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Thorsten Fürter zur Änderung des Wahlgesetzes
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 TOP 2 – Änderung Landeswahlgesetz Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de Dazu sagt der innen- und rechtspolitische www.sh.gruene-fraktion.de Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Nr. 513.09 / 19.11.2009 Thorsten Fürter:Totalschaden der Demokratie beseitigenSehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,wir sind es ja heute gewohnt, in großen Zahlen zu denken. Wenn es um Staatshilfen für Banken oder die Vergütungen von Managern geht, reden wir über Millionen und Milliarden. Dagegen stelle ich eine andere Zahl: 27.465. Nimmt sich erst einmal bescheiden aus. Aber meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es um die Demokratie geht, sind 27.465 nicht bescheiden, keine Peanuts. Sie sind ein handfester Totalschaden der Demokratie, verursacht durch das derzeit gültige Wahlrecht. Diesen Totalschaden wollen wir beseitigen.SPD, Grüne, Linke und SSW kamen bei der Landtagswahl auf 772.445 Stimmen. CDU und FDP haben zusammen 744.950 Stimmen. Da sind sie wieder, die 27.495 Stimmen, die Ihrer Regierung fehlen. Die Sitzverteilung gibt diesen klaren Wählerauftrag nicht wieder. Da ha- ben CDU und FDP drei Sitze mehr, als die Oppositionsparteien zusammen. Es kann nicht richtig sein. Eine so enorme Verschiebung des Willens der Wählerinnen und Wähler darf es in einer Demokratie nicht geben.Deshalb umfasst unser Antrag drei Änderungen:Wir wollen die Wahlkreise erheblich reduzieren. Es ist politisch immer ein schwaches Argu- ment am Ende Recht behalten zu haben. Trotzdem sei noch einmal der Hinweis erlaubt: Unsere Kritik, die wir zusammen mit dem SSW und der FDP an der Anzahl der Wahlkreise geäußert haben, sind bis jetzt immer bei CDU und SPD kalt abgeblitzt. Seite 1 von 3 Bei dieser Landtagswahl sind nun die Auswüchse dieser verfehlten Politik der letzten Jahre deutlich geworden. Statt – wie vorgesehen 69 Abgeordnete – sitzen nun insgesamt 95 Ab- geordnete in diesem Saal. Dies alles hätte vermieden werden können, hätte man spätes- tens bei der Reduzierung der regulären Abgeordnetenzahl von 75 auf 69 im Jahr 2003 auch eine Angleichung der Anzahl von Wahlkreisen und Listenmandaten vorgenommen. Denn nur dadurch ist die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate wirksam einzugrenzen.Wenn es jetzt landesweit auch über die Kosten der Demokratie diskutiert wird, ist das eine Debatte, die Sie zu verantworten haben, liebe Freundinnen und Freunde aus den Volkspar- teien. Die SPD hat bei dieser Wahl schmerzlich erfahren, was es für die Direktkandidatin- nen und -kandidaten bedeutet, wenn das Wort „Volkspartei“ nicht mehr zu den prozentualen Ergebnissen passt. Und ich sage es Ihnen hier und heute voraus: Das nächste Mal wird die CDU denselben Weg entlanggehen.Wir haben eben nicht mehr zwei starke Volksparteien über 40 Prozent. Es hat sich ein Fünf- beziehungsweise hier in Schleswig-Holstein ein Sechs-Parteien-System etabliert, in dem die prozentualen Unterschiede der Parteien immer geringer werden. Die jungen Menschen, die in der Informationsgesellschaft groß geworden sind, verlangen nach Parteien mit klaren Botschaften. Eine Entwicklung, von der die Parteien wie Grüne, FDP und Linkspartei profi- tieren. Das Wahlrecht kann diesen Trend nicht ignorieren. Wir müssen es modernisieren.Wir dürfen jetzt keine halben Sachen machen. Eine Reduzierung der Wahlkreise auf 35 würde ausreichen, wenn wir Volksparteien hätten, die – wie es in meiner Jugend