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31.05.06
10:31 Uhr
SPD

Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 28: Information ist Voraussetzung für Verbraucherschutz

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 31.05.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 28 – Bericht zum Verbraucherschutz

Siegrid Tenor-Alschausky:

Information ist Voraussetzung für Verbraucherschutz

Nur informierte Verbraucher können sachgerechte Entscheidungen treffen, sagt Sieg- rid Tenor-Alschausky, und als Voraussetzung dafür brauchen sie unabhängige Infor- mationen und Beratung. Ihr Fazit ist, dass der Verbraucherschutz in Schleswig- Holstein gut aufgestellt ist. Dabei weist sie darauf hin, dass z. B. bei der Untersuchung von Lebensmitteln Schleswig-Holstein die bundesweit höchste Beanstandungsquote hat, was jedoch an besonders problemorientierten Überwachungsstrategien liegt. Auf EU-Ebene und im Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes auf Bundesebene sieht sie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings nicht hinrei- chend gestärkt.

Die Rede im Wortlaut: Vielen Dank dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren und den anderen beteiligten Ministerien für den vorliegenden Bericht. Er gibt einen hervorragenden Überblick über die Aktivitäten für den Verbraucherschutz in unserem Land, aber auch über den Zusammenhang zwischen EU-Richtlinien, Gesetzen des Bundes und der konkreten Umsetzung in Schleswig-Holstein.

Auch diejenigen, die sich schon länger mit dem Thema Verbraucherschutz beschäfti- gen, finden immer wieder Bestimmungen, von deren Existenz sie bisher noch nichts
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



wussten. Da gibt es das „Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (KapMuG), das „EG- Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz“ (VSchDG), den Erlass „Kriterien für die Hal- tung von Straußenvögeln (Strauße, Emus und Nandus)“ oder auch die „Medizinpro- dukte-Betreiberverordnung“.

Schon diese kurze Aufzählung macht deutlich, dass das Ziel, Verbraucherschutz zu verwirklichen, staatliches Handeln auf verschiedenen Ebenen, grenzüberschrei- tende Kooperation und vielfältige Kontrollinstanzen erfordert. Verbraucherschutz bezeichnet die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucherin und Verbraucher von Gütern und Dienstleistungen schützen sollen.

Grundlage eines funktionierenden Verbraucherschutzes ist die Information der Verb- raucherinnen und Verbraucher. Dazu bedarf es wahrer und verständlicher Informa- tionen. Denn nur der informierte Verbraucher kann sachgerechte Entscheidungen tref- fen. Und genau hier bestehen Defizite. Ein Beispiel: Jeder Verbraucher kann anhand der Ziffer- und Buchstabenkombination, die auf jedes Hühnerei aufgedruckt ist, im Prinzip erkennen, wann und in welchem Land das Ei gelegt wurde, ob die Hühner ihr Leben in Käfigen fristen müssen oder aus Betrieben mit Boden- oder Freilandhaltung stammen - wenn er die Zahlen und Buchstaben zuordnen kann!

Damit Verbraucherinnen und Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen können, brauchen sie unabhängige Informationen und Beratung. Behörden, das Landesla- bor, aber vor allem die Verbraucherzentrale leisten hier unverzichtbare Arbeit. Informa- tionen über Lebensmittel, Produkte des täglichen Bedarfs, aber auch über Finanz- dienstleistungen wie Versicherungen gehören seit Jahren zum bekannten und viel ge- nutzten Angebot. -3-



Der Bereich des Allgemeinen Verbraucherschutzes ist gekennzeichnet durch zahlrei- che und oft rasche Veränderungen im Bereich der Kommunikation, der Mobilität, neuer Produkte und Dienstleistungen. Viele bislang öffentliche Dienstleistungen wie Post und Bahn, aber auch der Energiebereich wurden liberalisiert. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ergeben sich neue Wahlmöglichkeiten, aber auch neue Informations- und Beratungsbedürfnisse.

Leitstelle für den Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein ist die Verbraucherzentra- le. Nach den Veränderungen in den letzten Jahren ist sie jetzt gut aufgestellt. Die insti- tutionelle Förderung des Landes beträgt zurzeit 690.000 Euro jährlich. Damit werden fünf Beratungsstellen vorgehalten sowie Projekte der EU und des Bundes komplemen- tär finanziert. Die Arbeitsorganisation und die Informationsangebote wurden moderni- siert. Es gibt zwar auch noch die altbekannten Broschüren. Diese werden aber in Ko- operation mit den Verbraucherzentralen der anderen Bundesländer erstellt und vor al- lem zielgruppengerecht aufbereitet. So wurde 2005 z.B. der Ratgeber „Verbraucher- schutz für ältere Menschen“ herausgegeben, um Senioren zu informieren über Vorsor- ge- und Betreuungsvollmachten, Patientenverfügungen, aber auch über alterstypische Konsumfallen wie Haustürgeschäfte und Kaffeefahrten.

Auch der Internetauftritt wurde ausgebaut. Ein Projekt zur Schuldenprävention für Jungendliche ist ohne dieses Medium kaum mehr denkbar und liefert auch hier ziel- gruppengerecht Informationen zur eigenen Wohnung, Handy, Versicherungen. Ergänzt werden diese Angebote durch die Schulung von Multiplikatoren. Gezeigt hat sich auch, dass entgegen vieler Befürchtungen Verbraucherinnen und Verbraucher durchaus be- reit sind, für unabhängige Beratung z.B. bei der Baufinanzierung eigene kostende- ckende Beiträge zu leisten.

