilungs-Verfahren nach d’Hondt - Voller Ausgleich aller Überhangmandate Auswirkung auf die Sitzverteilung: Verfassungsvorgabe der Abgeordnetenanzahl wurde gestrichen; Wahlgesetzvorgabe 69 Mandate:Alternative 1: CDU: 30 (7 Überhangmandate) 4 SPD: 24 (5 Ausgleichsmandate) FDP: 14 (3 Ausgleichsmandate GRÜNE: 12 (2 Ausgleichsmandate, 1 „Ungerade“-Mandat) LINKE: 5 (1 Ausgleichsmandat) SSW: 4 (Ausgleichsmandat) Ergebnis: Der nächste Landtag würde aus 89 Abgeordneten bestehen.Alternative 2: CDU: 29 (6 Überhangmandate) SPD: 24 (5 Ausgleichsmandate) FDP: 14 (3 Ausgleichsmandate GRÜNE: 11 (2 Ausgleichsmandate) LINKE: 5 (1 Ausgleichsmandat) SSW: 4 (1 Ausgleichsmandat) Ergebnis: Der nächste Landtag würde aus 87 Abgeordneten bestehen. *** 5