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18.03.10 , 15:00 Uhr
B 90/Grüne

Anke Erdmann zur Hochbegabtenförderung

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP 26 – Sachstand der Hochbegabtenförderung Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die bildungspolitische Sprecherin Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Anke Erdmann: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 151.10 / 18.03.2010
Und noch eine Sonderklasse mehr…
Es ist gut, dass die Situation von Hochbegabten genauer wahrgenommen wird. Wir stellen fest, dass die individuelle Förderung unserer SchülerInnen vielfach an ihre Grenzen stößt. So sind Kinder mit Förderbedarf, Migrationshintergrund und diejenigen mit einer Hochbegabung nicht zufällig in den Fokus geraten. An diesen SchülerInnen, so unterschiedlich sie auch sind, wird besonders deutlich, dass unser Bildungssystem an seine Grenzen stößt, sobald Kinder nicht ins Schema H, R oder G passen.
Julia war elf als sie sich entschied, Kiel zu verlassen, um in St. Afra bei Meißen in ein Internat für Hochbegabte zu ziehen. Dass sich Elfjährige zwischen Schule und Familie entscheiden müssen, ist einfach untragbar. Darum freuen wir uns, dass weitere An- strengungen unternommen werden, Hochbegabten gerecht zu werden. Noch viel zu oft begegnen ihnen Lehrkräfte mit der Haltung: „Du kommst schon ohne mich klar.“ Die Potenziale dieser Kinder und Jugendlichen werden selten freigelegt, noch seltener wei- terentwickelt, die Neugierde und die Begabung nicht in den Unterricht einbezogen und so auch nicht zum Schatz für eine Klasse.
Darum ist es gut, wenn weiter sensibilisiert wird, darum ist es gut, wenn nun elf Kompe- tenzzentren auf den Weg gebracht worden sind. Besonders gefällt mir, dass die hoch- begabten Jugendlichen über den Ansatz der Schülerpaten einbezogen werden. Sich gegenseitig im Anderssein den Rücken zu stärken und Netzwerkbildung zu unterstüt- zen ist so simpel wie effektiv. Und das Wissen dieser jungen Menschen in die Konzept- entwicklung einzubinden, finde ich ebenso überzeugend, wie die enge Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für das hochbegabte Kind.
Dort wurde auch 2008 das Vier-Säulen-Modell zur Begabtenförderung vorgestellt: Die besonderen Förderprogramme im Umfeld einer Schule gehören dazu – Enrichement- kurse und Wettbewerbe beispielsweise. Eltern und Jugendliche beklagen aber die Qua- lität und die Kontinuität. Sie bemängeln, dass oft die falschen SchülerInnen ausgewählt werden. Hochbegabte – so berichtet eine Mutter – werden mitunter von der Teilnahme Seite 1 von 2 ausgeschlossen, weil das Betragen nicht stimmt. Die PädagogInnen, so berichten an- dere Eltern, seien pädagogisch überfordert. Oft finden sich gerade in diesen Enriche- mentkursen heterogene Lerngruppen, die Lehrkräfte – und wahrscheinlich auch der Minister – aber erwarten eine homogene Güteklasse.
Eine weitere Säule bilden die Netzwerkschulen in dem Konzept zur Begabtenförderung – ich verstehe die elf Kompetenzschulen als genau dies. Damit sind schon einmal zwei der geforderten Säulen erkennbar.
Das Landesgymnasium steht nun auf der Agenda der neuen Landesregierung, wenn man den Regierungsfraktionen glaubt. Es passt in Ihre Güteklassenlogik! Güteklasse A Gewichtsklasse 4… Aber Jugendliche sind keine Eier, die man kategorisieren kann. Das ist auch massiv teuer und nicht zu finanzieren, wenn 3.700 Lehrer bis 2020 einge- spart werden sollen.
Und Sie, Herr Minister, träumen davon, neben G8 auch G9 und Hochbegabtenklassen parallel einzuführen. Dabei kostet die parallele Einführung von G8 und G9 doch schon mehr als 300 Lehrerstellen.
Eine vierte Säule, die in dem Konzept gefordert ist, ist die Binnendifferenzierung im normalen Schulalltag. Eine Mutter sagte mir: „Es kommt darauf an, wie Begabtenförde- rung an den Schulen gelebt wird. Papier ist geduldig. Es kommt auf die Haltung an, mit der den einzelnen SchülerInnen begegnet wird.“ Wichtig sei nicht in erster Linie die Fachlichkeit, in der Praxis erweise es sich als sehr viel entscheidender, ob Lehrkräfte methodisch und pädagogisch damit umgehen könnten, wenn Kinder verschieden sind.
Das gemeinsame Lernen steht bei Ihnen nicht hoch im Kurs, das zeigt die Version des Referentenentwurfes, der im Lande kursiert, deutlich. Die anderen beiden Säulen: Stär- kung im Schulumfeld und Netzwerksschulen – die müssen ausgebaut werden. Aber diese Säule, Minister, sollte in der Hochbegabtenförderung nicht zu ihrem schwarzen Fleck werden. Genauer hinschauen. Dann haben nicht nur hochbegabte Kinder und Jugendliche etwas davon, sondern alle.
Julia ist inzwischen wieder zurück in Kiel. In einer Klasse, in denen Lehrkräfte nicht mit unterschiedlichen Lernformen und -schnelligkeiten umgehen können. In Enrichement- kursen, die sie nett findet, aber nicht wirklich fordern. Aber zumindest lebt sie wieder mit ihrer Familie zusammen.

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