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11.12.08 , 12:35 Uhr
B 90/Grüne

Angelika Birk zu den Ergebnissen der PISA-Studie

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 20 – PISA-Ländervergleich Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion 24105 Kiel Bündnis 90/Die Grünen, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Angelika Birk: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 435.08 / 11.12.2008 Testergebnisse nicht verschleiern, sondern ehrliche Konsequenzen ziehen! Noch immer haben die Schulen keinen wesentlichen Fortschritt in der zentralen Auf- gabe erreicht, Kindern aus bildungsfernen Schichten bessere Bildungschancen zu er- öffnen. 2006 war unser Bildungssystem noch nicht deutlich gerechter als 2001.
Zwar haben alle Bundesländer im Trend besser abgeschnitten als vor sechs Jahren, aber die Durchschnittsbildungsergebnisse der Bundesländer unterscheiden sich immer noch erheblich. Sie betragen zwischen dem besten und schlechtesten Bundesland immer noch über zwei Schuljahre. In Schleswig Holstein sind die Lernfortschritte nicht besonders groß ausgefallen, weswegen wir im Ranking der Bundesländer sogar deut- lich abfallen.
Die Ergebnisse sind der unterschiedlichen Zusammensetzung der Schülerschaft ge- schuldet. Großstädte mit hoher Arbeitslosigkeit, krassen Ungleichheiten zwischen Arm und Reich sowie einem sehr hohen Anteil an Migrantenkindern. Gerade für ihre Integ- ration wurde wenig getan, so dass sie eine besonders schwierige Ausgangslage für große Lernerfolge haben. Diese sozialen Unterschiede haben sich seit 2001 sogar noch verschärft.
Schleswig Holstein hat einerseits die sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen von Hamburg und andererseits die von Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark, die beide besser abgeschnitten haben als unsere Schulen. Insofern dürfte es besonders interessant sein, wie in unserem Bundesland die regionalen Ergebnisse ausfallen.
Interessant ist auch, dass die geschlechterstereotypischen Unterschiede nicht abge- baut wurden. Diese Nachricht schafft es leider kaum in die Medienschlagzeilen und gilt Seite 1 von 3 offenbar als weniger skandalös als andere Daten. Ob deshalb bisher in keinem Bun- desland seit den ersten Pisaergebnissen gezielte Programme entworfen wurden, um für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Schule zu sorgen?
Die CDU im Landtag, die schon gleich nach der Veröffentlichung der neuesten PISA- Ergebnisse Schleswig-Holstein an Sachsens Schulsystem ohne Hauptschule misst, und uns dieses Bundesland als leuchtendes Beispiel vorhielt, hat am traditionellen Schulsystem, das systembedingt Bildungsverlierer produziert, erbittert bis 2006 fest- gehalten und allen Schulreformversuchen in Schleswig-Holstein Steine in den Weg ge- legt. Auch heute noch bekämpft die CDU alle Formen längeren gemeinsamen Lernens jenseits des sechsten Schuljahres.
Noch schlimmer ist die FDP, die zwar gern mit vielen Zahlen der Regierung Versäum- nisse vorhält, aber außer der Forderung nach mehr Ressourcen seit zwanzig Jahren kein bildungspolitisches Konzept entwickelt hat, sondern im Gegenteil rückwärtsge- wandt an den getrennten Haupt- und Realschulen festhalten will.
Die Bildungsministerin tendiert zum Schönreden, wenn sie sich bei den jüngsten Pisa- ergebnissen nur an den Ergebnissen der Gymnasien Schleswig-Holsteins orientiert.
Angesichts der Lesedefizite insgesamt war es richtig, dass das Bildungsministerium schon in der letzten Legislaturperiode begann, in Kitas und Grundschulen die Voraus- setzungen für das Lesenlernen zu verbessern.
