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Karl-Martin Hentschel zum Vogelschutz auf Eiderstedt
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort. Claudia Jacob Landeshaus TOP 45 – Vogelschutz auf Eiderstedt Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Telefon: 0431 / 988-1503 von Bündnis 90/Die Grünen, Fax: 0431 / 988-1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 199.08 / 29.5.2008Ein Trauerspiel: Die TrauerseeschwalbeSehr geehrter Herr Präsident , sehr geehrte Damen und Herren,Über 30 Prozent aller Vogelarten in Europa sind vom Aussterben bedroht. 1979 wurde die Vogelschutzrichtlinie, 1992 dann die FFH-Richtlinie verabschiedet. Als 17 Jahre später Rainder Steenblock der erste Grüne Umweltminister wurde, war fast nichts pas- siert.Noch im gleichen Jahre wurde dann von uns die so genannte erste Tranche nach Brüs- sel gemeldet. Das waren erst mal überwiegend landeseigene Waldgebiete. Da gab es keinen Widerstand. 1999 wurde dann die zweite Tranche gemeldet.Nach vier Jahren rot-grüner Regierung war die als Vogelschutzgebiet gemeldete Fläche bereits auf das Vierfache angewachsen.Aber als der neue Umweltminister Müller dann die dritte Tranche ausweisen wollte, ging es fast ausschließlich um Flächen in Privatbesitz – und der Vogelschutz wurde zum po- litischen Schlachtfeld.Eine Ursache war, dass die CDU den Kampf gegen Vogelschutz- und FFH-Gebiete als Mobilisierungsthema gegen die rot-grüne Landesregierung entdeckte.Die andere Ursache liegt darin, dass es in Schleswig-Holstein kaum ungenutzte Flä- chen gibt. Andere Bundesländer haben riesige Waldgebiete, Gebirge und Heiden, die gemeldet wurden.Dementsprechend heftig waren die Konflikte: Die Stadt Lübeck kämpfte gegen Flächen am Hafen und am Flughafen. Brunsbüttel gegen die Ausweisung der Elbufer, die Wald- besitzer gegen die Ausweisung der Privatwälder und die BäuerInnen gegen die Aus- weisung von Feuchtgebieten.1/4 Am Ende entschied Rot-Grün, die dritte Tranche ohne die Flächen mit den größten Konflikten zu verabschieden, und diese kritischen Flächen nach der Landtagswahl nachzumelden.Das war dann die erste bittere Pille für von Boetticher, als er nach der Wahl zu Kreuze kriechen musste und um die von ihm als überflüssig bezeichneten Ausweisungen vor- nehmen musste.Trotzdem bleibt festzuhalten. Nach neun Jahren Grüner Regierungsbeteiligung war die geschützte Landfläche in Schleswig-Holstein von 3,2 auf über 11 Prozent - also fast auf das Vierfache angewachsen.Und von den Wasserflächen des Landes stehen seitdem 57 Prozent der gesamten Wasserfläche bis zur 12 Seemeilen-Grenze unter Naturschutz – eine Bilanz, auf die meine Partei stolz ist.Und nun zu Eiderstedt! Eiderstedt ist eine alte Kulturlandschaft. Es geht nicht darum, den Vogelschutz gegen die BäuerInnen durchzusetzen. Im Gegenteil.Die Trauerseeschwalben und die Wiesenvögeln brauchen die die Viehzucht auf den Wiesen. Denn die Rinder sorgen für das kurze Gras und die offenen Gräben, in denen die Vögel ihre Nahrung finden.Weil wir das wussten, haben wir zunächst ein Agreement mit den BäuerInnen und der EU versucht. Wir wollten Naturschutz vertraglich vereinbaren und so eine Meldung bei der EU auf die Brutflächen beschränken.Das wurde aber nicht akzeptiert. Deshalb ha- ben wir dann geprüft, ob wir lieber eine große Lösung oder eine reduzierte Lösung wäh- len sollten.Wir haben uns dann ganz bewusst für die große Lösung mit 20.000 ha entschieden. Denn bei einer großflächigen Lösung wären wir ohne große Einschränkungen der Bäu- erInnen ausgekommen.Es sollte nur drei Regeln geben: Kein Grünlandumbruch, keine Wasserabsenkung und keine Vergrämungsmaßnahmen.Wenn man dagegen eine kleine Lösung wählt, wie Sie das machen, dann muss für die- se Flächen natürlich ein ganz besonders strenger Schutz gelten, da es dort wirklich um die Existenz der Vögel geht.Damit schaden Sie dem Vogelschutz und Sie schaden den BäuerInnen.Meine Damen und Herren, was aber dann in den letzten zwei Jahren seit Amtsübernahme dieses Ministers auf Ei- derstedt passiert