Deshalb mein Fazit: Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein e.V. und das Eu- ropäische Verbraucherzentrum leisten gute Arbeit. Haushaltsmittel werden sinn- -4-



voll, sparsam und der Zielvereinbarung zwischen Sozialministerium und Verbraucher- zentrale entsprechend eingesetzt!

Den Zusammenhang zwischen Bestrebungen der EU, durch Richtlinien zur Harmoni- sierung des Rechts in den Mitgliedsstaaten beizutragen, und der Gefahr, dass Verbraucher künftig schlechter geschützt werden als durch unser bisheriges natio- nales Recht, möchte ich anhand der „Verbraucherkreditrichtlinie“ problematisieren. Der in der Diskussion befindliche Vorschlag der EU-Kommission enthält Vorschriften zu den Vertrag betreffenden verpflichtenden inhaltlichen Angaben, um einen transparen- ten grenzüberschreitenden Markt zu schaffen. Diese Vorschläge unterschreiten in ei- nigen Punkten unser bisheriges Recht. Den Beschluss des Bundesrates, bei der Set- zung von Standards eine Reduzierung des Verbraucherschutzniveaus in Deutschland zu verhindern, unterstützt die SPD-Fraktion deshalb nachdrücklich. Zu begrüßen ist, dass die realen Kreditkosten und Konditionen deutlich darzustellen sind und über Ab- lehnungsgründe oder schlechte Bonitätsbewertungen ausreichend und verständlich zu informieren ist. Ich habe allerdings Zweifel, ob z.B. das Problem des zunehmenden „Scoring“ mit Hilfe der EU-Richtlinie zu lösen ist.

Es ist in dieser Debatte leider nicht möglich, alle wichtigen Aspekte des Verbraucher- schutzberichtes zu beleuchten. Eingehen möchte ich aber noch auf die Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen. BSE, Gammelfleisch, Vogelgrippe: Ereignisse wie diese machen auch einer großen Öffentlichkeit die Notwendigkeit bewusst, dass Verbrau- cher sich darauf verlassen können müssen, dass Lebensmittel sicher sind und über eventuelle Risiken rasch und sachgerecht informiert wird.

Die Ergebnisse der Beprobung nach dem „Nationalen Rückstandskontrollplan“ durch das Landeslabor zeigen, dass die Mängelquoten bei Erzeuger- und Schlachtbetrieben gering sind und im Bundesdurchschnitt liegen. Dass Statistiken genau interpretiert werden müssen, zeigen die Ergebnisse bei der Untersuchung von Lebensmitteln. -5-



Schleswig-Holstein hat hier die bundesweit höchste Beanstandungsquote, begründet ist dies aber durch besonders problemorientierte Überwachungsstrategien. Mir ist eine qualifizierte und effektive staatliche Überwachung in Schleswig-Holstein, die auch Beanstandungen und Verbesserungen mit sich bringt, lieber als eine pro forma Überwachung mit guten Statistikwerten auf dem Papier.

Zu Beginn meiner Rede hatte ich bereits die „Medizinprodukte-Betreiberverordnung“ angesprochen. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich eine wichtige Maßnahme des Patientenschutzes. So wird berichtet, dass es 2004 bei der Untersuchung von urologi- schen Praxen hinsichtlich der Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Endosko- pen zu zahlreichen Beanstandungen kam. Der Grund: In vielen Praxen waren die Be- stimmungen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung nicht hinreichend bekannt. Ko- ordiniert werden diese Untersuchungen übrigens durch das Landesamt für Gesund- heit- und Arbeitssicherheit; eine Tatsache, die wir uns bei der Diskussion um die Auf- lösung dieses Amtes wieder ins Gedächtnis rufen sollten. Dass Kontrolle und Aufklä- rung zum Schutz der Patienten gewirkt haben, zeigen folgende Zahlen: Gab es 2004 noch bei 19 Praxen Beanstandungen war dies 2005 nur noch bei drei Praxen der Fall!

Zum Schluss möchte ich auf das geplante Verbraucherinformationsgesetz des Bundes eingehen. Bei der Einbringung des Berichtsantrags im Januar habe ich die Hoffnung geäußert, dass es durch dieses Gesetz ermöglicht wird, dass Verbraucher künftig rasch konkrete Auskünfte erhalten, wenn es bei Lebensmittelskandalen um die Nen- nung von Firmen und Produkten geht. Der jetzt vorliegende Entwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, erstellt mit Formulierungshilfe des Seehofer-Ministeriums, ist in diesem Punkt unserer Meinung nach unzureichend. Die Interessen der Verbrau- cherinnen und Verbraucher werden nicht hinreichend gestärkt, die Einschränkun- gen bei der Nennung konkreter Produkte und Firmen sind zu groß. Ich hoffe sehr, dass es im gerade laufenden Gesetzgebungsverfahren hier zu einer deutlichen Verbesse- rung für den Verbraucherschutz kommt. -6-



Für unser Land kann ich feststellen. Auch wenn der „Verbraucherschutz“ nicht mehr im Titel des Sozialministeriums enthalten ist: Verbraucherschutz spielt in unserem Land keine Nebenrolle!