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25.03.09 , 11:55 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zu Misshandlungen in Erziehungsheimen in Schleswig-Holstein

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion TOP 22 – Konsequenzen aus Misshandlungen in Schleswig-Holstein Kinder- und Erziehungsheimen in Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der kinder- und jugendpolitische Sprecherin Landeshaus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Monika Heinold: Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 124.09 / 25.03.2009


Menschenverachtende Fürsorgeerziehung aufarbeiten
Der Antrag, den wir heute mit den Stimmen aller Fraktionen beschließen, ist ein Meilenstein in der Aufarbeitung der Fürsorgeerziehung der 50er, 60er und 70er Jahre. Zum ersten Mal erkennt der Schleswig-Holsteinische Landtag das Unrecht und Leid an, das Kindern und Jugendlichen damals in den Landesfürsorgeheimen widerfahren ist und drückt sein tiefstes Bedauern aus. Diese Anerkennung war überfällig.
Bis heute haben die verantwortlichen Träger zu den menschenverachtenden Zuständen in ihren Heimen überwiegend geschwiegen und jede Form einer Entschuldigung oder finan- ziellen Entschädigung abgelehnt.
Ich danke den ehemaligen Heimkindern, welche nicht müde werden, die Aufarbeitung der menschenverachtenden Erziehungsmethoden einzufordern. Sie sind es, die auch anderen „Heimzöglingen“ ermöglichen über ihr Schicksal zu reden und zu erkennen, dass nicht sie die Versager waren, sondern dass die damals Verantwortlichen versagt haben.
Auch das Land Schleswig-Holstein hat damals versagt. Obwohl schon im August 1969 der SPD Landtagsabgeordnete Klinke im Volkswohlfahrtsausschuss folgende Feststellung traf: „Es muss bezweifelt werden, ob die in Glückstadt praktizierte Erziehung überhaupt noch verantwortet werden kann.“ geschah fünf Jahre lang nichts.
Die Jugendlichen erlebten gefängnisähnliche Zustände. Sie waren der Willkür und dem Machtmissbrauch des Personals ausgesetzt. Sie wurden gedemütigt, erniedrigt und miss- handelt. Der pädagogische Auftrag wurde pervertiert.


Seite 1 von 2 Eine parlamentarische Kontrolle fand zwar statt, aber es fand sich keine Mehrheit, um die unhaltbaren Zustände abzustellen. Das Heim wurde erst geschlossen, als es nicht mehr wirtschaftlich war.
Die Verletzungen der ehemaligen Heimkinder an Körper und Seele wirken bis heute. Wer über Monate oder Jahre physischer, psychischer und sexueller Gewalt ausgeliefert war, wer von Betreuern systematisch gedemütigt wurde, wer in Anstaltskleidung ohne Vergütung und Sozialversicherung hart arbeiten musste, der hat zumindest ein Recht auf eine Entschuldi- gung. Der hat ein Recht darauf, dass durch Zwangsarbeit im Heim verlorene Rentenan- sprüche ausgeglichen werden. Diese Punkte umfasste der von meiner Fraktion im Juli 2008 eingebrachte Landtagsantrag.
Der heutige, gemeinsame Antrag bleibt dahinter zurück. Ich trage ihn dennoch mit, denn er ist ein wichtiger erster Schritt des Landtages, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Dies habe ich auch den Betroffenen gesagt, welche mir im Vorfeld der heutigen Beratung ihren Unmut mitgeteilt haben.
Die Betroffenen hatten mehr erwartet – ich auch. Ich kann nicht verstehen, warum wir uns als Landtag nicht für damals in Verantwortung des Landes geschehenes Unrecht entschul- digen! Ich kann nicht verstehen, warum der Landtag nicht für eine Berücksichtigung der Zwangsarbeit bei Rentenanwartschaften und Rentenzahlungen eintritt.
Dabei hatte sich sogar die Landesregierung für diese Forderung ausgesprochen. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung der Sozialministerin vom 26. November 2008: „Die Frage der Entschädigung und Entschuldigung muss endlich geklärt werden.“
Aber die Große Koalition wollte die Frage der Entschuldigung und Entschädigung nicht in den gemeinsamen Antrag aufnehmen. Deshalb kann der heutige Beschluss nur ein erster Schritt sein. Die wissenschaftliche Aufarbeitung muss konsequent weiter gehen; die Runden Tische in Kiel und Berlin auch. Dem Landtag muss schriftlich berichtet werden.
Es ist wichtig, dass wir die Auseinandersetzung mit der damaligen „Pädagogik“, welche aus Gewalt und Demütigung bestand, heute nicht beenden. Um aus der Geschichte zu lernen und damit wird genau hinschauen, wenn wir heute über pädagogische Maßnahmen in der Jugendhilfe diskutieren. Die damals betroffenen Menschen sind heute zwischen 50 und 70 Jahre alt. Soll es zu einer glaubwürdigen Anerkennung und Entschädigung kommen, darf das Verfahren nicht über Jahre in Länge gezogen werden.
Mit dem vorliegenden Antrag setzen wir keinen Schlusspunkt, sondern wir beginnen mit der Aufarbeitung.
Ich bedanke mich, trotz aller offenen Punkte bei Ihnen, dass es gelungen ist, einen gemein- samen Antrag zu formulieren!

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