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26.11.04
13:14 Uhr
FDP

Ekkehard Klug: "Qualität der Grundschulen und der Kitas ist das Fundament für den Bildungserwerb"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 386/2004 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Kiel, Freitag, 26. November 2004 Parlamentarischer Geschäftsführer Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Veronika Kolb, MdL
Bildungspolitik/Grundschule



www.fdp-sh.de Ekkehard Klug: „Qualität der Grundschulen und der Kitas ist das Fundament für den Bildungserwerb“ Zur Eröffnung der Fachtagung „Grundschulen im Wandel“, die auf Einladung der FDP-Landtagsfraktion im Plenarsaal des Schleswig- Holsteinischen Landtages stattfindet, erklärte der bildungspolitische Sprecher der Liberalen im Landesparlament, Dr. Ekkehard Klug:
„In der Bildungspolitik wird heute vor allem über die Frage diskutiert, wie die weiterführenden Schulen organisiert sein sollen. Damit verliert man jedoch haarscharf einen wesentlichen Sachverhalt aus dem Blick:
Bildungsdefizite entstehen großenteils bereits in den ersten zehn Lebensjahren der Kinder:
• etwa jedes fünfte Kind hat in Deutschland nach Feststellungen von Medizinern und Pädagogen bereits im Vorschulalter Sprach- und Kommunikationsstörungen; • zehn Prozent der Viertklässler zählen zur sogenannten ‚Risikogruppe’, weil sie extrem schlecht lesen können; • mehr als dreißig Prozent der Kinder sind von schulischem Misserfolg bedroht, wenn sie nach der 4. Klasse nicht weiter gefördert werden.
Was in den ersten zehn Lebensjahren versäumt wird, lässt sich später kaum noch ausgleichen.
Beide PISA-Studien - sowohl die erste aus dem Jahr 2000 als auch die neue, erst in Vorabmeldungen bekannt gewordene Untersuchung – rechnen bei den 15-jährigen einen Anteil von 22 oder 23 Prozent zur sogenannten ‚Risikogruppe’.
Vor allem auch für jene Kinder, deren Probleme auf soziale Ursachen zurückgehen, ist frühe Förderung in der Grundschule und im
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 Vorschulbereich der entscheidende Ansatzpunkt, um dieses Risiko nachhaltig zu verringern.
Kindern, die zuhause kein einziges Bilderbuch vorfinden, denen zuhause auch nicht vorgelesen wird, ist mit Schulartdebatten kaum zu helfen; ein Kindergarten, der besser als bisher ausgleichen kann, was in manchen Familien versäumt wird, hilft dagegen viel - und schafft so Bildungs- und Lebenschancen.
Wie wichtig eine gute frühkindliche Förderung ist, unterstreichen vor allem die neueren Erkenntnisse der Neurowissenschaften:
Bereits im Vorschulalter erfolgen Weichenstellungen, die für die Bildungsmöglichkeiten in der nachfolgenden Schulzeit von entscheidender Bedeutung sind.
Gerald Hüther, Leiter der Abteilung für Neurobiologische Grundlagenforschung am Göttinger Universitätsklinikum, stellt dazu fest: „In viel stärkerem Maße als bisher angenommen wird die Entwicklung des menschlichen Gehirns … durch nutzungsbedingte Bahnungs- und Strukturierungsprozesse bestimmt“. Im Altersbereich zwischen drei und sechs Jahren, also im Kindergartenalter, liegt eine wesentliche Entwicklungsphase des Frontalhirns - der Bereiche, in denen sich das menschliche Gehirn am deutlichsten von dem der Tiere unterscheidet und die vor allem „die Planung und Organisation von Handlungen sowie die Konzentrationsfähigkeit auf bestimmte Aufgaben steuern“.
Sprachliche Ausdrucksfähigkeiten und Bewegungskompetenz, die Fähigkeit, sich auf den Anderen einzulassen - also das soziale Verhalten – und die Annahme des Gesollten als letztlich freiwillige Handlungsnorm: all dies wird bereits im Kindergartenalter angelegt.
Was hier unterbleibt, konfrontiert Schule und Gesellschaft mit einer Vielzahl von später nur schwer auszugleichenden Entwicklungsdefiziten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, die Schule in das Kindergartenalter „vorzuverlagern“; vielmehr geht um kindgerechte Frühpädagogik. Was dies bedeutet, hat kürzlich einer der führenden Experten in diesem Bereich, Professor Wassilios Fthenakis, auf einer Tagung der schleswig-holsteinischen GEW in Neumünster in eindrucksvoller Weise dargestellt.
