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18.11.10
10:43 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 13 - Energiepolitik

Presseinformation Kiel, den 18.11.2010 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms



TOP 13, 17, 20 und 24
Offshore-Strategie, Sicherheit von Atomkraftwerken bei
Laufzeitverlängerung, Kohlekraftwerke in Brunsbüttel, Auswirkungen des
11. Und 12. Änderungsgesetzes zum Atomgesetz auf Schleswig-Holstein
Drs 17/900, 17/929, 17/961 und 17/969


Die Groß-Demo in Berlin am 18. Sept. vor dem Reichstag - mit über 100.000 friedlichen
Demonstranten - oder jüngst die Demo gegen den Castortransport nach Gorleben haben
deutlich gemacht, dass der größte Teil der Bevölkerung gegen eine Laufzeitverlängerung
deutscher Atomkraftwerke ist. Dies ficht die Bundesregierung aber nicht an. Mit dem Beschluss
vom 28. Okt. wurden die Laufzeiten der deutschen Atommeiler um durchschnittlich 12 Jahre
verlängert. Damit hat die Bundesregierung bewusst gegen die breite Mehrheit der Bevölkerung
gehandelt. 2
Den Energiekonzernen wurde mit der Laufzeitverlängerung ein Scheck in dreistelliger
Milliardenhöhe von der Bundesregierung ausgestellt. Die Bevölkerung bekommt dafür 4 bis 5
tausend Tonnen hochradioaktiven Atommüll mehr. Die Frage, wo der verstrahlte Müll hin soll,
ist aber bei weitem nicht geklärt. Ein Endlager gibt es derzeit nicht. Die Konzerne streichen
satte Gewinne ein und das Risiko trägt die Allgemeinheit.
Schmackhaft wird die ganze Geschichte auch nicht dadurch, dass mit der Laufzeitverlängerung
eine Atomsteuer kommen soll. Ich sage: Dies ist unabhängig voneinander zu betrachten. Wir
fordern den Atomausstieg und die Atomsteuer. Für uns ist eine solche Steuer unabhängig von
der Laufzeitverlängerung zu betrachten. Mit einer solchen Steuer würden die Atomkonzerne
endlich teilweise zur Kasse gebeten, für die Kosten, die sie verursachen. Zum Beispiel für
Sanierung der Asse oder für die Erkundung nach einem Endlager. Eine solche Steuer hätte auch
für Schleswig-Holstein einen finanziellen Effekt in Höhe von rund 200 Mio. Euro, wenn eine
Beteiligung des Landes an der Brennelementesteuer durchgesetzt werden kann.


Der vorliegende Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass von Seiten des zuständigen
Ministeriums seit 2002, also seit in Kraft treten des Atomausstiegsgesetzes, die
Personalausstattung in der Atomaufsicht reduziert wurde. Mit der Laufzeitverlängerung – und
angesichts der gesammelten Erfahrungen mit unseren Pannenmeilern – stellt sich die Frage
nach der Personalausstattung neu. Daher ist es richtig, die Personalausstattung der
Atomaufsichtsbehörde an die Laufzeitverlängerung und an den Sanierungs- beziehungsweise
Nachrüstungsbedarf der zu beaufsichtigenden Atomkraftwerke anzupassen. Die erforderliche
Überwachung der Atomkraftwerke durch die Atomaufsichtsbehörde dient der allgemeinen
Sicherheit für Mensch und Natur. Krümmel und Brunsbüttel haben immer wieder gezeigt, dass
die Arbeit der Atomaufsichtsbehörde unerlässlich ist. Daher fordern wir für die Überwachung
der Atomkraftwerke eine kostendeckende Gebühr von den Betreibern. Nur so halten wir die
Kompetenz bei der Atomaufsichtsbehörde auch künftig aufrecht. Die Laufzeitverlängerung ist
eine Risiko-Verlängerung. Daher ist der Sicherheitsaspekt im Zuge der Laufzeitverlängerung
mehr als angebracht. Dies wird gerade an den alten AKW deutlich. Schleswig-Holstein macht 3
mit den Pannenmeilern diesbezüglich seine eigenen negativen Erfahrungen. Daher ist
niemandem zu erklären, dass für diese Atomkraftwerke eine Laufzeitverlängerung vorgesehen
ist.


