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Karl-Martin Hentschel zum illegalen Datenhandel
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 17: Illegaler Datenhandel Telefon: 0431 / 988-1503 Fax: 0431 / 988-1501 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Mobil: 0172 / 541 83 53 von Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Karl-Martin Hentschel: Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 329.08 / 11.09.2008Datenschutz ist Bürgerrecht Sehr geehrter Herr Präsident , sehr geehrte Damen und Herren,nach dem Skandal um den Verkauf von 17.000 Kundendaten in Schleswig-Holstein häufen sich die Fälle von Datenmissbrauch und ein Ende ist nicht in Sicht.Verbraucherschützern gelang es innerhalb von zwei Tagen, an die persönlichen Daten von sechs Millionen Bürgerinnen und Bürgern zu gelangen, davon vier Millionen mit Kontonummern. Preis für die Datensätze: 850 Euro.Der schleswig-holsteinischen Verbraucherzentrale ist derweil eine weitere CD mit den Daten von einer Millionen Bundesbürgern zugesandt worden, darunter 60.000 Konto- nummern. Zudem sollen nach Presseberichten einige wenige Unternehmen bis zu 72 Millionen Datensätze aus den Meldeämtern gesammelt haben.Die meisten der illegal gehandelten Daten stammen aus Klassenlotterien. Hauptver- dächtige für den Datenmissbrauch sind Call-Center, die Kundendaten an Dritte weiter- verkaufen.Laut der Sendung "Kriminalreport" wurde jetzt bekannt, dass sich ein Call-Center aus Bremerhaven Zugang zu den Daten von Telekom-Kunden verschafft hat und diese an andere Anbieter weitergegeben hat. Diese Datenbanken umfassten Angaben zu 30 Millionen Kunden. Der Umfang der kriminellen Handlung ist aber noch nicht aufgeklärt.Darüber hinaus hat die DAK 200.000 Datensätze mit vertraulichen Informationen an die Privatfirma Healthways weitergegeben. Diese nahm daraufhin telefonisch Kontakt zu chronisch kranken Patienten auf und informierte sie über eine gesündere Lebens- führung, um Behandlungskosten zu reduzieren.Eines haben die Skandale nun endlich bewirkt. Nachdem die Datenschützer und viele Innen- und Rechtspolitiker seit langem warnen, sind nun endlich auch die großen Par- teien aufgewacht. Endlich besteht die Chance, dass eine echte Trendwende eingeläu- tet wird. Der Handel mit Kontosätzen, Verbrauchervorlieben usw. muss eingedämmt werden. Dazu müssen die Datenschutzgesetze von Bund und Ländern geändert und die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden gestärkt werden.Meine Damen und Herren,dass mit Adressdaten gehandelt wird, ist nicht neu. Neu ist aber das Ausmaß des Da- tenhandels. Neu ist auch, dass dieser Handel größtenteils auch noch legal sein soll.Dabei gehen einige Unternehmen nach folgendem Muster vor: Sie fragen im Auftrag von anderen Personen in den rund 5.000 kommunalen Meldebehörden an, welche die Bürgerdaten bei Einzelanfragen herausgeben dürfen.Diese Adressfirmen liefern die Meldedaten dann aber nicht nur an ihren Auftraggeber, sondern speichern sie in einer eigenen Datenbank. Das Anlegen der Datenbank ist zwar nach dem Melderecht verboten, aber wer weiß schon, woher diese Daten stam- men?Bürgerinnen und Bürger sind zwar nach dem Melderecht dazu verpflichtet, ihre aktuel- len Namens- und Adressdaten dem zuständigen Meldeamt mitzuteilen. Unternehmen sind aber bisher nicht verpflichtet, über die Herkunft ihrer Daten Auskunft zu geben. Und die Betroffenen werden weder gefragt, ob sie der Datenweitergabe zustimmen noch werden sie bisher automatisch von der Datenweitergabe benachrichtigt.Dabei soll das Bundesdatenschutzgesetz eigentlich dem Schutz des Persönlichkeits- rechts dienen. Es soll gewährleisten, dass der Betroffene über die Freigabe seiner In- formationen selbst bestimmen kann – es soll gerade "Datenklau" verhindern.Deshalb setzen wir uns dafür ein, den Schutz persönlicher Daten und der Privatsphäre auszubauen und – entsprechend der europäischen Grundrechtecharta – verfassungs- rechtlich zu sichern.Das bisherige Brief- und Fernmeldegeheimnis kann der rasanten technologischen Entwicklung nicht mehr gerecht werden.Wir wollen deshalb dafür sorgen, dass die Nutzung des Internets und alle Formen der Kommunikation in der digitalen Welt wie die klassischen Kommunikationsmittel Brief und Telefon geschützt werden.Wir wollen