Astrid Höfs zu TOP 22, 26, 40: Durch Beitragsfreiheit den frühen Zugang zu Kitas erleichtern
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 23.04.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 22, 26, 40, Umsetzung der Initiative “Kein Kind ohne Mahlzeit, Umsetzung eines beitrags- freien Kita-Jahres, Beitragsfreie Kita, Stärkung der Qualität in den Kitas und gesunde Mahlzleiten für alle Kinder (Drucksachen 16/1947, 16/1986, 16/2028, 16/2019)Astrid Höfs:Durch Beitragsfreiheit den frühen Zugang zu Kitas erleichternAstrid Höfs hebt in ihrer Rede hervor, dass Kita heute nicht mehr in erster Linie als Betreu- ungs-, sondern als eigenständige vorschulische Bildungseinrichtungen verstanden werden. Deshalb ist es für Kinder von großer Bedeutung, dass sie möglichst früh eine Kita besuchen. Das ist am besten mit Kostenfreiheit für die Eltern zu erreichen. Hierfür ist das erste Kita-Jahr am besten geeignet, denn zu diesem frühen Zeitpunkt können noch bestehende Defizite am besten behoben werden. Die SPD hat sich aus Gründen der Umsetzbarkeit jedoch nun für das dritte Jahr als Einstieg entschieden. Sie möchte die komplette Beitragsfreiheit in einem Stu- fenplan bis 2013 umsetzen. Für die Übergangszeit soll es einheitliche Sozialstaffeln geben. Die Beitragsfreiheit wird das Land rund 100 Mio Euro kosten; diese sind allerdings nicht inner- halb des Bildungshaushalts und auch nicht auf Kosten der Sprachförderung aufzubringen. Die Gemeinden sollen nach Vorstellungen der Sozialdemokraten ihre Einsparungen dazu nutzen, den Kindern ein kostenfreies oder wenigstens preisgünstiges Mittagessen anzubietenDie Rede im Wortlaut: Was mich als Fachsprecherin meiner Fraktion für die Kindertageseinrichtungen jedes Mal aufs Neue freut, ist der Perspektivenwechsel, den nicht nur wir im Landtag, sondern die gesamte Gesellschaft in den letzten Jahren durchlaufen hat. In der Vergangenheit wurden Kindertages- stätten und Kinderkrippen hauptsächlich unter dem Aspekt betrachtet, dass man die KinderHerausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-eben irgendwie betreuen muss, wenn beide Elternteile bzw. die allein erziehende Mutter be- rufstätig sind. Heute reden wir nicht mehr in erster Linie von Betreuung, sondern es ist klar: Ki- tas sind Einrichtungen der Bildung und Erziehung. Wir verstehen die Kindertagesstätten als eigenständige vorschulische Bildungseinrichtungen.Der Besuch der Kindertagesstätten ist keine Pflicht und wird es bis auf weiteres auch nicht sein können. Das Grundgesetz setzt hohe Hürden, wenn es darum geht, das Erziehungsrecht der Eltern einzuschränken. Die Schulpflicht ist eine solche Einschränkung. Ohne eine entspre- chende Ergänzung des Grundgesetzes ist es nicht möglich, den Kita-Besuch für verpflichtend zu erklären.Das Land hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr viel dafür getan, ein flächendecken- des Angebot an Kita-Plätzen bereitzustellen. Nur wenige Kinder haben vor der Einschulung keine Kita von innen gesehen. Allerdings dürfen wir diese wenigen Kinder nicht aus dem Auge verlieren. Es ist für Kinder von großer Bedeutung, dass sie möglichst früh eine Kita besu- chen. So können u.a. auch Entwicklungsverzögerungen viel eher erkannt und behoben wer- den, wie z.B. auf die Sprachentwicklung Einfluss genommen werden. Und auch Stärken kön- nen deutlicher gefördert werden.Das neue Schulgesetz, das wir vor gut einem Jahr verabschiedet haben, verstärkt die Zu- sammenarbeit zwischen Kita und Schule, insbesondere auch die Untersuchung der Sprach- fähigkeit. Und deshalb wissen wir auch: Sprachdefizite sind kein reines Migrantenproblem, man kann es gar nicht oft genug betonen.Damit alle Kinder möglichst frühzeitig eine Kita besuchen, muss der Zugang möglichst leicht sein. Und das ist am besten durch eine kostenfreie Kita zu erreichen. Fachlich ist allen klar: Das erste Kita-Jahr ist der beste Einstieg für die Kostenfreiheit. Zu diesem frühen