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06.04.09 , 11:23 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel: Gesetzentwurf zur HSH Nordbank ablehnen

Presseinformation

TOP 1 – Gesetz zum Staatsvertrag zw. HH und S-H über die Errichtung der „HSH Finanzfonds AöR“ Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Dazu sagt der Vorsitzende der Fraktion Pressesprecherin Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Jacob Landeshaus Karl-Martin Hentschel: Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Entscheidung vertagen – Erst alle Mobil: 0172 / 541 83 53
Modelle im Interesse des Landes presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de prüfen Nr. 158.09 / 03.04.2009

Das Parlament soll heute über die größte finanzielle Transaktion entscheiden, die dieses Parlament je getroffen hat. Für meine Fraktion sind dabei folgende Fragen entscheidend: 1. Gab es eine Alternative dazu, dass die Kreditlast und die Garantien allein von Ham- burg und Schleswig-Holstein getragen werden? 2. Entspricht das vorliegende Gesetz mit dem vorliegenden Geschäftsmodell und dem vorliegenden Staatsvertrag den Interessen des Landes? 3. Müssen wir heute entscheiden – oder haben wir noch eine andere Option? 4. Trauen wir den handelnden Personen zu, den nötigen Reformprozess der Bank im Interesse des Landes zu steuern?
Zum Ersten: Gab es eine Alternative?
Ja – es spricht alles dafür, dass es eine Alternative gab.
Ex-Minister Marnette hat ausdrücklich bestätigt, dass er in Kenntnis darüber sei, dass die SoFFin für die Rekapitalisierung der Bank früher ins Boot hätte geholt werden können, wenn man rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen dafür getroffen hätte.
Dass es eine Alternative gab, dafür spricht auch die Aussage von Ralf Stegner, immerhin Fraktionsvorsitzender einer Regierungspartei. Er sagte am 30. März 2009 nach einem Ge- spräch mit Bundesfinanzminister Steinbrück (Zitat KN vom 31.3.09): „Der Bundesfinanzminister habe ihn autorisiert mitzuteilen … dass es Angebote an die Ministerpräsidenten gegeben habe, zu helfen. … Aber offensichtlich … habe man die damit verbundene Aufsicht durch das SPD-geführte Finanzministerium nicht ge- wollt.“
Und genau dieser Minister Steinbrück schrieb gestern in einem Brief an den Finanzaus- schuss - Finanzminister Wiegard behauptete gestern doch tatsächlich, sie sei „sybillinisch“ und „missverständlich“:
Seite 1 von 5 „Die Landesregierung hatte vor diesem Hintergrund prinzipiell zwei Möglichkeiten: Erstens … eine Rekapitalisierung über den SoFFin … Die Landesregierung hat sich seinerzeit gegen diesen Weg entschieden. Statt dessen hat sich die Landesregierung für die zweite Möglichkeit einer Unterstützung über Garantien … entschieden.“
Für jeden, der Deutsch kann, sind diese Worte klar. Glasklar.
Und jeder, der das Vergnügen hatte, mit dem Bundesfinanzminister zusammenarbeiten – und ich hatte dieses Vergnügen 3 Jahre lang – der weiß, dass er keineswegs ein Freund von sybillinischen Formulierungen ist.
Im Gegenteil! Minister Wiegard versucht seit Monaten das Parlament mit sybillinischen Äu- ßerungen an der Nase herum zu führen.
Meine Fraktion fragte den Minister am 30. März 2009, wieso der Minister die EU nicht schon im Dezember gefragt hatte, ob eine Dividendenzahlung erlaubt sei, wenn ein Konzern Staatshilfen bekommt. Damals hatte nämlich die Bank die ersten Dividenden über 64 Mio. EURO angekündigt. Das Ministerium antwortete wie folgt: „Die Entscheidung, die … Kernkapitalerhöhung und Risikoabschirmung … nicht über den SoFFin unter dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, sondern durch die Anteils- eigner Hamburg und Schleswig-Holstein vorzunehmen, ist erst 2009 gefallen.“
Ich halte fest: Es gab eine Entscheidung – es war kein Diktat der SoFFin, wie sie immer be- hauptet haben. Und zweitens – die Entscheidung fiel erst im Februar 2009.
Die Märchenstunden von Minister Wiegard für dieses Parlament sind am Ende. Es reicht uns. Ministerpräsident Carstensen hat personelle Konsequenzen angedroht und ich kann Herrn Wiegard nur empfehlen, dem zuvor zu kommen!

