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Angelika Birk zum Denkmalschutz und dem Kieler Universitätscampus
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 39 – Kieler Universitätscampus Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 und Denkmalschutz 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 Dazu sagt die kulturpolitische Sprecherin Fax: 0431 / 988 - 1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53Angelika Birk: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 194.09 / 07.05.2009Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte um den Denkmalschutz für die ModerneWer die politische Auseinandersetzung um den Denkmalschutz des Kieler Universitätsge- ländes verstehen und entscheiden will, sollte einen kurzen Blick auf die politische Karriere des Denkmalschutzes der letzten vierzig Jahre werfen: In den siebziger und achtziger Jah- ren besetzten junge Leute die Jugendstilvillen der Frankfurter Innenstadt, in Berlin, Ham- burg und vielen anderen westdeutschen Städten.Das internationale Phänomen der jeweils lokal agierenden Hausbesetzerbewegung rettete in Europa und Amerika im Laufe von knapp zwanzig Jahren so manches Quartier und ver- half dem Denkmalschutz zu einem erweiterten städtebaulichen Verständnis.Ergänzend zum traditionellen Denkmalschutz für Schlösser und Kirchen wurden Erhal- tungssatzungen zum alltäglichen städtebaulichen Planungsinstrument, beispielsweise auch zur Rettung der mittelalterlichen Altsstadt in Lübeck. Und die Erringung des Titels UNESCO-Weltkulturerbes geriet zu einem generationsübergreifend gefeierten Politikum der ehemaligen Königin der Hanse.Die Hausbesetzerbewegung war hinsichtlich des Erhaltes von Denkmälern und Stadtquar- tieren erstaunlich erfolgreich. Sinnbildlich dafür steht, dass viele der damals vom Abriss be- drohten Häuser heute als teure Vorzeigeimmobilien überleben - nicht zuletzt auch Dank ih- res durch die Besetzung erstrittenen Denkmaltitels.Angesichts der symbolträchtig aufgeladenen bundesdeutschen Geschichte des Denkmal- schutzes ist die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg, sind sogar die steinernen Zeitzeu- gen der Bauhausformensprache, bisher keinen gesellschaftlichen Aufschrei wert. Seite 1 von 2 Im Gegenteil, sie erscheinen den meisten Menschen keineswegs denkmalwürdig. Die archi- tektonische Formensprache der Moderne, die in die Jahre gekommene neue Sachlichkeit mit bröckelndem Betonfassaden, leckenden Flachdächern und zugigen Metallfenstern er- weckt in Ost- und Westdeutschland bei den meisten Menschen den Wunsch nach der Ab- rissbirne.So liegen uns aktuell 3000 Unterschriften von Studierenden der CAU Kiel vor, die sich ganz anders als Studierendengenerationen vor Ihnen nicht für den Erhalt, sondern für den Abriss und Neubau von Bauten stark machen. Die Dysfunktionalität der Räume für den Bedarf ei- ner überfüllten Massenuniversität ist an der CAU leicht nachzuvollziehen und ein rationales Argument für komplette Neubauten.Aber es geht hier nicht um irgendwelche Bauten, sondern um das Herzstück der Universität. Offenbar lassen diese Lehrgehäuse die studentischen Herzen keineswegs höher schlagen, verbinden sich nicht mit einem Gefühl der Identität als Mitglied der Christian-Albrechts- Universität. Das sollte uns zu denken geben und hat wahrscheinlich nur wenig mit Baufra- gen zu tun.Das Phänomen, dass symbolträchtige Bauten, die gerade keine Nähe zum aktuellen Ge- schmacksurteil haben, von Abriss bedroht sind, ist allerdings keineswegs neu. Nur mit einer Stimme Mehrheit wurde in der Lübecker Bürgerschaft im 19. Jahrhundert der Abriss des Holstentores verhindert, eine knappe Mehrheit gegen den ökonomischen und ästhetischen Mainstream der damaligen Zeit, der in dem verfallenen düsteren mittelalterlichen Gemäuer nur die störende Behinderung einer modernen funktionalen Lübecker Stadtentwicklung sah.Denkmalschutz ist aber gemessen an den jeweils aktuellen Kriterien der Gebäudefunktiona- lität immer irrational. Dies gilt für Schloss Gottorf ebenso wie für das Audimax der CAU, auch und wenn sich doch gerade letzteres nach dem Selbstverständnis seiner Erbauer als im höchsten Maße als rationales und rationelles Gebäude der Moderne versteht. Vor die- sem Hintergrund sind wir gefordert, eine gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit dem jüngsten baulichen Erbe zu führen und eine Entscheidung zu treffen, die diese steiner- nen Zeitzeugen auch in einem stadträumlichen Kontext sieht. Angesichts des Konjunktur- programms II und anderer dringender Pläne steht diese Debatte in Kiel unter Zeitdruck.Trotzdem sollten wir mit Kulturfachleuten und NutzerInnen der CAU folgende Fragen disku- tieren und entscheiden. Welche Ensembles der ersten zwanzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg müssen in Kiel bewahrt werden? Welche Rolle spielen vor diesem Hintergrund die Universitätsgebäude? Sicher keine geringe, darauf weist die bisherigen Baugeschichte hin. Welche Varianten der dringend notwendigen energetischen und funktionalen Optimierung sind trotz Denkmalschutz möglich? Und was muss getan werden, damit sich Studierende in diesen Gebäuden zum Lernen und zur Begegnung tatsächlich inspiriert fühlen können? *** 2