Atomenergie ist keine Brückentechnologie, sondern eine energiepolitische Geisterfahrt. Mit
der Laufzeitverlängerung wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien nur gebremst. Am
Beispiel Großbritanniens wird dies deutlich. Dort hat der Energiekonzern Eon darauf gedrängt,
dass Strom aus Atomkraftwerken Vorrang hat vor dem aus Windkraftanlagen und damit sind
Erneuerbare Energien nicht mehr rentabel. Aber auch im Bereich Erforschung und
Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien wird durch die Laufzeitverlängerung der Druck
vom Kessel genommen.


Der Versuch der Bundesregierung, den Bundesrat in bei der Laufzeitverlängerung, zu umgehen
fügt sich in das Bild ein, das entstanden ist, als bekannt wurde, dass es zwischen den vier
großen Energiekonzernen und der Bundesregierung einen Geheimvertrag gibt. Mit Tricksereien
und Gemauschel soll die Laufzeitverlängerung ohne die Beteiligung der Länder durchgedrückt
werden.
Nach unserer Auffassung ist der Bundesrat zu beteiligen. So war bereits das ursprüngliche
Atomausstiegsgesetz zustimmungspflichtig. Jedoch hat der Bundesrat mehrheitlich auf sein
Einspruchsrecht verzichtet – was juristisch als Zustimmung zu werten war. Im Umkehrschluss
bedeutet dies, dass die Länderkammer auch bei einer Laufzeitverlängerung zu beteiligen ist,
zumal es sich um eine wesentliche, vollzugsfähige und vollzugsbedürftige Änderung des
Atomrechts handelt.
Doch wie gesagt, der Bundesrat wird außen vor gelassen. Daher fordern wir die
Landesregierung auf, handeln sie im Sinne der Bevölkerungsmehrheit und stimmen sie für eine
Anrufung des Vermittlungsausschusses. 4
Ebenso wie die Atomenergie gehört auch die Kohlekraft zu den Dinosauriern der
Energieversorger. Gerade Kohlekraftwerke sind unter den Energieproduzenten die Klimakiller
Nr. 1. Daher ist Kohle auch keine Brückentechnologie, sondern ein Auslaufmodell.
Wie bei der Verlängerung der Atomlaufzeit gilt auch für Kohlekraft: Jede Verlängerung oder
jeder Neubau von Kohlekraftwerken wird den Ausbau der Erneuerbaren Energien verhindern.
Angesichts der klimapolitischen Herausforderungen vor denen wir stehen, ist jeder Neubau
von Kohlekraftwerken eine Katastrophe.
Die CCS-Technologie ist dabei auch keine Lösung. Im Gegenteil. Das CO2 bleibt in der Umwelt
und kein Mensch kann heute sagen, ob diese potenziell giftige Substanz über Tausende von
Jahren von Mensch, Tier und Klima ferngehalten werden kann. CCS verlängert die Laufzeit der
Kohlekraft und legitimiert den Bau neuer Kohlekraftwerke, weil diese ja angeblich sauber
wären. CCS verschlingt selbst erhebliche Energiemengen, dafür muss dann deutlich mehr
Kohle verbrannt werden. CCS ist extrem teuer und bindet Fördergelder, die in den Aufbau der
wirklich CO2-freien Energieerzeugung fließen sollten. Und an Endlagerstandorten verhindert
CCS den Ausbau regenerativer Energien, weil Bohrungen für Erdwärme, Druckluftspeicher für
die Windenergie oder Erdwärmespeicher denselben Untergrund benötigen. Kurz: CCS hat
nichts mit nachhaltigem Klimaschutz zu tun. Diese Technologie soll dafür sorgen, dass die
Energiekonzerne so lange wie möglich mit der Kohleverstromung weiter machen können. Dass
dabei die Gesundheit von Mensch und Natur aufs Spiel gesetzt wird, ist einfach nur zynisch.
Daher ist es umso bedauernswerter, dass die Landesregierung es nicht vermocht hat, auf ihre
Parteikollegen in Berlin dahingehend Einfluss zu nehmen, dass zumindest eine Länderklausel
im vorliegenden CCS-Gesetzentwurf verankert wurde. Viel Zeit, um den vorliegenden Entwurf
zu verändern, bleibt nicht mehr. Bisher versagt die Landesregierung hier auf der ganzen Linie.


