Ausländerbeauftragter gegen Kopftuchverbot
17/2006 Kiel, 2. Februar 2006Ausländerbeauftragter gegen KopftuchverbotKiel (SHL) – „Eine Ungleichbehandlung von Lehramtsanwärterinnen und Lehrerinnen aufgrund der bekundeten Religionszugehörigkeit darf es nicht geben. Instrumentarien, die Schülerinnen und Schüler vor unzulässiger einseitiger weltlicher oder religiöser Beeinflussung durch Lehrpersonal zu schützen, gibt es bereits“, führt der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen, Wulf Jöhnk, aus.Anlässlich des Dienstantritts einer muslimischen Referendarin an der Realschule in Schacht-Audorf spricht sich der Ausländerbeauftragte gegen ein Kopftuchverbot aus. In dem konkreten Fall verweist Jöhnk auf das Ausbildungsmonopol in der Leh- rerausbildung und sieht durch das angekündigte Kopftuchverbot die Gefahr des Eingriffs in das Grundrecht auf freie Berufswahl. Das Verbieten islamischer Symbole im Gegensatz zum erlaubten Tragen christlicher Symbole könne bei vielen Musli- men zu dem Empfinden führen, sie seien in Deutschland nicht gewünscht und soll- ten, zumindest was einen Bereich der akademischen Berufe angehe, ausgegrenzt werden.Nach Ansicht von Wulf Jöhnk könne, das Tragen eines Kopftuches an staatlichen Schulen nicht isoliert gesehen werden von der grundsätzlichen Frage des Tragens religiöser, politischer und weltanschaulicher Kleidungsstücke, Haartrachten oder anderer ähnlicher äußerer Meinungsbekundungen. Durch die Debatte im Zusam- menhang mit dem Kopftuchverbot werde das Bild der unterdrückten und unselbst- ständigen, nicht emanzipierten muslimischen Frau transportiert. Das Kopftuchverbot in Schulen treffe aber gerade die Frauen, die sich beruflich etabliert hätten und durch ihren beruflichen Erfolg auch ein Vorbild für andere Frauen und junge Mäd- chen sein könnten.Deutschland sei ein pluralistisches Land in einem pluralistischen Europa. Das breite Spektrum von Weltanschauungen spiegele sich sowohl in den Lehrkräften, wie auch bei den Schülerinnen und Schülern und der Elternschaft wieder. Die Jugendlichen und Erwachsenen wüssten um die Vielfältigkeit menschlicher Gesinnungen und Meinungen, so Wulf Jöhnk weiter. „Sie müssen sich im täglichen Leben damit aus- einandersetzen und für sich selbst einen Weg finden.“ 2Jöhnk räumt ein, dass jüngere Kinder diesen Erfahrungs- und Wissenshorizont noch nicht hätten, dennoch würden sie täglich – sei es im sozialen Umfeld, im Kindergar- ten, in der Schule oder durch das Fernsehen – damit konfrontiert, dass es auch Menschen anderer Weltanschauung und Religionszugehörigkeit gebe. Die Religi- ons- und Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut: Diese nicht nur zu schützen und be- wahren, sondern auch zu fördern, sei Auftrag des Staates, insbesondere staatlicher Bildungseinrichtungen.Die Bildungseinrichtungen selbst sollten „weltanschaulich und religiös neutral“ sein, um nicht einseitig Weltanschauungen und religiöse Bekenntnisse zu fördern oder Menschen anderer Religionszugehörigkeit oder anderer Weltanschauung zu diskri- minieren.Jöhnk tritt entschieden dafür ein, dass die Bildungseinrichtungen die Werte des Grundgesetzes vermitteln. Aber eine vermeintliche religiöse Neutralität sei so Jöhnk derzeit nicht gegeben, denn es würden in den Schulen auch außerhalb des Religi- onsunterrichts einseitig religiöse Feste, nämlich christliche, vorbereitet und themati- siert. Der Schulraum würde entsprechend ausgeschmückt und dergleichen.Die Neutralität sollte sich in den Lehrinhalten widerspiegeln sowie in der Behand- lung und Beurteilung der Schülerinnen und Schüler durch das Lehrpersonal. Die vermeintliche Neutralität des Staates dürfe nach Ansicht des Beauftragten jedoch nicht vortäuschen, dass das Lehrpersonal keine eigenen Weltanschauungen und Religionen verträte, dies wäre auch lebensfremd und würde den Kindern ein fal- sches Menschenbild vermitteln.Nach Ansicht von Jöhnk dürfe nicht verkannt werden, dass Schülerinnen und Schü- ler in sehr subtiler Art durch Lehrkräfte beeinflusst werden könnten. Erfolge die Be- einflussung jedoch aufgrund des Äußeren des Lehrpersonals, so seien die Schüle- rinnen und Schüler eher gegen Beeinflussungsversuche geschützt, als bei nach außen vermeintlich neutral wirkenden Lehrerinnen und Lehrern.„Im Übrigen sind bis dato offenbar die Kinder muslimischer Zugehörigkeit nicht von den Lehrerinnen und Lehrern christlicher Religionszugehörigkeit derart beeinflusst worden, dass sich die Eltern beschweren. Warum sollte das im umgekehrten Falle so sein,“ meint Jöhnk abschließend.