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Angelika Birk zur Kulturentwicklung Schleswig-Holsteins
Presseinformation Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP 9 – Kulturelle Entwicklung Schleswig-Holsteins Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die kulturpolitische Sprecherin 24105 Kiel der Grünen Landtagsfraktion, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Angelika Birk: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 075.09 / 26.02.2009Kulturpolitik ist Zukunftspolitik Die Landesregierung hat 2005 die Kulturpolitik zur Chefsache erklärt und in die Staats- kanzlei geholt. Das hat Kontroversen ausgelöst, aber immerhin auch die Erwartung ge- weckt, der Kulturpolitik würde seitens der Landsregierung mehr Bedeutung beigemes- sen und mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt.Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Zwar gibt es in einigen Bereichen trotz nicht gestiegener Förderung erfreuliche kulturelle Entwicklungen in Schleswig-Holstein, diese aber aufgrund des Engagements der Kulturschaffenden, nicht aufgrund des Einsatzes unseres Ministerpräsidenten.Gerade jenen Kommunen, die klamme Haushalte haben, empfiehlt und befielt das In- nenministerium Jahr für Jahr: Es sollten die freiwilligen Aufgaben eingespart werden und als Erstes fällt das Stichwort Kulturförderung. Das, was die Landesregierung offi- ziell zur Chefsache erklärt, sollen die Kommunen gleichzeitig als Erstes abschaffen.Mal abgesehen davon, dass von diesen mageren Beiträgen kein Haushalt saniert wer- den kann, ist dies ein Anschlag auf das Potenzial jedes Gemeinwesens. Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund die kommunalen Spitzenverbände die Beantwortung der Großen Anfrage abgelehnt haben. Diese Entwicklung dürfen wir weder dem Innenminis- terium, noch den Kommunen durchgehen lassen.Kultur und Kulturpolitik werden in Schleswig-Holstein in ihrer Dimension immer noch ra- dikal unterschätzt. Sie sind unverzichtbar in guten Zeiten und erst recht zu Krisenzeiten. Seite 1 von 4 Dies gilt umso mehr in der globalisierten Wissensgesellschaft, die auf Kreativität und Selbstverantwortung als gesellschaftlicher Ressource setzt. Kreatives Denken ist befrei- tes und befreiendes emanzipatorisches Denken. Kreativität löst Denkblockaden, eröff- net ungewöhnliche Perspektiven und nie gekannte Lösungswege.Kreativität ohne Verständigung darüber, was wir das „Gute Leben“ nennen, macht aber keinen Sinn. Wir brauchen unser gesamtes kreatives Potential, in der Kunst, der Tech- nik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, um den Übergang aus dem industriellen ins post- industrielle Zeitalter zu finden und zu gestalten.Beispielhaft nenne ich in Berlin nach dem Fall der Mauer, die Besetzung der leeren, he- runtergekommenen Häuser durch eine lebendige Kunst und Medienszene. Heute ist Berlin im Hinblick auf Kunst und Kultur eine der spannendsten Metropolen Europas und dies trägt wesentlich zur Wertschöpfung dieser ansonsten armen Stadt bei.Was wäre in Berlin erst möglich, wenn nicht die Lasten der pleite gegangenen Berliner Landesbank zu schultern wären. Die Lage unserer Bundeshauptsstadt sollte uns Mah- nung und Ermutigung gleichzeitig sein. Anstatt Räume leer stehen zu lassen, sollten bildenden KünstlerInnen und MusikerInnen für einen symbolischen Preis gestalten kön- nen.Wenn die Förderung von kreativen Potenzialen in jungen Menschen nicht in der Bil- dungs- und Sozialpolitik verankert wird, wird Kultur den Ruch des „Elitären“ nicht ab- streifen können.Zurzeit öffnen sich die Schulen in völlig neuer Weise und suchen nach eigenem Profil. Hier entsteht neuer Raum für Förderung von Kreativität und Innovation, gerade auch in der Ausweitung der Ganztagsangebote. Bundesweit sind die Bemühungen um kulturelle Bildung beispielhaft wie das Tanzprojekt „Rhythm is it“ mit den Berliner Philharmoni- kern, das Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ oder international die Arbeit des Duda- mel-Orchesters in Venezuela zeigen.In Schleswig-Holstein gibt es hierzu erfreuliche Kooperationen der Theater und öffent- lich geförderten Orchester mit Schul- und Jugendprojekten gerade für Kinder aus bil- dungsfernen Stadteilen: In Lübeck wurde zum Beispiel dank des Engagement eines Lehrers und von Jugendlichen, die aufgrund ihrer Herkunft kein Theater kannten, mit großem Erfolg ein Musical im Lübecker Stadttheater uraufgeführt.Doch möglich wurde dies erst aufgrund der großzügigen Spende einer Lübecker Stif- tung. Dies gilt auch für den kostenlosen Museumsbesuch für Kinder und Jugendliche im letzten Jahr und für ein angekündigtes Schulangebot, um den Museumsbesuch nicht am Geld scheitern zu lassen.Unsere Forderung: Die Rahmenverträge zwischen Schulen und Kulturschaffenden, ob es nun Musikschulen, bildenden KünstlerInnen, oder MuseumspädagogInnen sind, müssen auf solidere finanzielle Füße gestellt werden. 