Vor diesem Hintergrund möchte ich in Stichworten noch folgende Themen kurz ansprechen:
• die Entwicklung von Bildungsstandards für den Vorschulbereich; • die Gewährleistung von Gruppengrößen, bei denen eine Förderung der Kinder tatsächlich möglich ist; • die Einführung eines Hochschulstudiums im Bereich Elementarpädagogik neben der bisherigen Erzieher/- innenausbildung (ein entsprechender Antrag der FDP- Landtagsfraktion findet erfreulicherweise immer mehr Zuspruch!). • eine erweiterte Zusammenarbeit zwischen Kitas und Schulen, z.B. auch durch Ausbau sprachheilpädagogischer Prävention.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3
Für die Grundschulen ist die Verbesserung der frühkindlichen Pädagogik ein entscheidender Schritt nach vorn, denn sie müssen ja mit Beginn der Schulpflicht auf dem aufbauen, was zuvor in Familien und Kindertagesstätten an Bildungsarbeit bereits geleistet worden ist.
In diesem Zusammenhang eine Anmerkung zum Thema Einschulungsalter. Die FDP will grundsätzlich am Einschulungsalter von sechs Jahren festhalten. Je nach den individuellen Voraussetzungen sollte aber auch eine frühere Einschulung von Fünfjährigen oder eine spätere Einschulung im Alter von 7 Jahren als Option gewährleistet sein bzw. bleiben.
Zur Erläuterung möchte ich folgendes hinzufügen: • Solange die vorschulische Bildung noch nicht hinreichend verbessert worden ist, würde eine generelle Vorverlegung des Einschulungsalters die Probleme der Grundschulen eher noch weiter verschärfen und eine gute Grundschulbildung für alle Kinder erschweren. • Sobald der vorschulische Bildung den erforderlichen höheren Stand erreicht hat, wird das durchschnittliche Einschulungsalter nach unserer Einschätzung „automatisch“ sinken, weil die heute vielfach vorhandenen Verzögerungsfaktoren dann nicht mehr existieren.
Grundlegende Voraussetzung für die Arbeit der Grundschule ist die Beherrschung der Unterrichtsprache Deutsch zum Zeitpunkt der Einschulung. Dies ist nicht zuletzt auch für die Bildungs- und Lebenschancen von Kindern aus Einwandererfamilien von entscheidender Bedeutung. Fünfjährige, die nicht über genügend Deutschkenntnisse verfügen, sollten deshalb in einem Vorschuljahr so gefördert werden, dass sie mit Beginn der Schulpflicht über die sprachlichen Voraussetzungen zur Teilnahme am Schulunterricht verfügen. Dies könnte je nach den örtlichen Voraussetzungen entweder in Vorklassen (an Grundschulen) oder in besonderen Fördergruppen an Kitas erfolgen. Entscheidend ist aus unserer Sicht, dass das Land diese Aufgabe übernimmt. Die damit verbundene Entlastung der Kommunen darf allerdings nicht zu Einsparungen im Kita-Bereich führen, sondern muss für notwendige Qualitätsverbesserungen in der vorschulischen Bildung genutzt werden.

Nach Überzeugung der FDP ist für die Qualität der Schulbildung von wesentlicher Bedeutung, was unterrichtet wird, wie unterrichtet wird – und wie viel Unterricht stattfindet.
Wenn wir über „Grundschulen im Wandel“ sprechen, muss deshalb auch über Inhalte, über Didaktik, über Lehr- und Lernmethoden und über Unterrichtsversorgung gesprochen werden.
Karl-Heinz Groth hat im vergangenen Jahr in einem umfangreichen Beitrag in den Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (27. Juni 2003) viele wichtige Punkte genannt. Er schrieb über „pädagogische Tugenden wie: Erzählen, Erklären, Begeistern, Singen, Tanzen, Spielen, Entdecken, Ordnen, Zuhören“; über mehr Block- und Epochalunterricht; über problemlösendes,
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 assoziatives Lernen und über gute Lehrerbildung – um nur einige Stichworte zu nennen. In der Podiumsrunde werden wir dazu sicher gleich noch einiges mehr hören.
Oft höre ich von Eltern aus dem Grundschulbereich die Klage, ihre Kinder erhielten nicht genügend ‚geistiges Futter’. Teils lautet die Kritik, die Klasse komme nur im Schneckentempo voran, am Ende des ersten Schuljahres sei noch nicht einmal das Alphabet durchgenommen, während Kinder in der Nachbarschule bereits lesen. Für einen Teil der Kinder wird Unterforderung beklagt, für andere wiederum mangelnde Förderung. Dies verweist im Kern auf die Frage, wie allgemeine, verbindliche Lernziele in der Grundschule mit dem Prinzip der individuellen Förderung vereinbart werden können.