Zeit- punkt können noch bestehende Defizite am besten behoben werden. Diese Einschätzung tei- len alle Fachleute und auch die Elternvertretungen. Weil es uns aber nicht auf Wahlkampfge- töse ankommt, haben wir uns auch für das dritte Kita-Jahr als Einstieg entschieden, damit die Beitragsfreiheit auch wirklich beschlossen werden kann. -3-Lange genug haben wir als SPD dieses schon gefordert. Und trotzdem hat die problematische Situation der öffentlichen Haushalte dieses immer wieder verhindert. Aber irgendwann ist dies Argumentation nicht mehr haltbar! Es müssen jetzt Taten folgen!Wir wissen auch, wie es heute um den Landeshaushalt bestellt ist. Dennoch spricht sich die SPD für einen großen Wurf aus. Wir halten es für unverzichtbar, dass möglichst alle Kinder künftig eine Kindertagesstätte besuchen. Bildung muss möglichst früh allen Kindern zugäng- lich sein, damit Grundlagen gelegt werden können, die später in der Schule und verbessert werden können. Dafür brauchen Eltern und Kinder die Unterstützung aller - in diesem Falle ei- ne beitragsfreie Kindertagesbetreuung.Das ist eine wirkliche Hilfe für Eltern und Kinder. Junge Familien brauchen die ganze Aufmerk- samkeit und Hilfe der Gesellschaft. Auf dem Weg zu einer familienfreundlichen Gesellschaft kann für junge Familien noch eine Menge verbessert werden. Dazu gehört natürlich die Ver- einbarkeit von Familie und Beruf, denn die meisten Eltern haben heute nicht wirklich die Wahl, ob sie arbeiten gehen wollen oder nicht. Die meisten müssen es.Und ein weiterer großer Brocken ist für viele Familien das Mittagessen in der Kita. Wenn zur Mittagszeit die Kinder aus finanziell leistungsfähigeren Familien sich zum Essen an den Tisch setzen, üben Kinder ärmerer Eltern im Nebenraum einen Chor knurrender Mägen ein. Die Re- cherchen haben es deutlich gemacht: Eltern melden ihre Kinder von der gemeinsamen Mit- tagsmahlzeit ab, weil es einfach zu teuer ist. Das ist ein wirkliches Problem und muss anders werden!Wir fordern deshalb den schnellen Einstieg in ein Stufenprogramm zur Beitragsfreiheit für El- tern. Der Einstieg soll mit dem dritten Kita-Jahr im August 2009, also mit Beginn des dann neuen Kita-Jahres, erfolgen. Das darf aber dann nicht das Ende vom Einstieg in die kosten- freie Kindertagesbetreuung sein! Wenn wir es wirklich als sinnvoll erkennen, müssen wir die Beitragsfreiheit wirklich auf alle Kita-Jahre ausdehnen. Das heißt: mit Beginn des Kita-Jahres 2011 will die SPD auch das zweite Kita-Jahr beitragsfrei stellen, mit Beginn des Kita-Jahres 2013 soll dann der Besuch der Kita für alle Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt täglich fünf Stunden kostenfrei sein. -4-Die Zeit davor, also die Betreuung in Krippen, wollen wir in dieses Programm nicht einbezie- hen.Sollen Kinder gesund aufwachsen, benötigen sie natürlich gesunde, nährstoffreiche Ver- pflegung, also etwas anderes als Fast Food. Wenn Kinder ausreichend erforderliche Nähr- stoffe ausgewogen zu sich nehmen, ist auch das Gehirn aufnahmefähig und kann bessere Lernerfolge erzielen. Auch derartiges können Kinder in der Kita erlernen. Diskussionen über übergewichtige Kinder hatten wir bereits in der Vergangenheit.Durch die beitragsfreie Kita erhalten die Kommunen eine sehr weitgehende Entlastung, weil sie dann nichts mehr in die Sozialstaffeln zuschießen müssen. Die Haushaltsmittel können und müssen für den Gesamtbereich der Kindertagesstätten erhalten bleiben. Wenn es dem Land gelingt, einen solchen Kraftakt zu unternehmen, setzen wir voraus, dass die Gemeinden diese Einsparungen nicht in den allgemeinen Haushalt einfließen lassen, sondern dazu nutzen, den Kindern ein kostenfreies Mittagessen anzubieten oder dass wenigstens die Kinder alle zu einem günstigen Betrag mittags zusammen essen können.Die Aktivitäten der Jugendministerin „Kein Kind ohne Mahlzeit“ sind hier beispielhaft zu be- nennen. Die Wohlfahrtsverbände beteiligen sich, indem sie die