Zum Zweiten: Ist das vorliegende Geschäftsmodell das beste Modell für das Land oder gibt es dafür eine Alternative?
Minister Wiegard sagt, dass die Bank das für sie beste Modell ausgewählt hat. Und die Be- rater des Landes und die SoFFin haben geprüft, ob das Modell plausibel ist. Also sei es auch gut für das Land.
Genau das ist aber ein Trugschluss! Denn wenn es Garantien auf alte Portfolios vom Land gibt, dann ist es geradezu in höchstem Interesse der HSH, dass diese Garantien auch ge- zogen werden. Um so eher ist nämlich die Bank entlastet und umso besser steht sie hinter- her da. Das Land ist aber der Angeschmierte, weil es das Geld der Steuerzahl los ist.

Genau das haben im Übrigen die Gutachter der beiden Regierungsfraktionen von Saal- Oppenheim aufgeschrieben: „Grundsätzlich werden sich in verschiedenen Konstellationen Interessenkonflikte zwischen der HSH Nordbank AG und dem Garanten ergeben.“ Und weiter: „Sollte (ein Kredit) über die Garantie abgesichert sein, könnte es aus Sicht der Bank unter Umständen ökonomisch sinnvoller sein, die Garantie in Anspruch zu nehmen, während der Garant den späteren erhöhten Erlös wählen würde.“

2 Und nun kommt der Hammer: „Zu bedenken ist an dieser Stelle, das der Vorstand der HSH Nordbank AG nach Ab- schluss der Garantie rechtlich verpflichtet ist, diese Rechtsposition aus der Garantie im Sinne der HSH Nordbank AG zu nutzen.“
Das heißt: Solange nicht klar ist, was die Abbaubank und was die Kernbank ist und was ei- gentlich genau abgesichert werden soll – und das dauert nach Ihrer Aussage noch 12 Mo- nate - solange läuft das Land Gefahr, Milliarden in die Bank zu pumpen und hinterher wie der Dumme dazustehen. Und wohlgemerkt: Das sind keine Erfindungen von mir, sondern Zitate der Gutachter.
Und wie reagieren die Regierungsfraktionen auf diese Erkenntnis? Sie ändern nicht etwa das Unternehmensmodell. Sie ändern auch nicht das Gesetz über die Garantievergabe. Stattdessen kommen sie hier zum dritten Mal mit einer Resolution in den Landtag, die we- der eine Rechtswirkung gegenüber der HSH-Nordbank noch gegenüber dem Garantie- fonds entfaltet. Das ist unverantwortlich!
Auch hier erinnere ich noch mal an die Aussage von Ex-Minister Marnette in seinem Fern- sehinterview am 30.03.09: „Wissen Sie, es weiß keiner, wie die Abbaubank heute aussieht. Die Kernbank ist noch nicht bewertet worden.“
Das Parlament darf nach all dem, was passiert ist, 13 Mrd. EURO nicht leichtfertig freige- ben. Das sind Gelder der Bürger unseres Landes, für die wir die Verantwortung tragen!