Damit komme ich zu den IGLU-Testergebnissen der Grundschulen, über deren positi- ves Ausfallen sich alle Bundesländer gefreut haben. Hier liegen die Bildungsunter- schiede der Länderdurchschnitte nur ein Schuljahr auseinander. Auch wenn man zu- gestehen muss, dass die Testverfahren verschieden sind: Bei IGLU wurden Schuljah- re und nicht Kinder gleichen Alters verglichen, wie bei PISA. Auch wenn ich gern über die vierten Schuljahrsergebnisse der Förderschulen mehr wüsste, so ist ein Fazit den- noch zwingend: Gemeinsames Lernen aller Kinder in den ersten vier Schuljahren hat bessere Ergebnisse, als Lernen in getrennten Bildungswegen in den folgenden vier Jahren.
Der Skandal der Grundschuluntersuchung liegt in der Zensur durch die Kultusminister- konferenz. Sie hat den ForscherInnen untersagt, Ergebnisse zu veröffentlichen, nach denen die Empfehlung für weiterführende Schulen - unabhängig von der Leistung der Kinder - vor allem mit Rücksicht auf den Bildungshintergrund der Eltern erfolgt.
Wer einen bildungsfernen Hintergrund hat, wird trotz guter Noten nicht für das Gym- nasium empfohlen, weil die Grundschullehrkräfte davon ausgehen, dass dort kein Kind ohne Schulaufgabenhilfe der Eltern erfolgreich sein kann. Auch dies ist ein Ergebnis der IGLU-Studie!
Diese Fakten wollen Prof. Wilfried Bos und sein Team nun auf eigene Faust im Febru- ar 2009 veröffentlichen, wie er in der TAZ zitiert wurde. Wir hätten uns gefreut, wenn 2 Ute Erdsiek-Rave die Veröffentlichung in Schleswig-Holstein vorgezogen hätte. Aber dazu fehlte ihr offenbar der Mut.
Die PISA-Studie 2006 ist auch die Quittung für das Aussitzen der Kultusministerkonfe- renz: Sie bremst seit Jahren. So kommt keine gesamtdeutsche Bildungsreform zu- stande. Die Kultusministerkonferenz hat sich zwar auf Bildungsstandards verständigt, aber schaffte es nicht, sich auf Vorschläge zu einigen, die für mehr Bildungsgerechtig- keit sorgen.
So hat sie auch auf dem Bildungsgipfel versäumt das entscheidende Signal für ein gemeinsames Bildungsprogramm zu geben. Die Debatte um die Konsequenzen aus der Finanzkrise hat sie ebenfalls nicht genutzt. Statt mit einem beliebigen Konjunktur- programm den Neukauf von Sprittfressern zu subventionieren, muss jetzt in Bildung investiert werden. Aber selbst dazu konnte sich die große Koalition weder in Berlin noch hier im Landtag aufraffen.
Unsere Anträge hierzu wurden in Bund und Land abgelehnt. Hier ermuntern wir die Landesregierung im Bundesrat und in der Kultusministerkonferenz ausdrücklich am Thema dran zu bleiben.
Die zweite Konsequenz ist, dass wir uns in Schleswig Holstein mit den einzelnen regi- onalen und geschlechtspezifischen Ergebnissen fachöffentlich befassen sollten, um gezielt zu Verbesserungen zu kommen.
Die dritte Konsequenz ist, dass wir das Recht auf einen Hauptschulabschluss und ei- nen Ausbildungsplatz gesetzlich verankern. Nicht durch Absenken der Standards - wie dies einige Bundesländer wollen - sondern durch einen besseren Start von Anfang an schon im Kindergarten. Auch das Recht auf kostenlose Förderung über die Pflicht- schulzeit hinaus gehört dazu. Eine Förderung, die nicht in Warteschleifen endet oder in Ein-Euro-Jobs bei der Arbeitsagentur, sondern tatsächlich zu einem Ausbildungs- platz führt.
Die vierte Konsequenz ist, dass wir den Schulen - egal ob auf dem Türschild Regio- nalschule, Gemeinschaftsschule oder Gymnasium steht – die Ressourcen nach ge- rechten Parametern zuteilen. Wer mehr SchülerInnen aus bildungsfernen Schichten hat, wer mehr Kinder mit Handicaps integriert, braucht hierfür auch mehr Geld. Mit diesem Umverteilungsprozess wurde begonnen, aber leider gibt es auch den Gegen- trend: Wo das Geld hinten und vorne nicht reicht, werden sogar Förderkurse und Hausaufgabenhilfe im Ganztagsschulangebot mancherorts kostenpflichtig. Dies darf nicht sein!
Wir erwarten, dass die Bildungsministerin den aufgezeigten Weg geht, damit die nächsten Pisaergebnisse in Schleswig Holstein besser ausfallen. Besser heißt vor al- lem: Mehr Erfolg für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern. ***

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