2 Wir hatten deshalb für die Haushalte 2009 und 2010 beantragt, den Landeszuschuss pro Kind für die Ganztagsangebote an Schulen zu verdoppeln, damit nicht gerade Kin- der aus bildungsfernen Schichten Kulturangebote an Schulen vorenthalten werden. Darüber hinaus erwarten wir von der Landesregierung mehr ressortübergreifende Zu- sammenarbeit, um Synergieeffekte zu fördern, damit Projekte nicht an mangelnder Ab- sprache und dem Schwarzen-Peterspiel zwischen den Ministerien scheitern.Musik- und Kunstunterricht müssen in allen Schularten selbstverständlich werden. Bis- her ist er es am ehesten in der Mittelstufe des Gymnasium und der Gesamtschulen. Alle anderen Schularten sind in dieser Hinsicht kulturelle Wüsten. Die Profiloberstufe, die wir bekanntlich ablehnen, muss wenigstens so flexibilisiert werden, dass musische Förde- rung nicht zur seltenen Spezies wird, wie es derzeit der Fall ist.Damit kommen wir zu den Basics: In Kindertagesstätten und Schulen fehlt es häufig an musischer Basisbildung, weil ErzieherInnen und LehrerInnen weder Singen, noch ein Instrument spielen können, oder nur eingefahrene Wege der bildnerischen Schaffens kennen und kindlichen Medienkonsum generell abwehren, anstatt die neue Generation an gute Medienprodukte heranzuführen sowie neue Medien mit ihnen gemeinsam zu schaffen. Der Landesmusikverband und die Landesarbeitsgemeinschaft Film haben hierzu hervorragende und vergleichsweise preisgünstige Ideen, wie hier in wenigen Jahren Lehrkräfte und ErzieherInnen flächendeckend fortgebildet werden. Diese gilt es aufzugreifen.Wir freuen uns, dass die Hochschulen im Bereich Musik, ihre Ausbildung als eine der ersten auf Bachelor und Master umgestellt haben und auch die Muthesius-Hochschule neue Wege geht, aber wir messen die Qualität dieser Ausbildung auch daran, wie sie dem gerade geschilderten Bedarf, Kultur für alle zu sichern und die aktive Partizipation aller am kulturellen Schaffen zu fördern, Rechnung trägt.Dies gilt auch für den Zugang zu Büchern und modernen Medien. Die Landesetats für die öffentlichen und wissenschaftlichen Bücherhallen sind seit vielen Jahren nicht er- höht worden. Faktisch bedeutet dies, dass das öffentliche Leseangebot immer ärmer und teurer wird.Oft fehlt die systematische Zusammenarbeit mit Schulbibliotheken, weil es weder Schul- noch Gemeindebibliothek gibt. Hervorragende Formen der Selbstorganisation, wie die Bücherpiraten in Lübeck, Kinder und Jugendliche, die selber vorlesen und wiederholt erfolgreiche Literaturtage mit Lesungen von AutorInnen und SchauspielerInnen organi- sieren, funktionieren nur, wenn aktuelle Bücher allen zugänglich sind. Es fehlt außer- dem seit langem ein Archivgesetz in Schleswig-Holstein, das die Aufbewahrung sensib- ler alter und der flüchtigen neuen Medien verlässlich regelt.Wir haben in den Kommunen einen riesigen Reparaturstau in den Theatern, Museen, Bibliotheken, Archiven, Musik- und Kunstschulen, Volkshochschulen sowie den Einrich- tungen der kulturellen Bildung und der Soziokultur, der dringend beseitigt werden muss. 3 Notwendig sind deshalb Maßnahmen zur Substanzerhaltung.Hier gilt es, wenigstens jetzt rasch das Konjunkturpaket II zu nutzen, das wenigstens für die Volkshochschulen und anderen Städten der Weiterbildung ein Förderungsfenster öffnet, aber das reicht nicht.Wir müssen gerade angesichts der Wirtschaftskrise neue Wege gehen, um Kulturpolitik als Daseinsvorsorge anzuerkennen, für deren Möglichkeit die öffentliche Hand verbind- licher als bisher, Verantwortung übernimmt. Denn wer seine eigene Kreativität nicht entwickeln kann und keinen Zugang zum kulturellen Reichtum der Gesellschaft hat, ist von der Teilhabe ausgeschlossen, und im wahrsten Sinne des Wortes arm dran. *** 4