ist, das grenzt an unterlassene Hilfeleistung.Während auf der UN-Artenschutzkonferenz in Bonn viel Grüne Lyrik verbreitet wird, kann man auf Eiderstedt beobachten, wie Artensterben in der Praxis funktioniert.Sie haben den BäuerInnen vorgegaukelt, dass eine Ausweisung von Eiderstedt gar nicht nötig sei. Sie haben bewusst den Sachverstand der ExpertInnen der Verbände, der Universität und der Fachleute Ihres Ministeriums ignoriert und sich nur mit Ihren Parteifreunden be- raten.Sie haben dann eine Minigebietskulisse ausgewiesen, von der jeder Fachmann wusste, dass sie keine Chance hatte.Sie haben die BäuerInnen belogen, indem sie behaupteten, das sei mit der EU abge- stimmt (Schleswig-Holstein-Magazin 12.1.2006) und sich auch noch mit ihrer jahrelan- gen Europa-Erfahrung gebrüstet.Und dann passierte das, was kommen musste: Mitten in den Brutgebieten wurde Hektar um Hektar Wiesenland zu Acker umgebrochen.Damit das Ackerland früh bewirtschaftet werden konnte, wurden durch den Deich- und Hauptsiel-Verband die Wasserpegel in den Gräben gesenkt. Und das Abpumpen wird sogar mit 5 Mio. Euro vom Ministerium finanziert.Um die Nonnengänse wegzulocken, wurden dann tonnenweise Getreide auf Kosten der SteuerzahlerInnen ausgeschüttet. In Folge davon verdoppelte sich die Zahl der Non- nengänse in den Brutgebieten der Wiesenvögel.Dagegen gingen dann die harten Kämpfer mit Vergrämungsmaßnahmen vor. Tag und Nacht knallten die Knallkanonen. Trotz dutzender Proteste aus der Bevölkerung griffen weder Ministerium noch das Amt ein.Selbst als ein Landwirt zu fünfstelligen Strafzahlungen verurteilt wurde, machten die anderen weiter. Zurzeit laufen gegen das Knallen zirka 30 Klagen vor Gericht – das Mi- nisterium schaut zu.Schließlich wurden im vorigen Jahr mitten in der Brutzeit der Trauseeschwalbe mit Traktoren die Vergrämung fortgesetzt und sogar illegale Baggerarbeiten in der Nähe der Nester durchgeführt.Meine Damen und Herren, zum Glück waren das nicht alle BäuerInnen. Immer mehr LandwirtInnen haben das nicht mehr mitgemacht. Schon 75 BäuerInnen mit über 5000 ha Weideland haben sich in der Gemeinschaft Weideland Eiderstedt zusammengeschlossen, die sich für Ver- tragsnaturschutzprogramme zum Schutz der Vögel engagiert.In diesem Jahr liegen nun in Westerhever zum ersten Mal die Gräben völlig trocken. Und das liegt nicht am Wetter. Denn die wenigen Gräben, bei denen die Wehre auf dem Privatland von engagierten BäuerInnen liegen, haben satt Wasser.Vor zwei Wochen wurde die größte Trauerseeschwalbenkolonie auf Eiderstedt verlas- sen vorgefunden. Die Vögel hatten angesichts der permanenten Störungen und der lee- ren Gräben aufgegeben.Nach dem 2. Weltkrieg wurden noch 1600 Brutpaare gezählt, in diesem Jahr ist der his- torische Tiefstand von 27 erreicht. Herr von Boetticher, ob die jetzt von Ihnen vorgelegte Gebietskulisse ausreicht, wird sich vor Gericht ent- scheiden. Wir haben große Zweifel daran.1000 ha der von Ihnen benannten Fläche sind bereits umgebrochen. Wie wollen Sie das eigentlich in Brüssel erklären?Der Antrag, den wir heute hier vorlegen, dient dazu, zu retten, was zu retten ist. Dazu müssen unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Tiere eingeleitet werden.1. Die Dauergründlanderhaltungsverordnung muss sofort in Kraft gesetzt werden. Jeder Tag, an dem weiter Grünland umgebrochen wird, ist ein verlorener Tag.2. Das Wassermanagement muss sofort so ausgerichtet werden, dass die Gräben ganzjährig ausreichend Wasser führen.3. Die Vergrämung von Vögeln durch Knallkanonen muss sofort unterbunden werden.4. Das geplante Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt muss schnellstmöglich in die Verord- nung nach Paragraf 29 Landesnaturschutzgesetz aufgenommen werden.5. Nach der Meldung an die EU muss der erforderliche Schutz durch geeignete Maß- nahmen für das Gebiet konkret umgesetzt werden.Meine Damen und Herren, Naturschutz nützt nicht nur den Vögeln – besonders in einem Tourismusland wie Schleswig-Holstein nützt Naturschutz uns allen. Stimmen Sie unserem Antrag zu. ***