Kultur- und Gedenkstätte Alte Synagoge in Friedrichstadt eröffnet - Landtagspräsident Heinz-Werner Arens: Die Erinnerung wach halten
12/2003 Kiel, 27. Januar 2003„Kultur- und Gedenkstätte Alte Synagoge“ in Fried- richstadt eröffnet – Landtagspräsident Heinz-Werner Arens: “Die Erinnerung wach halten“Kiel (SHL) –Heute um 15:00 Uhr wird in Friedrichstadt die Kultur- und Gedenkstätte Alte Synagoge eröffnet. Landtagspräsident Heinz-Werner Arens sagte in seinem Grußwort dazu unter anderem:„Die Freude darüber, dass es nach Jahren der Arbeit an diesem Projekt heute endlich zu seiner Eröffnung kommt, mischt sich mit der Trauer über das Schicksal der jüdischen Gemeinde in Friedrichstadt. Errichtet wurde die Synagoge vor 155 Jahren zu einem Zeitpunkt, als die jüdische Gemeinde hier mit über 400 Mitgliedern die zweitgrößte Glaubensge- meinschaft der Stadt bildete. Auch in der Provinz Schleswig-Holstein war sie damit nach Altona die zweitgrößte jüdische Gemeinde. Es gab hier jahrhundertelang ein lebendiges Vereinsleben und gelebte jüdische Kul- tur. Das Privileg der religiösen Toleranz war Friedrichstadt mit seiner Gründung im Jahr 1621 sozusagen in die Wiege gelegt. Darauf war man hier auch immer zu Recht stolz. Noch drei Jahrhunderte nach der Stadt- gründung – also 1921 - ist in der Festschrift zum Stadtjubiläum nachzu- lesen: „Rassenhass und religiöser Hader hat hier keinen Nährboden.“17 Jahre später allerdings ist die Situation eine komplett andere: In der Reichspogromnacht am 10. November 1938 wird die Friedrichstädter Synagoge verwüstet und von den Nationalsozialisten zerstört. Für Men- schen, die diese Zeit nicht kennengelernt haben, ist es schwer nachzu- vollziehen, wie es zu dieser grausamen Wende gekommen ist. Wie ra- 2sant und im wahrsten Wortsinne mörderisch die Entwicklung war, wurde auch von Zeitgenossen – insbesondere von vielen der gut integrierten jüdischen Familien – massiv unterschätzt. Vielleicht war der Prozess der Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben so schleichend, dass jeder Schritt für sich wahrgenommen wurde. Das aus der allmählichen Abdrängung aus dem gesellschaftlichen Leben ein Völ- kermord ungekannten und unvergleichlichen Ausmaßes werden würde, wurde oftmals von den Betroffenen zu spät realisiert. Sie konnten und wollten nicht wahrhaben, dass ihr Heimatland sie faktisch zu Vogelfreien erklärte.Letzteres war auch in Friedrichstadt zunehmend der Fall: Fast die Hälfte aller Wähler stimmten 1932 für die Nationalsozialistische Partei Adolf Hitlers. Der Antisemitismus wurde dann spätestens mit der Machtüber- nahme Hitlers vor fast genau 70 Jahren zur Regierungspolitik. Der Weg zum Holocaust war geebnet und auch in Schleswig-Holstein haben dar- an eine Vielzahl von Funktionsträgern des NSDAP-Systems mitgewirkt. Darüber wurde lange Zeit nicht gerne gesprochen. In der Nachkriegszeit war das Bedürfnis nach Harmonie groß, der wirtschaftliche Neuanfang stand im Vordergrund. Eine gründliche Aufarbeitung unterblieb, so dass wir erst heute soweit sind, mit Museen, Gedenkstätten und Veranstal- tungen die Erinnerung an die wach zu halten, die unsere Nachbarn und Freunde waren, die unter uns gelebt haben, die schlicht und einfach un- sere Mitmenschen waren.Mit der Trauer muss sich auch heute noch eine Aufarbeitung verbinden, die das Verständnis des Geschehenen fördert und den Blick für die Ur- sachen schärft. Dazu trägt die zeitgeschichtliche Forschung in Schles- wig-Holstein bei, die wir nach Kräften unterstützen müssen. Wir wollen den Opfern die Namen zurückgeben, ihre Gesichter und Biographien in Erinnerung rufen und sie nicht in Vergessenheit geraten lassen. Und dazu braucht es Orte des Gedenkens wie diesen hier. Orte, in denen einst jüdisches Leben stattfand, in denen Mitmenschen ihre religiöse Überzeugung leben konnten.“