Um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können, müssen wir von den fossilen
Energieträgern weg kommen. Langfristig muss die Energieversorgung komplett aus
regenerativen Energien bestehen. 5
Die Deckelung des Stromverbrauchs aus regenerativen Energien - aus Wind, Wasser, Sonne
und Biomasse – ist die Herausforderung der Zukunft. Hierfür ist es notwendig, das Stromnetz,
das heute noch zentral ausgerichtet ist, umzustrukturieren und so umzubauen, dass die
dezentralen Energieträger erschlossen werden können und der Strom eingespeist und
weitergeleitet werden kann. Erzeugung, Verteilung und Verbrauch werden somit zu einer
dezentralen Versorgungseinheit.
Für Schleswig-Holstein ist insbesondere die Windenergie von maßgeblicher Bedeutung.
Schleswig-Holstein ist ein Windland. Wir haben das Know-how und unsere Wirtschaft wird
weiter davon profitieren. Aber wir müssen erkennen, dass wir auf diesem Sektor bereits Boden
verloren haben. Hier muss gegengesteuert werden. Mit dem LEP und der Ausweitung von
Eignungsflächen haben wir einen ersten Schritt unternommen. Und das ist gut so.


Aber gerade die Produktion von Windstrom im Offshorebereich birgt enorme Potentiale. Damit
können wir es schaffen, Lieferant von Strom aus regenerativen Energieformen zu werden,
sobald die Offshore-Windparks den Strom produzieren und dieser entsprechend transportiert
wird.
Der von der Netzagentur „windcomm schleswig-holstein“ vorgelegte Strategieplan, mit seinen
entsprechenden Handlungsempfehlungen ist ein hervorragender Leitfaden für die Entwicklung
und Planung der Offshore-Windenergie.
Daraus geht unter anderem hervor, dass der Offshore-Windenergie neben der
energiepolitischen Bedeutung auch eine enorme wirtschaftliche Bedeutung zuzurechnen ist.
Neben den bereits bestehenden rund 7.000 Arbeitsplätzen in der Windbranche wird davon
ausgegangen, dass durch die Offshore-Windparks weitere 1.000 Arbeitsplätze entstehen. Dies
erfordert, dass der Arbeitsmarkt diese Herausforderung annehmen kann. Forderungen der
Windbranche an den akademischen Aus- und Weiterbildungsbereich sowie die
Weiterbildungsangebote für die Offshore-Windenergie sind maßgebliche Voraussetzungen für
den Erfolg. Offshore-Windenergie darf nicht am Fachkräftemangel scheitern. 6
Einsichtig hat sich die Landesregierung bereits hinsichtlich der Westküstenhäfen gezeigt.
Durch die Analysen von windcomm ist deutlich geworden, dass Brunsbüttel, Husum, Büsum,
Dagebüll und die Sylter Häfen eine neue Bedeutung in Bezug auf die Offshore-Windenergie
bekommen. Für diese Erkenntnis möchte ich mich bei Herrn de Jager ausdrücklich bedanken,
denn gerade was den Husumer Hafen angeht, wurde dieser seinerzeit sträflich von der
Landesregierung vernachlässigt – um nicht zu sagen allein gelassen – als es um seine
Straßenanbindung ging. Dieses Potential muss aber in die Strategie eingebunden werden,
zumal am Standort Husum derzeit noch einige Windkraftunternehmen beheimatet sind. Diese
Unternehmen wollen wir dort halten!


Ausdrücklich zu begrüßen, ist die getroffene Einigung mit den Umweltverbänden über den
Verlauf der Kabeltrasse durch das Wattenmeer. Der Kompromiss ist notwendig, um die
Anbindung der Offshore-Windparks zu ermöglichen. Aber wir wissen, dass das Problem damit
längst nicht gelöst ist. Denn selbst wenn wir den Strom an Land transportiert bekommen,
haben wir dort immer noch das Problem der geringen Netzkapazität. Hier muss endlich eine
Lösung gefunden werden, die im Sinne der Anwohner ist – Sprich Erdkabel. Somit fällt uns die
ganze Offshore-Strategie wieder vor die Füße.