der Fall war – vor Kraft strotzen. Hätten wir bei der jüngsten Landtagswahl 35 Wahlkreise gehabt, wären wahrscheinlich 30 Direktmandate auf die CDU entfallen. Da der CDU eigentlich nur 23 Mandate zustehen, hätte das zu sieben Überhangmandaten geführt. Dazu wären noch Ausgleichmandate gekommen. Der Landtag wäre also wieder total aufgebläht. Nein, wir brauchen eine deutliche Reduzierung der Wahlkreise auf 30. Nur das wird dazu führen, Ü- berhangmandate unwahrscheinlich zu machen.Wir wollen zweitens das Sitzverteilungsverfahren gerechter machen. Das bisherige Verfah- ren ist nicht mehr zeitgemäß. Von 16 Bundesländern verfahren nur noch 12 nach d’Hondt. Zuletzt hat Baden-Württemberg im Februar 2006 das Verfahren nach Sainte Lagu/Schepers für die nächste Landtagswahl eingeführt. Der Bundeswahlleiter kam in einer Studie bereits 1999 zu dem Schluss, dass das Verfahren, das wir Ihnen heute vorschlagen, das gerech- teste Wahlverfahren ist. Deshalb gilt es inzwischen auch für die Bundestagswahl. In Schleswig-Holstein sollten wir nachziehen.Wir wollen drittens die verfassungswidrige Deckelung der Ausgleichsmandate sichern. Be- reits in der letzten Wahlperiode hat die Grüne Landtagsfraktion hierzu eine Gesetzesände- rung vorgeschlagen. Auch diese Änderung wurde damals von CDU und SPD abgelehnt. Damals gab mein geschätzter Kollege Hentschel u.a. folgende Begründung für die Ände- rung in seiner Rede an. Ich zitiere:„Wir wollen damit verhindern, dass es bei der in nicht einmal zwei Jahren anstehenden Landtagswahl zu den gleichen Problemen kommt, welche wir jetzt in der Nachschau mit den Ergebnissen der Kommunalwahlen von Mai hatten und haben.“Und weiter: „Meine Damen und Herren, man stelle sich mal vor, diese Unklarheiten würden nach einer Landtagswahl auftreten und die Mehrheitsbildung würde dann über Monate oder gar Jahre von einer Gerichtsentscheidung abhängen. So etwas darf nicht passieren, und deshalb muss rechtzeitig vor der Landtagswahl 2010 Klarheit geschaffen werden.“ 2 Das zeigt: Der Totalschaden für die Demokratie, den wir jetzt haben, geht auf das Konto der großen Koalition. Sie haben damals die auf Rot geschaltete Ampel nicht übersehen, nein. Sie haben das Signal voll erkannt und trotzdem aufs Gaspedal gedrückt. Die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein haben jetzt den Schaden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht mir um die Sache. Lassen Sie mich deshalb zum Schluss meiner Rede noch einen versöhnlichen Gedanken anbringen:Ich weiß, dass sie den Vorwurf der mangelnden Legitimität der Regierung nicht akzeptieren werden. Sie werden verweisen auf die durchaus in einer demokratischen Wahl in den Wahl- kreisen legitimierten Direktkandidaten. Liebe CDU-Fraktion, liebe SPD-Parlamentarier aus Kiel und Lübeck. Ich möchte niemand von Ihnen persönlich die Legitimität absprechen. Ich freue mich, hier im Landtag mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Es ändert aber nichts daran, dass die Verzerrung des Wahlergebnisses durch die Überhangmandate ein Ausmaß ange- nommen hat, das die Verfassung nicht gewollt hat.Zugleich weiß ich, dass die von Ihnen, Herr Ministerpräsident Carstensen, gebildete Regie- rung gar keine andere Möglichkeit hatte, als die sich aus der Sitzverteilung ergebende Par- lamentsmehrheit zu nutzen. Sie sind insoweit auch Opfer des verkorksten Wahlrechts, das wir jetzt gemeinsam modernisieren sollten.Ich denke, dieses Mal sollten wir wirklich zu einer für die Zukunft tragfähigen Lösung kom- men. Ich beantrage die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss. *** 3