die überfällige Modernisierung des gesamten Datenschutzrechts anpacken und ein umfassendes Kommunikationsgrundrecht im Grundgesetz verankern.Zudem benötigen wir jetzt eine grundlegende Reform des Bundesdatenschutzgeset- zes. Damit die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wo sie ihre Daten ur- sprünglich preisgegeben haben, fordern wir eine Kennzeichnungspflicht der Herkunft der Daten.Außerdem brauchen wir eine Informationspflicht gegenüber betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, wenn ihren Daten missbraucht werden. Eine solche Informationspflicht, wie sie in den USA üblich ist, könnte auch das Bewusstsein für die Bedeutung des Da- tenschutzes stärken.Meine Damen und Herren,die ohnehin anstehende Datenschutznovelle im Bereich der Auskunfteien bietet nun die einmalige Chance, das Bundesdatenschutzgesetz nicht nur in diesem Bereich zu ergänzen, sondern den Datenschutz insgesamt zu modernisieren.Die Daten gehören ausschließlich den Bürgerinnen und Bürgern. Im Gesetz ist aber nicht mehr deren ausdrückliche Einwilligung die Regel, sondern die gesetzliche Er- laubnis. Dies ist angesichts der Datenschutzskandale der letzten Zeit nicht länger ak- zeptabel. Der Handel mit persönlichen Daten anderer muss beschränkt werden. Die Bürgerinnen und Bürger sollen künftig wieder wissen, wer über ihre Daten verfügt.Aufgrund der Skandale hat sich anscheinend soweit ein Konsens herausgebildet, der bis in konservative Kreise reicht. Nur Teilen der Wirtschaft geht bereits das zu weit.Aber Dissens gibt es immer noch darüber, was mit den Millionen und Abermillionen Datensätzen passieren soll, die bereits in Umlauf sind.Wir fordern, dass selbstverständlich auch für diese Daten das neue Recht gelten soll. Daten, deren Herkunft nicht klar ist oder für die keine Zustimmung der Betroffenen vor- liegt müssen gelöscht werden.Sonst könnten diese ja noch auf Jahre hinaus missbräuchlich benutzt und weiter ver- breitet werden – ein inakzeptabler Zustand! Außerdem könnte ja jeder sagen, es han- dele sich um „Altdaten“, die noch keinem Schutz unterliegen.Hier muss noch dringend nachgebessert werden!Aber nicht nur der Handel mit Daten muss strenger kontrolliert werden, ebenso braucht es eine Verbesserung der Datenschutzkontrolle.Vor allem aber ist, um weitere Skandale zu verhindern, mehr Datensparsamkeit von- nöten. Stattdessen kreiert die Bundesregierung mit dem zentralen Melderegister, ELENA (elektronischer Einkommensnachweis) und der Vorratsdatenspeicherung im- mer weitere Datenberge. Dieser Datensammelwut des Staates muss endlich Einhalt geboten werden!Wer wie die Bundesregierung immer höhere Datenberge anhäuft, der verlockt zum Missbrauch. Der Handel mit Meldedaten muss daher begrenzt werden. Auch der Staat muss sich an das Prinzip der ausdrücklichen Einwilligung halten. Datensparsamkeit und Zweckbindung müssen selbstverständlicher Standard sein.Die Bundesregierung muss auf Vorratsdatenspeicherung verzichten und erst recht darauf, private Unternehmen dazu anzuhalten. Der Staat selbst muss in Zukunft wie- der eine Vorbildfunktion im Umgang mit persönlichen Daten ausüben.Die Datenschutzskandale allein dieses Jahres sind skandalös: Lidl überwacht Mitar- beiterInnen auf dem Klo, die Telekom lässt Kundenverbindungsdaten von externen Firmen auswerten und jetzt: Immer neue Fälle von Datenklau im großen Maßstab.Deshalb fordern wir auch die Aufnahme des Datenschutzes in das Grundgesetz (Ge- setzentwurf "Datenschutz ins Grundgesetz"; Bundestagsdrucksache 16/9607), damit sowohl dem Staat als auch der privaten Wirtschaft unmissverständlich deutlich wird, dass Datenschutz ein Grundrecht von hoher Bedeutung ist.Es kann nicht sein, dass in einer rechtlichen Grauzone munter mit den persönlichen Daten der Bundesbürger gehandelt wird.Und schließlich: Wir brauchen effektive Sanktionen. Auch Unternehmen, ganz gleich ob Zeitschriftenverlage, Vermieter oder öffentliche Stellen müssen künftig für den Schaden haftbar gemacht werden können.Ein radikales Umdenken tut not. Bürgerinnen und Bürger sind gut beraten, sorgfältig mit ihren persönlichen Daten umzugehen. Der Staat und die Privatwirtschaft müssen die Grenzen der Datensammlung respektieren. Nur so kann das informationelle Selbstbestimmungsrecht in Zukunft sichergestellt werden. ***