In der Diskussion über das damit zusammenhängende Thema „Bildungsstandards“ setzen viele auf zentrale Vorgaben von Ministerien oder der KMK. Ich bin jedoch der Ansicht, dass eine „Qualitätssicherung von unten“ - an der Schule selbst - ebenso wichtig ist und vermutlich noch sehr viel wirksamer sein kann.
Ich will dazu ein Beispiel anführen: Der „Verband Bildung und Erziehung“ hat bereits vor zwei Jahren in seiner Verbandszeitschrift (VBE-Mitteilungen 147/2002) ein Papier veröffentlicht, das Eltern und Lehrkräfte aus verschiedenen Schularten in Reinbek/Kreis Stormarn erarbeitet haben. Unter der Überschrift „Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Grundschulzeit beherrschen sollen“ werden dabei sowohl inhaltliche Lernziele für einzelne Fächer als auch Fragen des Sozialverhaltens und Fertigkeiten im Schreiben, in der Heftführung, der Kommunikation und im Arbeitsverhalten thematisiert. Die konkrete Orientierung an solchen Zielen, über die sich Lehrer und Eltern gemeinsam verständigt haben, ist vielleicht viel wirksamer als Verordnungen und Erlasse, die in irgendwelchen Aktenordnern abgeheftet werden. Das ist auch praktizierte „Eigenverantwortung der Schule“.
Ein aktueller Themenkomplex, der in unserer Diskussion nicht fehlen darf, betrifft die „Verlässlichen Grundschulzeiten“. Dass Eltern sich auf Grundschulzeiten verlassen können, ist einerseits ein allgemein begrüßter Fortschritt. Andererseits stellt sich die Frage, ob dieser Fortschritt nicht in Schleswig-Holstein sehr teuer erkauft worden ist: nämlich durch Abbau von wichtigen Förder- und Differenzierungsstunden, Arbeitsgemeinschaften und anderen Angeboten, die für die Qualität von Grundschulen wichtig sind. Im Kreis Stormarn hat dies im letzten Schuljahr 10 von 18 Grundschulen betroffen, wie die GEW feststellte (vgl. den Beitrag in „E&W SH“ 4/2004). Die FDP hat stets die Auffassung vertreten, dass Unterrichtsqualität, also die Erfüllung der Stundentafeln und das Angebot an Förder- und Differenzierungsstunden, Priorität habe müssen. Bildung darf nicht durch Betreuung ersetzt werden.
Zu diesen Fragen werden nachher insbesondere Maren Böddener vom Schulleiterverband und von der Elternseite Petra Meißner vom Lübecker Dachverband der Betreuten Grundschulen sowie Gerhard Uhlig als Vertreter eines Trägervereins an der Brüder-Grimm-Schule in Rellingen Stellung nehmen. Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 5
Weitere Aspekte unserer heutigen Diskussion über „Grundschulen im Wandel“ kann ich abschließend aus Zeitgründen nur in kurzen Stichworten ansprechen:
• etwa das Thema Ganztagsangebote, sprich „Offene Ganztagsschule“ im Primarbereich; in Itzehoe gibt es dazu beispielsweise an der Grundschule Sude-West ein bemerkenswertes Entwicklungskonzept;
• das Thema Englisch in der Grundschule;
• die Unterrichtsversorgung: für eine Orientierung am bundesweiten Mittelwert der Stundentafeln fehlen hierzulande knapp 250 Lehrerstellen;
• das Thema Unterrichtsausfall: Verbesserungen sehe ich hier durch die seit einem Jahr verfügbaren höheren Mittel für Vertretungskräfte. Das ist ein echter Fortschritt. Was die zweite Hälfte der von der Landesregierung reklamierten Verringerung des Unterrichtsausfalls betrifft, so sehe das regierungsamtliche Eigenlob dagegen sehr kritisch: Wenn Lehrer z.B. zwischen zwei Klassen hin- und herpendeln und dies dann statistisch als „Unterricht“ gewertet wird, dann handelt es sich eher um einen schlechten Witz als um eine echte Verbesserung.
• Die Diskussion über eine Verlängerung der Grundschulzeit: Wir Liberale halten von solchen Vorschlägen überhaupt nichts, und zwar aus zwei Gründen: Einerseits, weil die 6-jährige Grundschule in Berlin nach Studien des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zu erheblichen Leistungsrückständen geführt hat; andererseits, weil die Einführung einer 6-jährigen Grundschule nach Berechnungen des schleswig-holsteinischen Landesrechnungshofs Baukosten in Höhe von 190 Millionen € nach sich zöge. Abgesehen davon, dass diese Mittel bei den Schulträgern und beim Land gar nicht verfügbar wären, gilt gerade hier - für die Grundschulen - der Satz: Es ist wichtiger, in Köpfe zu investieren und nicht in Steine!“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/