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Sylvia Eisenberg: Chancengerechtigkeit durch Förderung
LANDTAGSFRAKTION S C H L E S WI G - H O L S T E I N Parlamentarischer Geschäftsführer Heinz Maurus Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 32/03 vom 23. Januar 2003 Bildungspolitik TOP 16 Sylvia Eisenberg: Chancengerechtigkeit durch FörderungPisa hat gezeigt, dass Bildung und Erziehung bereits im vorschulischen Bereich beginnen müssen, um vorhandene Defizite bei Kindern abzubauen, egal welcher sozialen Schicht sie entstammen und welchen finanziellen Hintergrund die Eltern haben. Wenn 57,4% aller deutschen Schulanfänger Sprach- und Verhaltensstörungen sowie Konzentrationsschwächen aufweisen, wenn erst Grundschullehrer den Kindern das Stillsitzen, Rückwärtsgehen, das Anziehen, das Schuhzubinden und das Stiftehalten beibringen müssen, bevor der eigentliche Unterricht beginnen kann, dann ist etwas faul an unserem System. Natürlich ist es vordringlichste Aufgabe der Eltern und ihre Pflicht, ihre Kinder mit diesen Fertigkeiten auszustatten. Aber wie die Statistik zeigt, ist das heute nicht mehr überall der Fall.Deshalb müssen die Kindertagesstätten, von Land, Kommunen und Eltern finanziert, neben ihrem Betreuungsauftrag stärker den Erziehungs- und Bildungsauftrag wahrnehmen. Das gehört zur Chancengerechtigkeit im Bildungssystem, meine Damen und Herren. Und deshalb halten wir es auch für notwendig, dass im letzten Kindertagesstättenjahr zwar spielerisch, aber konsequenter auf den Schuleintritt vorbereitet wird als bisher und zwar in allen Kindertagesstätten. Das ist ein klarer Bildungsauftrag zum Abbau von Chancenungerechtigkeit - und deshalb wird auch das Land aufgefordert, den Bildungsauftrag für den vorschulischen Bereich entsprechend den PISA-Forderungen neu zu formulieren und seine Umsetzung auch finanziell und inhaltlich zu garantieren. Die Neufassung des Kindertagesstättengesetzes eröffnet eine gute Gelegenheit dafür. Unverbindliche und örtlich punktuelle Rahmenvereinbarungen, die auf Freiwilligkeit setzen und sich in Konferenzen erschöpfen, ohne inhaltliche Vorgaben zu setzen, reichen nicht aus. Und selbstverständlich gehört auch zur Herstellung der Chancengerechtigkeit, dass Kinder nichtdeutscher Muttersprache verpflichtend individuellen Sprachunterricht möglichst in Verbindung mit einem Elternteil erhalten. Und zwar ausreichend, bevor sie zur Schule kommen, und das heißt für uns bei Bedarf ein Jahr.Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat die Vorklassen abgeschafft, die Schulkindergärten werden aufgelöst werden. Das waren Institutionen, die zur Herstellung der Chancengerechtigkeit beigetragen haben. Am Versuch, diese Wertverluste durch Aufgabenübertragung an die Grundschulen zu ersetzen, ist diese Landesregierung gescheitert. Zur Zeit kann nicht einmal die planmäßige Unterrichtsversorgung sichergestellt werden, geschweige denn ausreichender Förderunterricht. Unser Land braucht erst recht nach PISA eine Leistungssteigerung und eine Qualitätsverbesserung, meine Damen und Herren, und das ist mit good-will- Erklärungen und konzeptionslosem Aktionismus nicht getan.Die von der Landesregierung geplanten verlässlichen Grundschulzeiten im Hamburger Raum gehen zwar in die richtige Richtung. Die von Ihnen, Frau Erdsiek- Rave, zu verantwortende tatsächliche Umsetzung ist jedoch aus bildungspolitischer Sicht ein weiterer Flop, kein Fortschritt, sondern Rückschritt. Die Reaktionen von Schulen und Elternvereinen im Hamburger Umland bis Lübeck belegen dies. Für den planmäßigen Unterricht und die zusätzliche Sicherstellung der Betreuungszeiten werden nach gesicherten Erkenntnissen ca. 125 Planstellen benötigt.Die Landesregierung stellt jedoch nur 50 bereit und - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - diese 50 werden von anderen Grundschulen abgezogen, so dass dort noch weniger Unterricht stattfindet als bisher. Die restlichen 75 Stellen sollen die Schulen selbst erwirtschaften und organisieren, wie auch immer, das ist dem Bildungsministerium egal. Das ist keine wohlverstandene Autonomie der Schulen, sondern nichts anderes als eine Mogelpackung. Auf diese Art und Weise muss der Unterricht zugunsten der Betreuung abgebaut werden, Leistungssteigerung und Qualitätsverbesserung rücken in weite