Zum Dritten: Müssen wir heute entscheiden? Ich denke Nein! Wir schlagen dem Parlament vor, dass die Entscheidung um drei Wochen vertagt wird. Sie sagen, „das geht nicht? Die GRÜNEN haben in Hamburg ja auch zugestimmt – ja sogar die SPD“! Ich bin da anderer Auffassung und möchte diese begründen.
Herr Sanio von der Bankenaufsicht hat auf genau diese Frage von mir im Finanzausschuss gesagt, dass eine zeitnahe Entscheidung erforderlich ist. Er hat dafür aber keinen Termin gesetzt und Verständnis dafür geäußert, dass eine gründliche Beratung im Parlament er- folgt. Eine Frist von drei Woche dürfte beidem gerecht werden. Ich bin ganz sicher, dass Herr Sanio – wenn wir ihm klar signalisieren – und das tut unsere Resolution - dass wir am 24. April 2009 entscheiden – dass Herr Sanio eine systemrelevante Bank bis dahin nicht zu macht!
In dieser Zeit könnte der Staatsvertrag so überarbeitet werden, dass die von uns genannten Punkte eingearbeitet werden. Dazu gehört, dass das Geschäftsmodell eine schnellstmögli- che Trennung von Abbaubank und Kernbank vorsieht und darauf ausgerichtet wird, dass zum schnellstmöglichen Zeitpunkt eine Bereitstellung von Kapital für die Kernbank durch den SOFFin möglich wird.
Dazu gehört auch, dass das Geschäftsmodell auf einen schnellst möglichen Ausstieg des Landes optimiert wird. Weiterhin wollen wir, dass im Staatsvertrag sichergestellt wird, dass das Risikomanagement der Bank so verbessert wird, dass Geschäfte mit erheblichen Ver- lustpotential künftig vermieden werden. 3 Und wir wollen einen weiteren Fehler beheben, den wir bei der Gründung der HSH damals gemacht haben. Wir wollen endlich einen verbindlichen Verhaltenskodex – einen Corporate Government Codex – für die HSH festlegen, auf einem Standard, wie er in anderen interna- tional tätigen Firmen längst üblich ist. Dazu gehören ethische Kriterien für Geschäfte der Bank in Hinblick auf ökologische und soziale Standards ebenso wie klare Aussagen zu den Themen Korruption und Steuerumgehung. Was Bertelsmann und Daimler-Benz können, das sollte für ein Unternehmen, das sich überwiegend in Staatshand befindet, auch möglich sein.
Dazu gehören ebenfalls die angekündigten Begrenzungen der Vergütung von Aufsichtsrat, Vorstand und leitenden MitarbeiterInnen. Wir greifen dabei einen Vorschlag auf, den die Mi- nister Steinbrück und Steinmeier in ihrem Papier zur Kontrolle der Kapitalmärkte vorge- schlagen haben. Wir schlagen vor, dass Aufsichtsräte und Vorstand rückwirkend an Verlus- ten teilweise beteiligt werden. Und wir schlagen vor, dass sie sich nicht nur in begrenzter Höhe gegen die rückwirkende Verlustbeteiligung versichern dürfen.
Und damit die Umsetzung dieses Plans in drei Wochen möglich ist, schlagen wir vor, nach dem Vorbild Bayerns eine Kommission einzurichten, die Einblick in alle Unterlagen hat. In dieser Kommission sollen neben Experten und SoFFin auch alle Fraktionen beteiligt sein, damit diese anschließend wissen, was sie verabschieden sollen.
Was überhaupt nicht geht, ist, dass der neue Wirtschaftsminister Biel erklärt, er wolle mit all dem allen nichts zu tun haben. Wir erwarten, dass der Wirtschaftsminister folgende Stel- lungnahmen vorlegt: Erstens: Über die Auswirkungen des Geschäftsmodells auf die regio- nale Wirtschaft. Zweitens: Über die Plausibilität der Prognosen zu den kritischen Geschäfts- feldern Schiffsfinanzierung, Immobilien und Transport.
Wenn das alles geschehen ist, dann treffen wir uns hier am 24. April 2009 wieder und ver- abschieden das Gesetz. Das sind wir den Bürgern von Schleswig-Holstein schuldig!