Anträge aus den Kitas an die Stiftung weiterleiten. Das Projekt soll Spender, Kommunen, Privatleute anregen, sich zu betei- ligen, damit Kinder, die aus Kostengründen nicht am Mittagessen teilnehmen können, durch einen Zuschuss und einen eigenen kleinen Beitrag ein Mittagessen erhalten. Diese Aktivitäten müssen unterstützt und ausgeweitet werden, damit die Kinder gesund und fit aufwachsen kön- nen. Sie sind schließlich unsere nächste Generation.Während der Übergangszeit bis zur vollen Beitragsfreiheit der Kinderbetreuung brauchen wir einheitliche Sozialstaffeln in Schleswig-Holstein. Zwar gibt es Sozialstaffeln in den Kreisen, die jedoch alle unterschiedlich und nicht immer wirklich günstig sind. Es wäre gut, wenn das Fachministerium Gespräche mit dem Ziel landesweiter einheitlicher Sozialstaffeln mit den Kommunen initiieren und moderieren würde. -5-Wir wissen, dass dies keine Kleinigkeit ist. Wir gehen davon aus, dass für jedes Kind ein Mo- natsbetrag von 150 Euro, also 1.800 Euro pro Jahr anfallen wird. Wenn wir ab August 2009 für das letzte Kita-Jahr keine Beiträge erheben, würde das Land eine Belastung für das restliche Jahr 2009 von über 19 Mio. Euro zu tragen haben, wenn wir unterstellen, dass alle Kinder von diesem Angebot Gebrauch machen. Im Jahr 2010 würden zusätzliche 44 Mio. Euro benötigt werden. Wenn zum 1. August 2011 auch das zweite beitragsfreie Jahr hinzukäme, wären zu- sätzlich 61 Mio. Euro erforderlich, im Jahr 2012 zusätzliche 84 Mio. Euro. Wenn 2013 alle Kita- Jahre beitragsfrei sind, entsteht ein zusätzlicher Bedarf von etwa 100 Mio. Euro. Die Sum- me würde sich real senken, weil ohne Kindergartenpflicht nicht alle Kinder in eine Kinderta- geseinrichtung gehen werden.Wir haben zur Zeit bei den fünfjährigen Kindern eine Versorgungsquote von 95 %, bei den vierjährigen Kindern sind es nur 88 % und bei den dreijährigen Kindern nur etwa 66 %.Dennoch ist dieser Betrag natürlich gewaltig. Zwei Finanzierungswege sind aus unserer Sicht völlig ausgeschlossen: Es kann keine ernsthafte Perspektive sein, von der Bildungsministerin zu erwarten, eine Gegenfinanzierung innerhalb des Einzelplanes 07 zu finden, der für das laufende Jahr 1,24 Mrd. Euro umfasst. Jeder von uns weiß, dass der Einzelplan 07 durch die Planstellen für die Lehrerinnen und Lehrer weitestgehend festgelegt ist. Und es wäre ein Schildbürgerstreich, wollten wir das Bildungsangebot für Vorschulkinder verbessern und gleichzeitig das für die Schülerinnen und Schüler durch Abstriche bei der Unterrichtsversor- gung verschlechtern.Wir werden uns auch nicht darauf einlassen, die wenigen nicht durch den Personalhaushalt gebundenen Mittel, die etwa zur Sprachförderung eingesetzt sind, für die Kinderbetreuung zu opfern.Es ist aus unserer Sicht unerlässlich, für diesen Zweck frisches Geld in die Hand zu nehmen. Und natürlich habe ich Verständnis dafür, wenn hier im Hinblick auf den Länderfinanzausgleich auf die Haushaltslage verwiesen wird. Dazu sage ich: Kindertageseinrichtungen sind heute eben nicht mehr die Kür der Länder, sie sind die Pflicht der Länder, deren wichtigste Aufgabe die Bildung ist. Ich verweise auf die großen Anstrengungen, die das von unserem Parteivorsit- -6-zenden Kurt Beck regierte Rheinland-Pfalz unternommen hat, sowohl bei dem kostenlosen Ki- ta-Besuch als auch beim Ausbau der Ganztagsangebote. Und es kann ja niemand behaupten, dass Rheinland-Pfalz zu den besonders reichen Bundesländern gehört.Wir sprechen uns daher dafür aus, bei der Vorbereitung des nächsten Doppelhaushaltes nach Finanzierungswegen zu suchen. Das bedeutet auch neue Prioritätensetzung und Ver- zicht auf bisher liebgewordene Schwerpunkte.Ich glaube, wir liegen gut im Zeitplan, wenn wir die Landesregierung ersuchen, uns noch vor der Sommerpause einen Bericht über ihre Haltung und die Möglichkeit zur Umsetzung zum kostenfreien Kita-Besuch vorzulegen. Die anderen Anträge werden wir in die Ausschüsse überweisen.