Ferne. Deshalb fordern wir die verlässliche Halbtagsgrundschule auf der Basis verlässlicher Stundentafeln mit zusätzlichem Förder- und Forderunterricht innerhalb der Schulzeit, aber außerhalb der Stundentafeln. Nur so können wir den Forderungen aus PISA begegnen.Als Grundvoraussetzung für Feststellung des Förderbedarfs brauchen die Schulen zudem verbindliche Lernziele und inhaltliche Minderstandards für jede Klassenstufe. Halbjährliche landesweite Leistungskontrollen ab Klasse 3, nicht nur schulinterne Vergleichsarbeiten sollen Eltern und Lehrkräften die Leistungseinschätzung der Kinder, der Lehrkräfte und der Schulen erleichtern, den Wettbewerb der Schulen untereinander fördern und die Schulaufsicht in die Lage versetzen, bei Bedarf einzugreifen. Dafür brauchen wir keinen neuen bürokratischen Schul-TÜV, sondern eine Stärkung der bisherigen Schulaufsicht. Und das haben Sie, Frau Erdsiek-Rave, schmählich vernachlässigt.Diese kontinuierliche Leistungseinschätzung i.V. mit pädagogischer Begleitung, Förderung, Forderung und Information der Eltern wird zu einer größeren Akzeptanz der Schulartenempfehlung führen.Damit kommen wir zur Orientierungsstufe. Ihre Äußerungen zu unseren Vorschlägen in der Presse, Herr Weber, zeugen entweder von Ihrer Unfähigkeit, sich von einer überholten Bildungspolitik lösen zu können, oder Sie haben unsere Vorschläge nicht richtig gelesen. Die CDU-Landtagsfraktion und der Landesarbeitskreis Bildung der CDU jedenfalls sind lern – und reformfähig - im Unterschied zu Ihnen. Wir wollen die Anzahl der Schrägversetzungen nach unten, die zunehmende Anzahl von Wiederholern i.V. mit Demotivation, Leistungsunwillen und sozialem Fehlverhalten verringern. Auch das hat PISA gefordert. Allerdings halten wir Ihren Weg, das Sitzenbleiben einfach abzuschaffen und die Jugendlichen bis zur 9. Klasse durchzureichen, egal, welche psychologischen Folgen sich für die einzelnen Kinder daraus ergeben, für falsch.Die Orientierungsstufe, fast 30 Jahre alt, muss grundlegend modernisiert werden. Entscheidend war und blieb in den letzten Jahrzehnten immer der sicher gut gemeinte Elternwille als Entscheidungskriterium für den Übergang auf die Orientierungsstufe einer weiterführenden Schulart und nicht die Schulartenempfehlung einer immerhin 4-jährigen Grundschulzeit - mit der Folge, dass Kinder Schularten zugewiesen wurden, deren Anforderungen sie nicht erfüllen konnten. Immer wieder ist versucht worden, die Akzeptanz der Schulartenempfehlung zu erhöhen, durch Berichtszeugnisse, durch Entwicklungsberichte und jetzt neuestens wieder durch halbjährliche Lernberichte ab Kl. 3, leider ohne Erfolg.Die CDU setzt auch weiter auf die Eigenverantwortlichkeit der Eltern. Dies gilt sowohl bei der Information über die Schulartenempfehlung, als auch bei der Anmeldung zum Testverfahren, dem sich die Kinder bei Auseinanderklaffen von Schulartenempfehlung und Elternwillen stellen sollen. Aber spätestens, wenn die Eltern auch die Testergebnisse nicht akzeptieren, wenn auch ausreichende Förderung von Seiten der Schule nicht zu dem von den Eltern gewünschten Ziel führt, müssen Konsequenzen zum Wohl des Kindes gezogen werden. Dann müssen sich die Kinder einer Aufnahmeprüfung unterziehen, dessen Ergebnis verbindlich ist.Wir denken, auf diese Weise können Sitzenbleiben und Schrägversetzungen nach unten und ihre Folgen auf Einzelfälle beschränkt werden. Dem gestuften Verfahren zur Aufnahme in die Orientierungsstufe, in B-W. mit Erfolg praktiziert, wird eine verbesserte Durchlässigkeit der Orientierungsstufe und da vor allem und in logischer Konsequenz die Durchlässigkeit nach oben zur Seite gestellt. Denn dafür gibt es bisher in diesem Lande überhaupt keine Kriterien, wahrscheinlich waren sie auch nicht nötig, da immer nur nach unten versetzt wurde. Kriterium sind bei aller pädagogischer Begleitung, Förderung und Forderung auch die Noten, gegeben von professionellen Pädagogen, Noten, die Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion fürchten wie der Teufel das Weihwasser.Meine Damen und Herren, die CDU setzt auf Chancengerechtigkeit, auf Förderung und Forderung und die Professionalität der Lehrkräfte. Lassen Sie uns alte Hüte aus der Bildungspolitik der 70er Jahre auch einmal gemeinsam über Bord werfen, für die Zukunftsfähigkeit unserer Kinder.