Nun zu meiner vierten und letzten Frage: Trauen wir den handelnden Personen zu, den nötigen Reformprozess der Bank im Interes- se des Landes zu steuern?
Dazu eine kleine Geschichte: Letzte Woche Dienstag war der Ex-Wirtschaftsminister Marnette auf meine Einladung hin bei uns in der Fraktion. Auf die Frage von Frau Heinold, was er denn dazu sagen würde, dass die EU die Dividen- denzahlung über 200 Mio. EURO untersagt hätte, stellte sich heraus, dass er davon noch nichts wusste.
Fünf Tage, nach dem der Finanzminister die Mitteilung der EU bekommen hatte, hatte er nicht mal seinen Kabinettskollegen aus der eigenen Partei informiert. Wie muss sich ein Wirtschaftsminister der CDU gefühlt haben, dass er solch eine Hiobsbotschaft auf der Frak- tionssitzung der GRÜNEN erfährt. Dass dann ein Minister die Schnauze voll hat und in den Dutt haut, das braucht wirklich niemanden zu wundern.
Und Herr Biel, ich finde, dass Sie für eine solche Partei in so einem Zustand keinen Wahl- kampf machen wollen, das hat Stil und spricht für Sie!
In den letzten Monaten ist gegenüber dem Parlament immer wieder getrickst und mit Falschaussagen gearbeitet worden. Falsche Gewinnerwartungen wurden verbreitet – die
4 sich im Nachhinein als Milliardenverluste herausstellten. Falsche Aussagen wurden verbrei- tet, dass die Dividendenausschüttungen EU-konform seien. Ja es wurden sogar rückwir- kend Verträge geändert, um Geschäftspartnern 64 Mio. EURO Sonderdividenden zukom- men zu lassen – und das obwohl sie wussten, dass das in Bayern bereits untersagt worden war.
Es wurden Sonderprüfungen versprochen, die nach Aktenlage zwar geplant, aber explizit nicht durchgeführt wurden. Uns wurde monatelang vorgemacht, es hätte nie eine Alternati- ve zur Bereitstellung einer Landesbürgschaft bestanden.
Nach all dem ist mein Vertrauen in die handelnden Personen erschöpft. Ich kann nur kons- tatieren: Am letzten Sonntag ist leider der falsche Minister zurückgetreten. Das ist nicht nur meine Meinung, dass wird ihnen jeder auf der Straße sagen!
Der Ex-Wirtschaftsminister – nein – ich meine nicht Marnette, ich meine Austermann, sagte vor drei Tagen: „Wenn Entscheidungen immer direkt von einem Einzelnen getroffen werden und die anderen keine Rolle spielen, fragt sich so mancher Minister: Was soll ich hier über- haupt noch?“
Da kann ich nur sagen: Herr Austermann hat ausnahmsweise Recht. Auch ich habe kein Vertrauen mehr in diesen Ministerpräsidenten! Einsame Entscheidungen im Staatskanzlei- Bunker ohne jede Rückkopplung und Ignorieren von Sachverstand sind keine Grundlage für verantwortungsvolle Entscheidungen.
Ich beobachte mit einiger Verwunderung die Debatte, die sich die CDU zu Zeit leistet. Wäh- rend unser Land sich in der größten Krise seiner Geschichte befindet, und wir hier im Land- tag über Milliarden Hilfen an unsere marode Bank entscheiden müssen, zerfleischt sich die Partei des Ministerpräsidenten in einem öffentlichen Personalkrieg.
Ich kann den Kollegen von der Union nur den Tipp geben: Lassen Sie sich – auch und ge- rade im Interesse dieses Landes – dieses Trauerspiel nicht länger bieten. Die Menschen im Lande haben davon die Nase voll!

Ich fasse zusammen: Erstens. Es gab Alternativen zur Bereitstellung der 13 Milliarden. Zweitens: Der Staatsvertrag und das Geschäftsmodell sind nicht in Hinblick auf die Interes- sen des Landes optimiert. Drittens: Wir müssen nicht heute entscheiden. Und Viertens: Wir haben kein Vertrauen in die handelnden Personen.
Nach dem, was ich von vielen meiner Parlamentarier-KollegInnen in den letzten Tagen ge- hört habe, geht es den meisten genau so wie meiner Fraktion, und ich appelliere an Sie:
Stimmen Sie dem Gesetz nicht zu! Es geht um 13 Milliarden EURO – 13 Milliarden Euro!
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“ sagte Friedrich Hölderlin. Deshalb wachsen auch Sie über sich hinaus und stimmen Sie deshalb für unseren Antrag. *** 5

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